Schliff
Kelheimer wachst deutsche Biathleten

Niklas Kellerer präpariert Brettl von Weltcup-Hoffnungsträgern. Der 23-Jährige jettet zwischen EM, Military-Games und Dubai.

22.03.2017 | Stand 16.09.2023, 6:25 Uhr
Matthias Dorfer ist einer der jungen Biathleten, die heuer im Weltcup starteten. Mit Erik Lesser, Simon Schempp und Benedikt Doll feierte er einen dritten Platz mit der Staffel. −Foto: dpa

Naheliegend, nach geschlagenen fünf Monaten Knochenarbeit bei jeder Witterung im Wintersport zieht es nicht nur die Athleten in die Wärme. „Ich brauch’ mal Sonne, mal die Füße hoch legen“, sagt Niklas Kellerer vor seinem Abflug nach Dubai. Der 23-jährige Kelheimer hat es sich verdient, seit November war er mit deutschen Biathleten auf Tour durch den IBU-Cup, die EM in Polen und die Military-World-Winter-Games in Russland. Sein Job: als Service-Techniker des DSV für die optimalen Skier unter den Füßen zu sorgen. Einige seiner Schützlinge tauchten im Verlauf der Saison erfolgreich im Weltcup auf.

„Teils kenne ich die Athleten aus meiner aktiven Zeit sehr gut.“Niklas Kellerer

Der früherer Skijäger Nik Kellerer – vor einem Jahr beendete der ehemalige deutsche Jugendmeister seine Laufbahn – hat in diesem Winter einiges gelernt, auch geografisch. Er weiß jetzt, wo Otepää liegt (Estland), kann den EM-Ort Duszniki Zdroj (fast) buchstabieren und kennt die Olympia-Stätte Sotschi. „Die krasseste Reise war von Kontiolahti in Finnland nach Otepää und von dort direkt zurück nach Hause. Die Rückfahrt dauerte 22 Stunden“, erzählt der Kelheimer.

Zudem Coach in Ruhpolding

Während die deutsche Elite im Weltcup auf einen beeindruckenden Truck setzt, muss der Tross im IBU-Cup eine Stufe darunter mit einem VW Crafter auskommen. „Das passt schon, da geht einiges rein“, lächelt Kellerer, der bereits in der vergangenen Saison bei der Biathlon-EM als Techniker reinschnuppern durfte. „Vor diesem Winter erhielt ich die Anfrage von Biathlon-Sportdirektor Björn Weisheit, ob ich mir die komplette Saison vorstellen könnte.“

Die Entscheidung fiel Kellerer nicht schwer. „Biathlon ist mein Sport. Teils kenne ich die Athleten gut aus meiner eigenen Laufbahn.“ Der Oberstabsgefreite von den Gebirgsjägern in Bischofswiesen ist für seine Tätigkeit im DSV frei gestellt. Zudem geht Kellerer im Sommer einem Trainerjob bei Nachwuchsskijägern in Ruhpolding nach. „Von der Jugend 16 bis zu jungen Damen und Herren kommt dort alles zusammen.“ Betreuerkollegen sind der frühere Spitzenbiathlet Andi Birnbacher oder der deutsche Herren-Disziplincoach Andi Stitzl – sie freilich kümmern sich um Stars wie Simon Schempp.

Für den Skitechniker Kellerer begann der Winter im Oktober. „Da haben wir in Oberhof die Skibestände des deutschen B-Kaders vorbereitet.“ Bei einem Lehrgang mit diesen Kaderathleten im November in der Schweiz war viel Fingerspitzengefühl gefragt. „Wir mussten sämtliche Skier beschriften, bekleben. Fehler solltest du dir nicht erlauben, sonst weißt du nicht mehr, wem was gehört.“

Mit Laura Dahlmeier im Mixed

Ende November begann die Saison in Norwegen. Sechs Männer und sechs Damen stellte der DSV für den IBU-Cup auf. „Diese Serie steht im Schatten des Weltcups. Aber man übersieht, dass sich dort erstens die nächsten Biathlon-Größen herausbilden und auch ständig Weltcup-Starter mitmachen.“ So waren bei den Frauen Nadine Horchler und Denise Herrmann, bei den Männern Florian Graf sporadisch dabei. Von den internationalen Stars tauchten Jewgeni Garanitschew oder Tarjei Bø auf.

Umgekehrt werden Skijäger, die sich in den IBU-Wettkämpfen anbieten, in den Weltcup beordert. Roman Rees (Mixed-Staffel-Dritter mit Laura Dahlmeier in Finnland) oder Matthias Dorfer (Staffel-Dritter mit Deutschland in Slowenien) meisterten diesen Sprung mit ersten Erfolgen. „Da freut man sich natürlich mit, wenn einer so einsteigt“, lächelt Kellerer.

Er und sein erfahrener Kollege Rene Altenburger-Koch waren bei allen acht IBU-Stationen als Techniker an Bord. Wenn Kellerer über den unterschiedlichen Aufbau des Skibelags, die Wachsarten oder die Abstimmung auf die Schneebeschaffenheit parliert, ahnt man, dass sich eine Wissenschaft auftut. „Ein Vorteil ist sicher, dass ich mich als Aktiver viel mit diesen Dingen beschäftigt habe. Ohne g’scheite Bretter ist der weltbeste Biathlet aufgeschmissen“, sagt er. „Komplett verwachst habe ich mich heuer nie“, ergänzt der Kelheimer und verweist auch auf das Lob der Athleten.

Arbeitstag mit zehn, elf Stunden

Bei der EM in Polen ging es bei den deutschen Herren jedoch nicht auf. Was aber nicht am Wachs lag. Zum einen schickten Russland, Bulgarien und Lettland erfahrene Weltcup-Männer an den Start, die alles abräumten; zum anderen purzelte das deutsche Aufgebot wegen Krankheiten durcheinander. Spannend war für Kellerer der Trip zu den Military-World-Winter-Games nach Sotschi. „Da wurde ich als Trainer der Bundeswehr mitgenommen.“ In Erinnerung blieb dem 23-Jährigen, wie pompös das Gastgeberland die Titelkämpfe aufzog. „Ich glaube, Russland wollte sich nochmal zeigen, nachdem es wegen der Dopingvorfälle so schnell keine großen Wettkämpfe mehr bekommen dürfte.“

Und Kellerer schnallte sich heuer doch tatsächlich auch wieder die Ski unter die Füße. Beim Deutschland-Pokal in Ruhpolding trat er im Massenstart an. „In den Tagen zuvor hatte ich auch ein paarmal geschossen.“ Das Fazit nach dem Rennen fiel so aus: „Ich bereue nicht, das ich aufgehört habe.“

„Egal, ob 50 Zuschauer oder 20 000 – wir wollen immer das beste Material finden.“Niklas Kellerer

Nach dem Ende seiner Karriere steht Kellerer als Techniker jetzt auf der anderen Seite der Biathlon-Erfolge. „Wir sind die Rädchen im Hintergrund. Um sieben Uhr früh stehen wir auf der Loipe und suchen das Wachs und ein paar mögliche Wettkampfskier für unsere Starter aus. Später bespricht man sich mit dem Biathleten, welches Paar er haben möchte.“ Nach den Rennen geht es in die Nachbereitung des Materials – und in die Vorbereitung für den nächsten Tag. „Zehn, elf Stunden kann der Arbeitstag schon dauern.“ Am Abend ist noch ein gemeinsames Bierchen an der Hotelbar drin, „dann musst du sowieso schon wieder an morgen denken“.

Die nächste Saison im IBU-Cup ist für Niklas Kellerer, der ab Montag in den Unteroffiziers-Lehrgang geht, „so gut wie fix“. Freilich würde ihn die Technikerarbeit im Weltcup auch reizen. „Aber es ist egal, ob du vor 50 Zuschauern oder 20 000 Fans deinen Jobs machst – wir wollen immer das beste Material finden.“

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