Baupsychologie
Die spannende Psychologie der Häuser

Der Einsatz von Farben, Licht oder Akustik beeinflusst die Wirkung von Gebäuden. Sie können so besser nutzbar gemacht werden.

27.04.2017 | Stand 16.09.2023, 6:36 Uhr
Rico Schubert

Einen positiven Effekt auf Wohlbefinden in Lebens- und Arbeitsräumen haben Farben. Foto: Roland Weihrauch/dpa

Worum geht es bei Baupsychologie? „Das Ziel in der Baupsychologie ist es, die gebaute Umgebung an die Bedürfnisse der Nutzer anzupassen – und nicht umgekehrt“, erklärt Christina Bernhard, Diplom-Psychologin und Geschäftsführerin des Büros „Toway!“ aus Regensburg. Das architekturpsychologische Büro hat sich auf kreative und nutzerorientierte Raumgestaltungskonzepte sowie auf die Entwicklung effizienter Wegeleitsysteme spezialisiert.

Unsere Umgebung beeinflusst unser Denken und Handeln

Generell beschäftigt sich Bau- oder auch Architekturpsychologie mit der Wirkung von Gebäuden und der gebauten Umwelt auf ihre Nutzer: Dies können beispielsweise die Mieter eines Wohnhauses, die Kunden eines Einkaufszentrums oder Angestellte in einem Bürohaus sein. Je nach Gebäudeart sind damit auch die Ziele und Bedürfnisse der Nutzer unterschiedlich. So geht es um konkrete Fragen: Weshalb fühlt man sich in gewissen Tiefgaragen unsicher? Warum kommt es an gewissen Orten vermehrt zu Vandalismus? Weshalb steht eine bestimmte Gewerbefläche lange leer? Oder warum gibt es bei Verkaufsflächen Bereiche, die von Kunden nur selten aufgesucht werden? Auch konkrete psychologische Absichten wie etwa kreative Anregung, Konzentration und Erholung, sozialer Austausch und das Erzeugen eines Wir-Gefühls können Ziele der Nutzer sein.

Eine harmonische Licht- und Farbgestaltung macht uns motivierter

Laut der Studie „Die Rolle der Arbeitsumgebung in einer hyperflexiblen Arbeitswelt“ des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO aus dem Verbundforschungsprojekt Office 21 arbeitet ein zufriedener Mitarbeiter motivierter und ist leistungsfähiger. Das gilt vor allem für die Büroumgebung: Sie ist damit ein überaus wichtiges Aktionsfeld für Unternehmen, um Mitarbeiter positiv zu beeinflussen. Die Autoren um Wilhelm Bauer zeigen jedoch, dass lediglich 20 Prozent der Befragten mit ihrer Büroumgebung sehr zufrieden sind und weitere 42 Prozent nur „eher zufrieden“. Einen besonders positiven Einfluss auf das Wohlbefinden haben Möblierung, Akustik und Farben der Arbeitsumgebung. Das bestätigt auch Christina Bernhard: „Es ist wichtig, die speziellen Anforderungen einer Tätigkeit zu erfassen, um daraus individuell angepasste Gestaltungsmaßnahmen abzuleiten. Dazu ist eine Nutzeranalyse notwendig.“ Bernhard erklärt das am Beispiel des konzentrierten Arbeitens: „Hier geht es um die Minimierung der Sinnesreize, sowohl optisch, akustisch als auch olfaktorisch.“ Eine ruhige, harmonische Arbeitsplatzgestaltung sei genauso notwendig wie die „Planung von Ruhe- und Aktivitätszonen, um Monotonie und somit Ermüdung zu vermeiden“. Ganz aktuell hat das Büro „Toway!“ unter Berücksichtigung von Möblierung, Akustik und Farben das Gymnasium in Neutraubling gestaltet. Licht und Farbe spielten überhaupt eine große Rolle, erklärt Christina Bernhard: „Beide Aspekte interagieren und haben großen Einfluss auf unser Wohlbefinden, zum Beispiel bei einer sogenannten Winterdepression“, sagt Bernhard.

Gebäude, die sich den Nutzern anpassen

Doch die Baupsychologie bearbeitet auch andere Gebiete. So ist eine einfache verständliche Beschilderung bei einem Krankenhaus enorm wichtig, weil der Nutzer unter Stress und Zeitdruck steht. „Bei einem Einkaufszentrum dagegen kann es sogar das Ziel sein, dass die Nutzer ihre Wege nicht auf Anhieb finden, damit mehr eingekauft wird. Hier spielen auch Aspekte der Marktpsychologie eine Rolle“, erläutert Bernhard.

Natürlich kann auch die beste baupsychologische Planung keine Wunder vollbringen: Auch in einem perfekt geplanten Gebäude können Probleme entstehen, denn auch soziale, organisations- und arbeitspsychologische Faktoren sind zu beachten. Niemand fühlt sich in der eigenen Wohnung wohl, wenn es Dauerstreitereien mit den Nachbarn gibt. Und auch der „perfekte“ Arbeitsplatz führt nicht zu außerordentlicher Kreativität, wenn im Unternehmen eine repressive Stimmung herrscht. Doch Gebäude müssen an die Bedürfnisse der Nutzer angepasst werden.

Dieser Text ist eine Leseprobe aus der Wirtschaftszeitung der Mittelbayerischen.Hier geht es zum Blätterkatalog.