Lebensweg
Biathlon-Legende Fischer feiert den 60er

Der Kelheimer wurde als Olympiasieger zum Idol. Ein Naturbursch blieb er: „Vom Butterbrot wirst genauso satt wie von Kaviar.“

23.09.2016 | Stand 16.09.2023, 6:46 Uhr
Fritz Fischer war nach seiner aktiven Zeit lange Bundestrainer bei den deutschen Biathlon-Herren und machte Michael Greis 2006 zum dreifachen Olympia-Sieger. −Foto: Sven Hoppe/dpa

Fritz Fischer – Biathlon-Legende, Kelheimer Naturbursch, ehemaliger Berufssoldat und einer der erfolgreichsten deutschen Wintersportler: Er hat zehn Weltcupsiege, sieben WM-Medaillen und den kompletten Medaillen-Satz bei den Olympischen Spielen in seinem Biathlon-Lebenslauf stehen – nur eine davon errang der gebürtige Kelheimer im Einzel, alle anderen in Staffelwettbewerben. Am Donnerstag feierte der „Fritz“ seinen 60. Geburtstag.

„Ich habe mich mit meiner Familie nach Bad Griesbach zurückgezogen. Dort haben wir beim derzeit laufenden Golfturnier zugeschaut und dann abends im Hotel gefeiert“, berichtet Fischer von seinem Ehrentag. Das Handy hatte er aus, die vielen Glückwünsche las er erst später ab. „Es ist schön, dass sich so viele Menschen mit mir freuen.“ Der 60er sei für ihn „nur eine Zahl, innerlich fühle ich mich jung. Immer mehr ältere Menschen strahlen Freude und Vitalität aus. Bei mir ist’s genauso. Man muss das Leben einfach annehmen.“

„Mit 14 bin ich mit dem Radl zur Schlosserlehre gefahren.“Fritz Fischer

Fischer sieht in sich trotz seiner erfolgreichen Karriere als Athlet und Herren-Bundestrainer – für das Olympia-Gold-Triple 2006 von Michael Greis zeichnete er wesentlich mitverantwortlich – noch immer den Kelheimer Bauernburschen. „Meine Mutter stammt von einem Hof ab, mein Vater war einfacher Maurer. Mit 14 Jahren bin ich mit dem Radl zur Schlosserlehre gefahren.“ Als 15-Jähriger überquerte er mit zwei weiteren Kelheimern in einer 22-Stunden-Tagestour den Montblanc. „Ich habe mir als Naturbursch eine unwahrscheinliche Grundkondition erarbeitet. Die Natur war mein Kraftraum, etwa beim Heuarbeiten mit der Hand.“

„Am Start hatte ich die Hosen voll“

Mit seiner Wehrdienstpflicht in Pocking begann unvermittelt seine Biathlon-Laufbahn. „Bei einem 5000 Meter-Lauf habe ich unseren Kommandeur geschlagen. Der hat sich sofort dafür eingesetzt, dass ich einen sportlichen Weg einschlage.“ Vorgesehen war Fischer eigentlich als Panzergrenadier für die Kaserne Landshut. „Aber ich durfte nach Bad Reichenhall. Der Skisport hat mir immer schon gefallen und deshalb bin ich irgendwann Richtung Biathlon abgebogen.“ Der frühere Bundestrainer Jürgen Seifert entdeckte schließlich den Skijäger.

Sechs Jahre lebte Fischer in der Reichenhaller Kaserne. „Ich war froh, an den Wochenenden nach Hause nach Kelheim zu dürfen. Dort hatte ich die Donau, die für mich für eine unbeschwerte Kindheit steht.“ Als 24-Jähriger konnte er eine kleine Wohnung in Ruhpolding beziehen, das seine Wahlheimat werden sollte. Nach Kelheim kommt er immer wieder gerne, vor allem auch wegen seiner Mutter.

Für den Biathleten Fischer schlug die größte Stunde bei Olympia 1992 in Albertville. Mark Kirchner hatte die deutsche Staffel knapp in Führung gebracht. Routinier Fischer, damals schon 35, stand als Schlussläufer bereit. „Auf einmal durfte ich als Affeckinger Bauernbursch für Deutschland um Gold laufen. Da hatte ich zunächst die Hosen voll. In der Loipe hab’ ich auf den ersten hundert Metern Selbstgespräche geführt und mir gesagt: So, Fritz, jetzt kannst zeigen, ob du ein Weltsportler bist.“

Fischer bewies Nervenstärke: Zehn Schuss, zehn Treffer – damit war Gold perfekt. Auf der Zielgeraden wurde der gebürtige Kelheimer Teil der deutschen Sportgeschichte. „Nach der Wiedervereinigung bin ich als erster deutscher Sportler mit der schwarz-rot-goldenen Fahne durchs Stadion gelaufen.“ Für Fischer war das der Höhepunkt seiner Karriere, in der ihm vier Jahre zuvor das Schicksal einen bösen Streich gespielt hatte. 1988 bei den Winterspielen in Calgary zählte der damalige Gesamtweltcup-Sieger zu den Favoriten: „Ich war in der Form meines Lebens, wollte Gold.“ Doch beim Hinflug fing er sich eine Stirnhöhlenvereiterung ein, die Chancen in einem Einzelrennen waren dahin.

Fleiß, Disziplin und Freude am Leben

Seine prägenden Tugenden gibt er bis heute auch seinen Schützlingen weiter: harte Arbeit und Teamgeist. „Wichtig sind Fleiß und Disziplin – aber auch Spaß und Freude am Leben.“ An vorderster Stelle steht aber Menschlichkeit. „Ein normales, einfaches Leben zählt für mich. Von einem Butterbrot wirst du genauso satt wie von Kaviar. Was ich erleben durfte, ist nicht alltäglich. Dass ein Franz Beckenbauer zu meinem 50. Geburtstag aufkreuzte, ehrt einen, aber es ist nicht das Wesentliche“, so sein Credo.

Harte Arbeit und Teamgeist bekam der „Fritz“, der am 22. September 1956 in Kelheim geboren wurde, mit drei Schwestern und und zwei Brüdern viel auf dem Bauernhof des Opas mithalf, vielleicht mit in die Wiege gelegt, aber spätestens bei der Bundeswehr eingeimpft. Das bestätigte er bei seiner Verabschiedung aus dem aktiven Bundeswehrdienst 2010 selbst. „Ohne die Bundeswehr hätte ich nicht das werden können, was ich heute bin. Dafür bin ich sehr dankbar“, sagte der Stabsfeldwebel.

In Ruhpolding baute er über die Jahre ein Biathloncamp auf. „Privatleute, Firmen und Promis kommen zu mir, um in diesen Sport reinzuschnuppern. Möglichst viele Menschen sollen hier die Faszination Biathlon erfahren.“ Mehrere Jahre arbeitete er als Nachwuchstrainer des deutschen Teams. Bis ihn 2003 der Ruf des damaligen Biathlon-Chefcoachs Frank Ullrich ereilte. Fischer kümmerte sich dann um die Langlauftechnik der Athleten. Letztlich übernahm er Ulrichs Posten als Männer-Bundestrainer.

Mit „Hoppa, Hoppa!“ zum TV-Liebling

Mit schier unendlichem Engagement, das auch nach Außen sichtbar war, ging er seiner Aufgabe nach: Sein unermüdliches Rennen durch den Schnee und gleichzeitiges stakkatoartiges Anfeuern seiner Schützlinge („Hoppa, Hoppa!“) , das zuhauf im Fernsehen zu sehen war, wurden zum Markenzeichen. Was insofern erstaunlich war, da ihm als Bundestrainer schon seit einiger Zeit die Achillessehne schwer zu schaffen machte, er sich sogar einer Operation unterziehen musste. „Ich hab’ immer wieder zu hören bekommen: ,So krank kannst du gar nicht sein’“, sagt er. Dass er trotz seines Handicaps immer noch zu flotten Sprints fähig war, erklärte er sich so: „Ich bin so darauf fokussiert, den Sportlern zu helfen, dass die Schmerzen plötzlich keine Rolle spielen. Erst wenn ich ins Quartier zurückkehre, humple ich wieder. Und dann pocht es im Fuß die ganze Nacht.“ Da sind sie wieder: der Teamgeist, die unbedingte Leistungsbereitschaft, die harte Arbeit. Fischer kann nicht nur andere mitreißen, sondern sich selbst auch.

„Ich war schon immer ein Kasperlkopf und Gaudibursch.“Fritz Fischer

Der Wahl-Ruhpoldinger profitiert dabei wohl auch davon, dass er von einer robusten Frohnatur gesegnet ist: „Ich war schon immer ein Kasperlkopf und Gaudibursch“, hat er einmal gesagt. Dieser Selbsteinschätzung ist er beispielsweise auch gerecht geworden, als die von ihm betreuten Biathlon-Junioren 2001 fünf WM-Titel errangen. Der Fischer Fritz hat daraufhin eine Wette eingelöst und ist nur mit einer Unterhose bekleidet auf Skiern in die Loipe – bei minus zehn Grad.

Heute hält der dreifache Vater Fischer, in zweiter Ehe mit seiner Hanni verheiratet, als Scout für den DSV Ausschau nach jungen Talenten. „Ich tingle mit einem Laserstand durch die Lande und suche Kinder mit einer besonderen Gabe für Sport. Die müssen noch gar nicht in einem Biathlon-Training stehen“, erklärt er. Parallel betreibt er in Ruhpolding sein Biathloncamp. Fischer stellt unverminderte Tatkraft in Aussicht: „Ich brenne immer noch.“

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