Gründer
„Mister Regal“ hat Appetit auf Chips

Ein Investmentbanker und eine Ökotrophologin entwickelten eine gesunde Snack-Alternative. Sie schmeckt nicht nur Ralf Dümmel.

26.10.2016 | Stand 16.09.2023, 6:39 Uhr
Christine Hochreiter
Ralf Dümmel ist der Investitionschampion der aktuellen Staffel der Gründershow. −Foto: DS Produkte-Rieka Anscheit

Die S-Bahn-Haltestelle heißt „Siemenswerke“. Doch Siemens gibt es hier nach dem Niedergang der Kommunikationssparte eigentlich nicht mehr. Dafür haben sich auf dem weitläufigen Areal in München-Obersendling die unterschiedlichsten Service- und Produktionsbetriebe eingemietet. Irgendwo soll auch „MyChipsbox“ sein. Die Eingangstür in einer Ecke des dunklen Baus übersieht man leicht. Erst wenn man genauer hinschaut, erkennt man die kreuz und quer hingeklebten Kartonagen mit dem Firmenlogo. Dahinter verbirgt sich ein klitzekleiner Raum mit einem Tisch, an dem mehrere Personen sitzen – Ebru und Erol Kaynak mittendrin.

Die Ökotrophologin und der Diplom-Kaufmann haben sich mit dem Start-up einen Traum erfüllt und manchmal fühlen sie die beiden wie die Hauptdarsteller in einem Film, der im Zeitraffer abgespielt wird. Dabei ist es noch gar nicht so lange her: Die beiden wohnten in Frankfurt und hatten „gute Jobs“, wie sie erzählen. Ebru Kaynak war bei einem Lebensmittelkonzern beschäftigt, ihr Mann arbeitete als Investmentbanker. Nachdem sie „zusammenkamen“, beschlossen sie ihre Kompetenzen im Food-Bereich zu bündeln. Wie und mit was genau war zunächst nicht klar. „Wir haben beim Einkaufen immer die Augen offen gehalten“, sagt Erol Kaynak. Irgendwann fiel ihnen auf, „dass es auf dem Markt für Kartoffelchips keine echten Innovationen gibt“.

„Wir wollen auch im Regal auffallen.“Start-up-Unternehmer Erol Kaynak

Die Fachfrau für Ernährung konstatiert: „Die Liste der Zusatzstoffe auf der Rückseite der Packungen ist riesig und Kesselchips sind nicht wirklich gesünder. Sie sind nur dicker geschnitten.“

Der Plan stand fest: Verbrauchern, die Wert auf gesunde, hochwertige, biologische Lebensmittel legen, wollten die beiden Premium-Chips anbieten. Sie setzten auf Klasse statt Masse und entwickelten die ersten Chipkreationen aus Kartoffeln – gemischt mit luftgetrocknetem Gemüse. Statt künstlicher Aromen und Geschmacksverstärker verwendeten sie ausschließlich natürliche Komponenten. Auch die Verpackung sollte anders sein – keine raschelnde Tüte, sondern eine edle Schachtel. „Wir setzen auf eine deutliche Differenzierung und wollen im Regal auffallen“, so Kaynak.

Von der Nachfrage „überrollt“

Ende 2014 kündigten die Gründer ihre Jobs und von da an ging alles rasant. Sie zogen nach München um, heirateten und schafften es mit ihrer Neuentwicklung direkt in die Regale von Bio-Supermärkten. Sie mussten einen Zertifizierungsprozess durchlaufen, fuhren auf Messen und wurden von der Nachfrage des Lebensmitteleinzelhandels „förmlich überrollt“. Die Kartoffelchips produziert inzwischen ein anderes europäisches Unternehmen ausschließlich für die Münchner, die jetzt sechs Mitarbeiter beschäftigen. Andere Prozessschritte sind an „Co-Packer“ ausgelagert, spezialisierte Firmen, die „top zertifiziert sind“. Auf einer Messe wurden die Zwei von den Ideen-Scouts derGründer-Show „Die Höhle der Löwen“angesprochen und bewarben sich.

Hier sehen Sie ein Video zu den Gründern von „MyChipsbox“

Seit der Ausstrahlung der Sendung am Dienstagabend steht fest: Ihre Kombinationen aus Kartoffelchips und luftgetrocknetem Gemüse (und neuerdings auch Obst) schmeckten den Investoren so gut, dass sie gleich zwei Offerten bekamen. Am Ende entschieden sich Ebru und Erol Kaynak gegen das Angebot von Judith Williams undFrank Thelenund für einen Deal mit Ralf Dümmel, dem geschäftsführenden Gesellschafter von DS Produkte. Der erklärte sich bereit, für 12,5 Prozent des Unternehmens 200 000 Euro locker zu machen. Seit der Aufzeichnung der Sendung im März gab es mehrere Gespräche mit dem Handels-Profi, der in der Sendung gerne „Mister Regal“ genannt wird. Die Chips-Unternehmer sind „total happy, weil es super passt“. Ab nächste Woche würden ihre Produkte in Deutschland an ganz vielen Orten zu kaufen sein: „Und das haben wir größtenteils Herrn Dümmel zu verdanken.“

Einen Kommentar zur Gründer-Show „Die Höhle der Löwen“ lesen Sie hier

Vor der aktuellen Staffel der Gründer-Show war der neue „Löwe“ Dümmel in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Dabei ist DS Produkte eine Größe in der deutschen Handelslandschaft. Sein Reich mit Sitz in Stapelfeld bei Hamburg setzt mit 400 Mitarbeitern rund 250 Millionen Euro um. In der Sendung ist er der Investitions-Star. Niemand gibt so viel Geld aus wie der Mann im edlen Zwirn und mit den farbigen Socken. 22 Investments sind es seit der Sendung am Dienstagabend. Der Mann scheint ein gutes Gespür für interessante Produkte zu haben. Im Gespräch mit unserem Medienhaus sagte er, dass nach den ersten Investitionsbekundungen bei den Nachverhandlungen lediglich vier Deals nicht zustande gekommen seien.

Dümmel outet sich als Fan der „Höhle der Löwen“. Er habe die Sendung oft gesehen und mit Spannung verfolgt. Weil er das Gefühl hatte, dass jemand mit dem richtigen Riecher für Produkte einen Mehrwert für die Show bringen kann, habe er sich entschlossen, als Investor einzusteigen.

Geschäfte machen mit Herz

Für die „MyChipsbox“-Gründer findet er nur begeisterte Worte. Er habe selten mit einem Produkt zu tun, an dem man fast gar nichts mehr verändern musste. Ebru und Erol Kaynak würden für ihre Entwicklung brennen. Und das liebe er. Mit ihren Chips-Duetten hätten sie den Nerv der Zeit getroffen. Dem Produkt sagt Dümmel einen langen Lebenszyklus voraus.

In der Show gilt der DS-Manager als der Investor mit dem großen Herz – spätestens seit er Geld für den „Pannenfächer“ von Richard Kaulartz gegeben hat und diesen in Rekordzeit in den Handel brachte. Dümmel selbst hatte sich mit einem Hauptschulabschluss von unten hochgearbeitet.

Bei einem Investment sollten Herz und Kopf immer zusammenarbeiten.Ralf Dümmel, Investor in der TV-Gründer-Show

Die Kaulartz-Geschichte berührte viele Zuschauer, weil die Schwester des Gründers ihre Rentenversicherung für den Traum ihres Bruders gekündigt hatte. Dümmel versteht sich aber nicht als Wohltäter. Mit Produkten, in die er investiere, müsse man freilich auch Geschäfte machen können. Herz und Kopf sollten immer zusammenarbeiten. Was Ebru und Erol Kaynak auf die Beine stellten, habe ihn „geflasht“. Beste Voraussetzungen also, dass der Erfolgsfilm weitergedreht wird.

Die beiden Gründer sehen in dem Einstieg Dümmels sowie dem TV-Auftritt vor einem Millionenpublikum einen „Meilenstein“ in der Entwicklung ihres Unternehmens. Sie sind auf dem Sprung zu einer Messe – und haben schon wieder ganz viele neue (Produkt-)Ideen, etwa für eine siebte Sorte.

Noch mehr Berichte aus dem Ressort Wirtschaft lesen Sie hier.