Samstagsinterview
Erst Ski, jetzt Kinderschlitten

Bayerwald-Frau Monika Bergmann feierte vor zwölf Jahren ihren WM-Titel. Was macht die ehemalige Ski-Rennläuferin jetzt?

04.02.2017 | Stand 16.09.2023, 6:39 Uhr
Ein Bild aus Wettkampftagen: Monika Bergmann 2006 beim Weltcup in Aspen, USA −Foto: dpa

Monika Bergmann, Sie waren Team-Weltmeisterin 2005, haben dreimal an Olympischen Spielen teilgenommen, waren Dritte im Slalomweltcup. Vor fast acht Jahren haben Sie Ihre Karriere beendet. Wie geht es Ihnen heute?

Gut. Einfach gut. Mein Leben hat sich total geändert. Der Fokus hat sich verschoben. Ich habe mittlerweile zwei Buben, Zwillinge, sie sind zweieinhalb Jahre alt.

Stehen Sie noch selbst auf den Brettern?

Momentan fahre ich eher mehr Schlitten und Bob durch die Kinder (Bergmann lacht). Aber ich habe gerade einen Skikurs beim TSV Blaibach gehalten und mache noch so zwei, drei andere Aktionen. Dass ich allein auf Skiern unterwegs bin, das passiert nur selten. Das geht von der Zeit her nicht, auch durch die Kinder, die fahren ja noch nicht. Und ich verbringe die Zeit lieber mit ihnen.

Am Wochenende beginnt die Ski-WM. Haben Sie noch Kontakt zu Fahrern?

Ja, klar. Zum Alois Vogl sowieso, der wohnt ja gerade mal 20 Kilometer weiter.Aber beispielsweise auch zum Felix Neureuther.Wir schreiben uns ab und zu.

Stehen Sie auch im Kontakt mit dem Deutschen Skiverband?

Nein. Das ist allein von der Distanz her nicht gegeben und das habe ich nach dem Karriereende auch nicht angestrebt.

Verspüren Sie selbst ab und an den Drang, den Hang runterzufahren?

Eigentlich nicht. Ich möchte mal wieder die Orte besuchen, wo ich gerne gefahren bin, wie in Lienz oder in Zagreb. Aber dann nicht als Wettkampfteilnehmerin, sondern als Zuschauerin, um den Rahmen, die Kulisse wieder zu erleben.

Sie waren eine Athletin, die sich den Mund nicht verbieten hat lassen. Ist es vielleicht auch so, dass Sie keine Lust haben, manchen Leuten wiederzubegegnen?

Nein. Es druckt mich nicht, weil ich mittlerweile andere Aufgaben habe, nicht wegen der Leute. Ich wäre beispielsweise gerne bei einem Ehemaligen-Treffen dabei gewesen, aber damals war ich hochschwanger und wollte nicht mit dem Auto so weit fahren, da haben es die anderen Umstände sprichwörtlich nicht zugelassen.

Die WM steht vor der Tür. Was trauen Sie den deutschen Athleten zu?

Das ist schwierig zu sagen, denn ich kann es nur als Außenstehende betrachten. Zwischen nix und allem. Dem Felix sehr viel. Felix weiß, wie er auf den Punkt fit wird. Er ist immer heiß, er kann sowohl im Riesenslalom als auch im Slalom was reißen. In den schnellen Disziplinen muss man natürlich die Vicky (Rebensburg, d. Red.) auf der Rechnung haben. Im Frauen-Slalom wäre es eine Überraschung, wenn eine Deutsche in die Medaillen fahren würde.

Monika Bergmann über die Chancen der Deutschen bei der WM.

Was hat Ihnen das Skifahren gebracht?

Ich habe viel gelernt. Auch fürs Leben. Dass es mir wichtig ist, mir selber treu zu bleiben, dass ich eine Meinung habe, zu der ich stehe, die ich dann aber auch vertreten muss. Natürlich habe ich manchmal auch durch die harte Schule gelernt, dass es vielleicht nicht so toll ist, wenn man gleich seine Meinung äußert, ohne die Konsequenzen zu bedenken.

Würden Sie im Nachhinein etwas anders machen?

Ich würde wahrscheinlich fast alles wieder genauso machen, vielleicht etwas taktischer. Aber wenn man selber emotional drinsteckt, dann geht’s halt manchmal nicht anders. Ansonsten war es eine coole Zeit.

Sie haben bereits während Ihrer Karriere

studiert, danach den Bachelor gemacht und arbeiten jetzt in Teilzeit als Betriebswirtin. War es für Sie schwierig, ins normale Berufsleben zu wechseln?

Die ersten drei Monate hatte ich das Gefühl, wahnsinnig zu werden. Durch den Sport war ich den ganzen Tag draußen und dann sitze ich auf einmal acht Stunden drin. Vor einer Maschine. Da dachte ich erst, das kann ich nicht. Nach einer Zeit ging es besser. Nach dem Arbeiten bin ich mit meiner besten Freundin viel Golf spielen gegangen, oft bis es finster wurde, damit ich noch mal rauskomme an die frische Luft. Schwierig war es wieder im Winter, wenn es bereits um halb fünf dunkel wurde. Natürlich kann man auch in ein Fitnessstudio gehen, aber dann ist man ja wieder drin. Ich bin ein absoluter Draußen-Mensch. Ich brauche das, auch jetzt noch.

Welche Zeit würden Sie als die schönste Zeit Ihrer Karriere bezeichnen?

Es war zwar brutal anstrengend, aber das erste Jahr, als ich mit meinem privaten Trainer, mit Franz Ringsgwandl unterwegs war.

Sie hatten eine schlechte Saison hinter sich und sind damals aus dem Kader geflogen, auch aus disziplinarischen Gründen. „Der Skiverband ist keine Sozialstation“, hatte Alpinchef Wolfgang Maier damals gesagt.

Es war Neuland, ungewiss, wie macht man das alles, wie organisiert man das, aber auf der anderen Seite war es cool. Denn die Verantwortung, die ich immer haben wollte, die hatte ich dann. Franz Ringsgwandl kümmerte sich um das Sportliche, ich um alles Nachgelagerte. Zuvor war alles vom DSV organisiert gewesen. Du hast deinen Jahresplan bekommen, da stand drauf, wann du anreist, wann du abreist, wo du wohnst, egal ob es schneit, oder regnet. Aber wenn du alles aus eigener Tasche finanzierst, dann reist du halt nicht an, wenn drei Meter Schnee angesagt sind, sondern musst dir was überlegen. Es war interessant, auch die Zusammenarbeit mit anderen Trainingsgemeinschaften und Nationen. Ich habe beispielsweise mit den Schwedinnen, mit den Österreicherinnen trainiert. Die haben mich alle mit Handkuss mitfahren lassen. Da denkst du dir schon: „Interessant, dein eigenes Land will dich nicht, die anderen sagen: ,Logisch kannst du mitfahren, du bringst noch einen eigenen Trainer mit? Kein Problem.’“

Ich musste mich nicht mehr nach diesen starren Schemata richten, beispielsweise im Training. Meiner Meinung nach muss nicht jeder fünf oder zehn Läufe fahren, nur damit er den Trainingsplan ordnungsgemäß abhaken kann. Der eine braucht drei, der andere sieben, der dritte 15 Läufe. Und wenn ich zum Franzi gesagt habe: „Ich kann nicht mehr, ich bin platt“, egal ob vom Kopf her oder von den Füßen, dann haben wir halt aufgehört. Und wenn noch was gegangen ist, sind wir gefahren, bis wir umgefallen sind.

Sie hätten sich mehr Individualität gewünscht?

Ja. Natürlich geht das nicht in allen Dingen, aber teilweise wäre es schon gegangen.

Für Sie war es offensichtlich eine gute Entscheidung, Sie gehörten in dem Winter nach Ihrem Rauswurf wieder zu den konstantesten deutschen Fahrerinnen, hätten auch wieder in den Kader zurückkehren können. Vermissen Sie den Ski-Zirkus?

Nein. Ich hatte das große Glück, den Zeitpunkt zum Aufhören selbst bestimmen zu können. Ich war nicht durch eine Verletzung genötigt oder durch miserable Leistungen. Aber es war auch Zeit für mich, aufzuhören. Wenn du bei einem Weltcup bei der Besichtigung oben stehst und dich fragst: „Was tue ich da eigentlich?“, dann solltest du dir Gedanken machen. Es hat dann aber schon noch gedauert, bis ich es wahrhaben wollte.

Haben Sie diese Entscheidung allein mit sich ausgemacht?

Ich habe mit Ringsgwandl gesprochen. Er hat mich damals nur angeschaut und gesagt: „Du weißt doch schon ganz genau, was du machen willst, was brauchst du da mich? Bestätigen brauche ich es dir nicht.“ Er hatte Recht.

Wenn sich herausstellt, dass Ihre zwei Buben Ihr Talent geerbt haben, was würden Sie als Mutter machen?

Wenn Sie das Talent haben und wirklich wollen, dann helfe ich und fördere sie entsprechend, das ist doch klar. Jetzt müssen Sie aber erst einmal das Skifahren lernen, wahrscheinlich nächstes Jahr. Bei uns gibt es eine Nachbarswiese, da haben die Kinder heuer schon eine super Bahn reingetreten mit den Skiern. Da geht’s ab, jeden Nachmittag, wenn das Wetter halbwegs passabel ist. Ansonsten würde ich sie eh in den Skikurs mitgeben, weil bei der Mama hieße es dann die ganze Zeit, „Mir ist kalt, ich muss bieseln etc.“ Im Skikurs sind dann noch fünf, sechs andere sprechende Helme dabei und dann läuft das einfach. Da muss die Mama nicht mitgschafteln.

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