MZ-Serie
„Die Eule ist mein Lebenstraum“

Richard und Siegfried Wagners Stammplätze gibt es immer noch: Das Restaurant Eule in Bayreuth war ihre Lieblingskneipe.

28.02.2016 | Stand 16.09.2023, 6:56 Uhr
Harald Kaiser, fränkischer Wirt aus Röslau im Fichtelgebirge, hat das Restaurant Eule in Bayreuth zu der Kultkneipe gemacht, die sie immer war. −Foto: Gabi Schönberger

Immer wieder kommen Gäste, die das Restaurant Eule in der Bayreuther Altstadt wie eine Kathedrale betreten. „This is Richard Wagner“, flüstern sie voller Ehrfurcht. Sie kommen aus Japan, China und der Schweiz, aus Chile, den USA oder aus Frankfurt am Main. Tief bewegt lassen sie sich des Maestros Stammplatz zeigen und auch das Stammeckchen seines Sohnes Siegfried (1869-1930), der Enkel von Franz Liszt war.

„Wer in Bayreuth war und hat die Eule nicht besucht, hat etwas versäumt in seinem Leben“ – dieser alte Eintrag aus dem Gästebuch gilt bis heute als Motto des Hauses. Die Eule ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Bayreuther Wirtshauskultur – nicht nur zur klassischen Festspielzeit vom 25. Juli bis zum 28. August.

Als Richard Wagner 1871 nach Bayreuth zog, pflegte er seinen Dämmerschoppen im „Angermann“ zu nehmen: „Triffst du mich nicht zu Hause an, bin ich gewiss beim Angermann.“ Bevor der „Angermann“ abgerissen wurde, wechselte Wagner in die Eule, wo er ab 17 Uhr, meist in Begleitung seines Neufundländers „Marke“, zu erscheinen pflegte. Seine Tischrunde bestand aus Verehrern, die glücklich waren, den gesächselten Monologen des Meisters lauschen zu dürfen.

Eine Buffetuhr in der Eule zeigt die Sterbestunde Richard Wagners am 13. Februar 1883 um 15.30 Uhr in Venedig. Richtig berühmt wurde die Eule aber als Stammkneipe des Wagnersohnes Siegfried, der die Festspiele 1924 nach zehnjähriger Pause wieder eröffnen konnte. Solisten, Dirigenten und Wagnerfreunde machten die Eule zur „ultimativen Wagner-Gaststätte“. Ein erneuter, lang anhaltender Aufschwung kam ab 1950 durch die Brüder Wieland und Wolfgang Wagner.

Hier ist alles krumm und schief

2009 musste das Haus (1444 erstmals erwähnt) nach zweijährigem Leerstand komplett saniert werden – ein denkmalpflegerischer Alptraum, denn das Dachgebälk war verfault. „Hier ist immer noch alles krumm, schief und in Bewegung“, sagt Harald Kaiser (58), der die Eule am 1. Juli 2012 übernommen hat, „darum fühlt man sich auch sofort wohl.“ Man suchte einen versierten, fränkischen Wirt – na, der Stammbaum der Freien Familie Kaiser reicht bis ins 14. Jahrhundert zurück.

Harald Kaiser bewirtschaftete zuvor das Schlosshotel Thiergarten und die Stadthalle in Bayreuth. Er hat es verstanden, die Eule wieder zu jener Wagner-Kultstätte zu machen, die sie jahrzehntelang war. Hunderte signierte Fotos an den Wänden zeigen Persönlichkeiten, die hier eingekehrt sind: Wagner-Heroen wie Peter Hofmann und René Kollo, die „drei Nachkriegs-Primadonnen“ Martha Mödl, Birgit Nilsson und Astrid Varnay, Dirigenten wie Furtwängler, Toscanini, Knappertsbusch und Karajan.

Für die „liebevoll gekochte, fränkische Küche“ hat Harald Kaiser einen jungen Koch, Patrick (23), eingestellt, obwohl er selbst Küchenmeister ist. Der Chef muss den Service machen: „Da gibt es engagierte Gespräche über die Tische hinweg, sogar zwischen der Richard-Wagner- und der Cosima-Wagner-Stube.“ Besonders zur Festspielzeit „sprudeln die Gäste über“. Nette, junge Servicekräfte kennen weder Anekdoten noch die alten Künstler und Haudegen. Sie könnten auch keine Wagnerfragen beantworten.

Natürlich ist die Speisekarte vollkommen auf das musikdramatische Gesamtkunstwerk ausgerichtet: Nach dem Federstahl (Aperitif aus fränkischem Secco), gibt es etwa eine Nibelungensuppe aus Mimes Zaubertopf serviert, Isoldes Kartoffelpuffer mit Räucherlachs und Kräuterschmand.

Zum Dessert „den kleinen Fafner“

Richard Wagners Leibspeise, der fränkische Sauerbraten mit Lebkuchensoße und Kartoffelklöß und die Blauen Zipfel, exakt so, wie der Meister sie immer gern gegessen hat, empfehlen sich als Hauptgang. Zum Schluss vielleicht „den kleinen Fafner“, eine Portion Käse oder, wer es süß mag, den „Goldschatz im Rhein“, eine Art Mandelpudding im Weckglas mit Erdbeermus.

Ausgeschenkt werden Mönchshof und Kapuziner aus Kulmbach, Spezialitäten wie das Jean Paul Bier vom Lang-Bräu (Wunsiedel) oder Marc’s Chocolate Bock von Maisel (Bayreuth). Auf der Weinkarte finden sich ein eigener Eulentrunk (weiß und trocken) und die „Bayreuther Sinfonie“, ein kräftiger Bordeaux, wie ihn der Meister in großen Mengen liebte, da ja sein Gönner Ludwig II. diese beachtlichen Rechnungen zu bezahlen pflegte.

Auch Loriot und Evelyn Hamann waren in der Eule – Viktor von Bülow gehörte zur Verwandtschaft von Cosima Wagners erstem Mann, Hans Freiherr von Bülow –, ein fotokopierter Stammbaum der Nachkommen Wagner/Liszt liegt in der Eule aus.

Wirt Harald Kaiser liebt sein Restaurant, das die Titelseite des Buches „50 Historische Wirtshäuser in Oberfranken“ ziert, über alles: „Die Eule ist mein Lebenstraum“, sagt er. Wagner hat die Tür zur modernen Musik aufgestoßen – oder eingetreten? Und weil Kaiser seinen Wagner so gut kennt, hört er privat lieber Heavy Metal.

Lage des Restaurants

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