Tiere
Die neuen Wunschpartner tragen Leine

In den ostbayerischen Städten steigen die Zahlen der Hunde. Die Besitzer und die Rolle der Vierbeiner haben sich verändert.

09.09.2017 | Stand 16.09.2023, 6:25 Uhr
Sebastian Böhm

Verena Meindl erzieht ihre Hündin Bailey in der Hundeschule. Foto: Böhm

Die Zunge hängt ihr aus dem Mund. Die Augen blicken gebannt auf das Ziel: einen kleinen Futterbeutel. Bailey ist bereit loszustürmen. Doch noch schwebt ein Zeigefinger drohend über ihr. Bailey wartet. Die Hündin blickt nach oben. Der einzelne Finger ist jetzt verschwunden. Er hat sich in eine flache Hand verwandelt, die einmal kräftig über ihren Kopf hinweg schwingt. Bailey sprintet los, weil ihr Frauchen es so wollte.

„Sie war eine der Besten heute“, freut sich Verena Meindl über die Leistungen ihres Haustieres in der Hundeschule. Seit April läuft die kleine Bailey an der Seite der Studentin für Hotel- und Tourismusmanagement.

Meindl ist mit 26 Jahren eine noch junge Hundebesitzerin und damit Teil eines Trends. „Früher hielten sich eher Ältere oder Familien Hunde“, erklärt Verena Reichel, Trainerin an der „Martin Rütter Dogs“-Hundeschule bei Pentling. Heute seien auch junge Alleinstehende öfter bereit, Hundebesitzer zu werden. „Ab circa dem 22. Lebensjahr fängt es an“, sagt Reichel.

Der Trend ist klar erkennbar

Hunde werden beliebter. Die Zahlen zeigen eindeutig: Immer mehr Ostbayern wollen einen besten Freund auf vier Beinen. Gab es in Regensburg zur Jahrtausendwende noch 3042 gemeldete Hunde, ist die Zahl im Jahr 2016 auf 3514 angestiegen.

In diesem Zeitraum ist zwar auch die Einwohnerzahl in der Domstadt gewachsen, dennoch ist ein klarer Trend erkennbar – und das in der gesamten MZ-Region. Auch in Neumarkt, Schwandorf, Amberg, Cham und Kelheim ist die Zahl der angemeldeten Hunde innerhalb der letzten drei Jahre gestiegen. Dass der Hundehype kein rein regionales Phänomen ist, zeigt eine Prognose des Vereins „Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe“. Demnach soll die Hundepopulation in Deutschland bis zum Jahr 2025 um weitere 100 000 Tiere angewachsen sein und die Acht-Millionen-Marke überschritten haben.

Doch nicht nur die Anzahl der Vierbeiner verändert sich, sondern auch die Rolle der Hunde ist nun eine ganz andere. „Früher wurden die Hunde für verschiedene Aufgaben gezüchtet“, sagt Reichel. Schäfer hielten sich beispielsweise „Australian Shepherds“ wie Bailey für ihre spezifischen Aufgabengebiete. In der heutigen Zeit würden Hunde als ständige Begleiter angesehen. „Die Menschen wollen sie ins Café, aber auch an den Badesee mitnehmen.“ Hunde können als ständiger Begleiter vor allem für Singles eine Stütze sein. „Ein Hund ist auch als Partnerersatz gut geeignet. Er gibt Halt“, sagt Nicole Graggo, die als Systemische Einzel-, Paar- und Familientherapeutin in Regensburg tätig ist. Vor allem in der heutigen Zeit, in der Beziehungen kürzer und oberflächlicher seien, könne der Hund mit seinen Charaktereigenschaften punkten. „Er ist unheimlich treu.“

Das ist ein Punkt, der auch bei Meindl eine große Rolle spielte. „Ich bin 26 Jahre alt. Die extreme Feierphase ist vorbei. Ich wollte eine Konstante im Leben“, sagt sie. Die Studentin stellt einen Wandel in der Gesellschaft fest. „Früher war es so, dass du viel früher in einer festen Beziehung warst, in der Kinder im Raum standen.“ Dieses Zeitfenster habe sich nach hinten verschoben. Den Wunsch, sich einen Hund zuzulegen, hegt Verena Meindl schon länger. Dass es nun aber so schnell ging, war auch für die Studentin nicht absehbar. Eine Freundin ihrer Mutter züchtet „Australian Shepherds“. Eigentlich wollte sich Meindl erst nächstes Jahr nach dem Studium einen Hund zulegen. Aber: Die Bekannte gab schon heuer Welpen ab und aus der 26-Jährigen wurde Anfang 2017 ein Frauchen.

„Die extreme Feierphase ist vorbei. Ich wollte eine Konstante im Leben.“Verena Meindl

Mit dem Haustier begannen die Einschnitte. In der alten Wohnung waren keine Hunde erlaubt. Für Meindl war aber sofort klar: „Ich ziehe das jetzt durch und ziehe um.“ Seit Juli wohnt sie nun mit zwei Freundinnen und Bailey in einer WG. Sie kümmern sich zu dritt um die Autralian-Shepherd-Dame. Zudem besitzen ihre Eltern einen Bauernhof auf dem Bailey willkommen ist. „Ihre klare Bezugsperson bin aber ich“, betont Meindl. „Das ist wichtig, denn einen Hund kannst du nicht von A nach B herumreichen.“

Bailey statt Party

Der halbjährige „Australian Shepherd“ bestimmt Meindls Alltag. „Ich muss jetzt erst einmal heim und mit dem Hund raus“ hören die Freunde der Studentin seit April öfter, wenn sie gerade dabei sind, Partypläne für den Abend zu schmieden.

Meindl hat sich vor dem endgültigen Schritt zum Frauchen viele Gedanken gemacht. „Welche Rasse passt zu mir? Bin ich wirklich dazu bereit? Was bedeutet das finanziell für mich?“ waren die Fragen, die sie sich gestellt hat. „Am Ende ist es eine Sache des Wollens“, sagt sie.

Und eben das ist bei vielen Hundebesitzern das Problem. Denn nach der ersten Euphorie folgt oft das böse Erwachen, wenn der Stress zu groß wird. „Es werden viele Hunde abgegeben. Wir haben schon Wartelisten“, sagt Ulrike Vest. Sie ist erste Vorsitzende der „Tierfreunde Regensburg“.

Der Verein hat ein eigenes Tierheim für Hunde. Das Internet ist laut Vest die Wurzel des Problems. „Hier besteht ein Überangebot, und es wird den Menschen zu einfach gemacht“, sagt sie. Die Tierfreundin stört, dass online keine Fragen gestellt würden, sondern oft gleich verkauft werde. Bei ihrem Verein läuft das anders ab. „Ein Interessent lernt erst einmal den Hund kennen, besucht ihn drei- bis viermal und kann ihn dann für drei bis vier Wochen zum Probewohnen zu sich holen. Vorher geht da gar nichts“, erklärt sie.

Bei Meindl und Bailey ist die Kennenlernphase schon vorbei. Sie sind ein eingespieltes Duo. Nach dem Büffeln in der Hundeschule steht nun Freizeit auf dem gemeinsamen Terminplan. „Wir fahren heute noch baden. Wir haben uns beide eine Abkühlung verdient.“

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Im Video – Bailey in der Hundeschule: