Tagung
Farben sehen – im Auge und im Gehirn

Wie das Gesehene verarbeitet wird und welche Rolle Farben in der Kunst spielen, diskutieren Experten an der Uni Regensburg.

18.09.2016 | Stand 16.09.2023, 6:48 Uhr
Louisa Knobloch
Wie sehen wir Farben? Darüber diskutieren Forscher bei einem Symposium an der Universität Regensburg. −Foto: Zffoto/Fotolia

„Bei Rot stehen, bei Grün gehen“ – das bekommen schon kleine Kinder beigebracht. Farben vermitteln also Botschaften, erleichtern uns – etwa durch verschiedenfarbige Linien auf einem U-Bahn-Plan – die Orientierung und in der Natur ermöglichen sie uns beispielsweise, den Reifegrad von Früchten oder Getreide zu erkennen. Wie aber nehmen wir Farben überhaupt wahr? Damit beschäftigen sich Wissenschaftler aus dem In- und Ausland von Montag bis Mittwoch beimSymposium „Seeing Colors“ (Farben sehen) an der Universität Regensburg.

Rund 130 Teilnehmer werden zu der vom Regensburger Themenverbund „Sehen und Verstehen“ organisierten Veranstaltung erwartet. Das Symposium bringt dabei Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen wie Neurowissenschaften, Augenheilkunde, Psychologie und Kunstgeschichte zusammen.

„Beim Farbensehen laufen schon im Auge sehr viele Prozesse ab“, erläutert der Psychologe Prof. Dr. Mark W. Greenlee, einer der Organisatoren der Tagung. „Uns interessiert, wie und wo genau die Signale aus dem Auge im Gehirn verarbeitet werden, welche Art von Neuronen daran beteiligt sind und was passiert, wenn das Farbensehen – etwa bei Erkrankungen – ausbleibt.“ Dazu arbeiten die Forscher mit bildgebenden Verfahren wie der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) oder der Elektroenzephalographie (EEG).

Vierter Rezeptor für mehr Farben

Menschen gehören zu den sogenannten Trichromaten. Das bedeutet, dass unsere Netzhaut über drei verschiedene Arten von Zapfen als Farbrezeptoren verfügt. Frauen mit einem farbenblinden Elternteil verfügen jedoch teilweise über einen zusätzlichen, vierten Zapfentyp. Sie sind also quasi Tetrachromaten – bemerken das in der Regel aber nicht, da die Signale des vierten Farbrezeptors im Gehirn nicht verarbeitet werden. Die Wissenschaftlerin Gabriele Jordan von der Universität Newcastle, die ebenfalls bei der Tagung in Regensburg spricht, hat allerdings eine Frau gefunden, die durch ihren vierten Zapfentyp offenbar tatsächlich deutlich mehr Farbnuancen wahrnehmen kann. Die Entdeckung einer funktionellen Tetrachromatin sei eine Überraschung gewesen, sagt Prof. Dr. John S. Werner von der University of California (UC) Davis. Der Experte auf dem Gebiet der Farbwahrnehmung forscht derzeit als Gastwissenschaftler an der Universität Regensburg. Weitere Vorträge befassen sich mit der Farbwahrnehmung von Kleinkindern vor dem Spracherwerb, dem Einfluss des Farbgedächtnisses auf menschliches Verhalten oder der Veränderung der Farbwahrnehmung über die Lebenszeit hinweg.

Farbwahrnehmung in der Kunst

Die Forscher widmen sich auch dem Thema „Farben in Kunst und Kultur“. „Schon Kunsttheoretiker wie Alberti oder Leonardo, später Isaac Newton oder Goethe haben grundlegend unser Verständnis der Farbe und ihrer Wahrnehmung verändert“, sagt Prof. Dr. Christoph Wagner vom Lehrstuhl für Kunstgeschichte. Dabei würden kulturelle und historische Unterschiede deutlich: In der Farbordnung von Alberti zählte neben Rot, Grün und Blau auch Grau zu den Grundfarben. In der zeitgenössischen Kunst gebe es den Trend, elementare Licht- und Farbwahrnehmungen für den Betrachter zu gestalten – ein Beispiel sind laut Wagner die Werke des amerikanischen Künstlers James Turrell.

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