Verkehr Baustellen der Bahn: Hier hapert es
Die Mittelbayerische widmet sich in einem Projekt dem Zugverkehr in Ostbayern. Leser haben uns von ihren Anliegen erzählt.

Regensburg.Von überall aus stressfrei mit dem Zug ans Ziel kommen? Diese Erfahrung machen nicht alle Fahrgäste in Ostbayern. Die Mittelbayerische hat zum Auftakt einer mehrteiligen Serie zum Thema Bahn Leser nach ihren Erfahrungen gefragt. In den Einsendungen finden sich mehrheitlich Enttäuschung und Resignation. Wo hakt es in Ostbayerns Bahnverkehr? Was wünschen sich Leser von der Bahn?
Fakt ist: Die Verkehrswende, also der für alle zugängliche Umstieg auf umweltfreundliche Fortbewegungsmittel, ist ohne die Bahn nicht zu schaffen. Doch klar ist auch, dass dieses Ziel nur erreicht werden kann, wenn möglichst viele Personen eine funktionierende, schnelle Anbindung an Bahnhöfe haben.
Schlechte Anbindung an Bahnhöfe
In der Region ist das nicht überall der Fall. In Neutraubling etwa, der mit rund 14.700 Einwohnern größten Stadt im Landkreis Regensburg, gibt es keinen Bahnhof – zumindest nicht für den Personenverkehr. Wer von Neutraubling aus eine Bahnreise starten will, muss zunächst in den Bus einsteigen, der die Fahrgäste zum Bahnhof nach Obertraubling oder Regensburg bringt. Damit sind die Neutraublinger nicht allein. „Wer vom Land kommt, oder hinaus muss, kommt ohne Auto kaum aus“, schrieb ein Leser aus dem Landkreis Neumarkt der Mittelbayerischen.
Im Landkreis Regensburg gibt es mehrere stillgelegte Bahnhöfe, wie etwa Mangolding, Moosham oder Zeitlarn. Würden sie reaktiviert, wäre die Fahrt zum Bahnhof für viele Pendler deutlich kürzer. Im Zuge der Planungen für eine S-Bahn im Raum Regensburg wurden fünf stillgelegte Haltepunkte untersucht. Doch Hoffnung gibt es nur für einen: Diesenbach.

Schienennetz stellt S-Bahn vor Probleme
Bis Ende 2024 soll es mit der S-Bahn rund um Regensburg deutliche Verbesserungen für Pendler geben. Das ist in dem sogenannten „Schienen-Personen-Nahverkehrs-Konzept Region Regensburg“ festgelegt, beschlossen haben es zahlreiche Bürgermeister und Landräte aus der Oberpfalz und Niederbayern gemeinsam mit dem damaligen bayerischen Verkehrsminister Dr. Hans Reichhart.
Züge sollen insbesondere zu den Hauptverkehrszeiten in einem festen Takt fahren, alle 20 Minuten nach Schwandorf, alle 30 Minuten nach Neumarkt, Straubing und München, so wünschen es sich die Verantwortlichen. Doch dann könnte es auf der Schiene eng werden. Der zweigleisige Abschnitt zwischen Obertraubling und Regensburg etwa ist bereits jetzt ein Nadelöhr. Bis ein drittes Gleis gebaut wird, könnten laut Bahn noch bis zu zehn Jahre vergehen. Neueste Prognosen des Konzerns gehen jedoch davon aus, dass sogar ein viertes Gleis nötig sein wird. Dessen Umsetzung steht in den Sternen.
Wir beleuchten die Situation der Bahn
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Projekt:
Die Bahn nimmt eine Schlüsselrolle bei der Verkehrswende ein. Deshalb schaut die Redaktion in einer mehrteiligen Serie zum Thema Bahn genauer hin: Was ist Stand der Dinge? Wo sind Probleme, was sind Chancen und wo geht die Reise in Zukunft hin?
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Themen:
Konkret gibt ein Experte Tipps zum Thema Sicheres Bahnfahren in Coronazeiten, wir hinterfragen die Fahrpreise, gehen auf Sorgen und Wünsche der Pendler ein und beleuchten den Stand der Dinge in Bezug auf Barrierefreiheit sowie Umweltschutz. Wir suchen Ausflugsziele in Ostbayern, die schon jetzt gut erreichbar sind, schauen aber auch auf nötige und schon geplante Projekte für die Zukunft.
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Mitwirkende:
Sandra Adler, Anna Jopp, Steffi Kraus, Isabel Pogner, Sophia Bösl, Franziska Sandig, Magdalena Hechtel, Isabelle Lemberger, Anna Heidenreich, Philip Hell, Johannes Hirschlach, Philipp Breu, Benjamin Weigl, Luis Münch
Von den S-Bahn-Plänen gänzlich abgehängt ist unterdessen der Landkreis Cham. Wer von Cham nach Regensburg fahren will, muss einen Umweg über Schwandorf machen, auch die geplanten S-Bahnen enden dort. Eine Leserin schrieb der Mittelbayerischen, dass es angesichts dessen nicht verwunderlich sei, dass kaum jemand aus dem Landkreis Cham diese „irre Zugverbindung“ annehme. Helfen könnten neue Gleise, beispielsweise parallel zur B16 verlaufend, doch in naher Zukunft gibt es dafür keine Pläne.
Verschlechtert hat sich die Lage für Reisende aus Neumarkt: Zum Fahrplanwechsel im Dezember 2019 wurde dort der Halt des letzten Fernverkehrszuges gestrichen. Angekündigt hatte sich diese Entwicklung schon länger: Der erst 2010 umgebaute Bahnhof ist für den neuen ICE 4 nicht geeignet.
Barrieren ärgern nicht nur Rollstuhlfahrer
Ein weiteres Problem, das vielen Lesern auf dem Herzen liegt, ist das Thema Barrierefreiheit. Davon sind nicht nur Rollstuhlfahrer betroffen: Eine Leserin, die gerne ihr Fahrrad im Zug mitnimmt, wandte sich an die Mittelbayerische. „Von den Schwierigkeiten, mit dem Rad in manche Züge einzusteigen, kann mancher ein Lied singen“. Die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) hat auf ihrer Internetseite eine Karte veröffentlicht, auf der alle barrierefreien Bahnhöfe in Bayern eingezeichnet sind. Von 60 Zughaltepunkten im Verbreitungsgebiet der Mittelbayerischen sind nur 16 Bahnhöfe uneingeschränkt für Rollstuhlfahrer nutzbar, an acht Bahnhöfen sind die Einstiege zu hoch oder zu niedrig, die Züge aber mit Einstiegshilfen ausgestattet. An drei Bahnhöfen ist zwar der Zugang zum Gleis barrierefrei, nicht aber der zu allen Zügen, die übrigen 33 Bahnhöfe sind für Rollstuhlfahrer ungeeignet und damit auch für Familien mit Kinderwagen und Radfahrer.
Der Dauerbrenner: Klagen über Verspätungen und Ausfälle
Ostbayerns Pendlern bereiten insbesondere Zugausfälle und Verspätungen Probleme. Letzteres hat laut zahlreicher Leserzuschriften die Folge, dass Anschlusszüge verpasst werden. „Bahn und Oberpfalzbahn sind nicht in der Lage, sich abzusprechen“, schreibt etwa ein Leser, der immer wieder in Schwandorf seinen Anschlusszug nach Amberg verpasst, weil auf die Verspätung eines anderes Zuges keine Rücksicht genommen wird. Dieses Kommunikationsdefizit werde auf dem Rücken der Kunden ausgetragen.
Sorge bereiten den Pendlern gerade in Corona-Zeiten auch Zugausfälle. So schrieb eine Leserin der Mittelbayerischen, ihr Zug zwischen Laaber und Regensburg sei wegen einer vorher ausgefallenen Verbindung übervoll gewesen. Auch eine Leserin aus dem Landkreis Kelheim beschwerte sich über zu volle Waggons. Nicht einmal ein Viehtransport laufe so ab, schrieb sie. Wegen Corona könnte es demnächst noch zu weiteren Zugausfällen kommen – wenn Lokführer oder Zugbegleiter in Quarantäne müssen.
Wunsch zum Bahnfahren ist da – nur nicht so
Ein großes Fazit lässt sich aus den Zuschriften ziehen: Der Wille, auf die Bahn umzusteigen, wäre bei vielen da. „Ich wollte meinen Kindern ein Vorbild sein, damit, diese öffentlichen Mittel zu nutzen und auch einen Beitrag für die Umwelt leisten“, schreibt eine Leserin aus dem Kreis Kelheim. Doch dass man sich dafür in völlig überfüllte Züge setzt und jedes Mal Ausfälle sowie Verspätungen in Kauf nimmt, könne man nicht erwarten, findet sie - eine Menge Arbeit, die für die Zukunft ansteht.
Nach Ansicht eines Lappersdorfer Lesers auch und gerade, was das Thema Umweltschutz betrifft: Er findet, die Bahn sollte komplett von Kohlestrom auf erneuerbare Energien umsteigen. LED-Beleuchtung und elektrische Triebwerke könnten seiner Ansicht nach eine Möglichkeit sein, langfristig die Fahrpreise zu vergünstigen. Sein Fazit zur derzeitigen Situation der Bahn: „Sie kommt nicht zu spät, sie fährt eher rückwärts.“
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