Wechsel
Huhns erster Arbeitstag beim FC Bayern

Der Niederbayer ist neuer Physiotherapeut beim deutschen Rekordmeister – eine reizvolle aber auch eine knifflige Aufgabe.

01.07.2015 | Stand 16.09.2023, 7:07 Uhr
Fußball-Weltmeister: Physiotherapeut Christan Huhn mit Manuel Neuer und Bastian Schweinsteiger −Foto: dpa

Christian Huhn hat schon viel erlebt. Der Physiotherapeut aus Wildenberg im Landkreis Kelheim arbeitete bereits bei der deutschen Fußball-Nationalmannschaft und war auch beim WM-Triumph vergangenes Jahr dabei. Angesichts seiner neuen Aufgabe könnte er dennoch etwas feuchte Hände bekommen, obwohl er die in seinem Beruf überhaupt nicht gebrauchen kann. Nach dem über Monate für Schlagzeilen sorgenden Zoff um die medizinische Betreuung beim FC Bayern München ist er nun einer der Eckpfeiler des Neuaufbaus. Huhn ist der neue Chefphysiotherapeut des Weltklubs und soll dafür sorgen, dass die Stars der Münchner ab sofort stets lockere Beine haben.

Bei den Spielen des FC Bayern wer künftig Millionen Zuschauer vor den Fernsehschirmen beobachten können, wie Huhn bei Verletzungen der Spieler über den Rasen läuft. Im Kino wurde der 38-Jährige allerdings schon zuletzt bei Fußball-Fans in ganz Deutschland bekannt gemacht: wegen eines Dirndls, und obwohl er das gar nicht selbst getragen hat. In dem Film „Die Mannschaft“, der die Reise der deutschen Fußball-Nationalmannschaft zur Weltmeisterschaft in Brasilien zeigt, hatte der Niederbayer einen unterhaltsamen Auftritt.

Lustige Dirndl-Wette mit Müller

Mit Torjäger Thomas Müller wettete Huhn im Trainingslager, dass dieser gegen seine Kollegen aus dem Physioteam auf dem Golfplatz den Kürzeren ziehen wird. Wer die Wette verliert, müsse bei einem Essen die Mannschaft im Dirndl bedienen, so lautete der Einsatz. Und Huhn hatte den richtigen Riecher. Seine Kollegen zogen Müller ab, der war dann im bayerischen Trachtengewand zu sehen. „Die Aktion war ein Riesen-Spaß“, erinnert sich Huhn gerne.

Mit Müller, der ohnehin als lustiger Zeitgenosse bekannt ist, kann Huhn nun noch weitaus öfter Schabernack veranstalten. Schließlich wird er ihn nicht mehr nur bei der Nationalmannschaft treffen, sondern ab sofort das ganze Jahr: beim FC Bayern. So wie etliche andere Stars der Münchner, die Huhn bereits beim Nationalteam betreut hat. Etwa Jerome Boateng. Und der war die vergangenen drei Jahre sogar der Arbeitgeber von Huhn. Der Innenverteidiger war von dessen Arbeit so angetan, dass er ihn 2012 als persönlichen, exklusiven Physiotherapeuten anstellte. Huhn verließ dafür die Praxis seines Ziehvaters Klaus Eder in Donaustauf und stürzte sich mit Feuereifer in die neue Aufgabe. Für Boateng sei er „täglich und überall“ dagewesen, erzählt er. Dass sein „Chef“ in den vergangenen Jahren einen großen Leistungssprung machte, dürfte nicht zuletzt Huhns Verdienst gewesen sein.

Spekulationen über Kabinenstreit

Nun hat Huhn, der von seinen Freunden in Anspielung auf seinen Nachnamen „Chicken“ gerufen wird, eine Festanstellung beim FC Bayern bekommen. Das ist eine durchaus knifflige Aufgabe, schließlich sorgte die medizinische Abteilung des FC Bayern zuletzt für viele Schlagzeilen. Nach dem Champions-League-Spiel in Porto im April diesen Jahres war der bekannte und langjährige Mannschaftsarzt Dr. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfarth völlig überraschend zurückgetreten. Über einen Streit in der Kabine wurde danach spekuliert. Müller-Wolfarth und seinem Team soll von der Klubführung vorgeworfen worden sein, dass einige verletzte Spieler nicht schnell genug wieder fit geworden sind.

Vor drei Wochen trennte sich der FC Bayern nun auch noch von Physiotherapeut Fredi Binder. Auch hier wurde viel über die Hintergründe spekuliert. Vom Verein gab es die Mitteilung, dass ein Wechsel auf dieser Position im Zuge der grundsätzlichen neuen Ausrichtung der medizinischen Abteilung erfolge.

Der neue starke Mann ist nun Huhn. Aufgewachsen ist dieser im kleinen Wildenberg im Landkreis Kelheim. Seine Ausbildung zum Physiotherapeuten machte er in Landshut und danach bekam er einen Job bei Eder, der zu seinem großen Förderer wurde. Nun schlägt dessen Schützling ein großes, neues Kapitel in seinem Berufsleben auf. Und das, obwohl Huhn der MZ erst vor einem halben Jahr sagte, dass er zwar immer mal wieder Angebote von Fußball-Vereinen bekomme, dies für ihn derzeit aber keine Option sei. Dem Angebot des FC Bayern konnte Huhn dann aber doch nicht widerstehen – auch wenn ihm dort zumindest in den kommenden Monaten wohl ganz genau auf die Finger geschaut wird.

Sein Mentor traut ihm diesen Job allerdings absolut zu: „Christian hat die vergangene Zeit gut genutzt, sich das emotionale Rüstzeug für eine solche Aufgabe zuzulegen“, sagte Eder der MZ. Beim Deutschen Fußball-Bund habe Huhn bereits durch „ein Stahlbad“ gehen müssen, denn bei Turnieren sei der Druck für die Physiotherapeuten sehr groß: „Er hat sich hier bereits beweisen müssen und gezeigt, dass er das kann.“

Eder: „Ein wirklich toller Job“

Dass sein Freund nun „einen wirklich tollen Job“ bekommen hat, freut Eder sehr. Er wurde davor übrigens von Matthias Sammer kontaktiert: „Matthias und ich kennen uns ja sehr gut, da tauscht man sich in solchen Fragen natürlich aus. Mit dem Christian und dem Andreas Schlumberger konnte ich ihm zwei charakterlich feste und fachlich kompetente Leute empfehlen.“ Schlumberger, das ist der zweite neue Mitarbeiter beim FC Bayern, der einst bei Klaus Eder arbeitete. Er wurde von den Münchnern als neuer Fitnesscoach geholt. Eder selbst hatte vor vielen Jahren übrigens auch die Möglichkeit, beim FC Bayern fest einzusteigen. Er entschied sich aber dafür, zuhause den Betrieb seiner Mutter zu übernehmen: „Es war zwar eine schwierige Entscheidung damals, aber ich habe es nie bereut.“

„Fast so etwas wie Zwillinge“

Seinen langjährigen Mitarbeiter Huhn beschreibt er als „ungeduldig, sehr sensibel aber in der Sache akribisch und zuverlässig“. „Und bei diesen Eigenschaften sind wir fast so etwas wie Zwillinge“, setzt er mit einem Lachen hinzu. Seinen Bruder im Geiste wird er in Zukunft aber etwas seltener als früher persönlich treffen. Bei der Nationalmannschaft wird Huhn über kurz oder lang wohl aus Eders Team ausscheiden. „Christian muss sich um den gesamten Physiotherapeuten-Stab beim FC Bayern kümmern, dazu die tägliche Arbeit mit den Spielern. Die Doppelbelastung mit der Nationalmannschaft wäre auf Dauer unmenschlich. Das wäre alleine von der mentalen Belastung kaum zu verkraften“, meint Eder.