Fortbildung
Die Scham als die Hüterin der Würde

Der Medizinethik-Tag an der Uni befasste sich mit Pflege und Therapie. Der „liebevolle Blick“ des anderen sei notwendig.

14.11.2019 | Stand 16.09.2023, 5:20 Uhr
Michael Scheiner

Prof. Dr. Ursula Immenschuh sprach am Tag der Ethik. Foto: MICHAEL Scheiner

„Ich bin froh, dass ich keine Philosophin bin“, meinte Prof. Dr. Ursula Immenschuh am Ende ihres Vortrags über „menschenwürdige Pflege, Therapie und Behandlung“. Damit war die Pflegewissenschaftlerin von der Katholischen Hochschule Freiburg weit davon entfernt, die Philosophin Prof. Dr. Eva Weber-Guskar zu beschämen. Diese hatte einleitend beim 7. Regensburger Medizinethik-Tag am Uni-Klinikum darüber referiert, „Was Würde bedeutet“.

Vielmehr schätzte Immenschuh erkennbar die theoretischen Ausführungen Weber-Guskars. Aber, lautete ihre Einschränkung, als von der Praxis kommend müsse sie nicht so haarklein um die Definition eines Begriffs ringen. Nach zwei theoretischen Vorträgen zur Würde des Menschen und der Darstellung eines Modellprojekts zum Umgang mit ethischen Konflikten, brachte die Freiburgerin mit der Scham einen weiteren grundlegenden Begriff in die Diskussion ein.

Würde als Begriff

Für sie sei es wichtig am „inflationär gebrauchten Begriff der Würde“ festzuhalten. Damit bezog sie sich auf Dr. Sebastian Muders, der der Frage nachgegangen ist, ob es eine solche „Inflationäre Menschenwürde“ gebe. Ein darauf Pochen könnte zu einer Art Unempfänglichkeit bei der Verletzung der Würde führen.

„Warum beschäftige ich mich mit Würde“, fragte Immenschuh, und lieferte gleich die Antwort. Sie wolle den Blick auf „Scham und Würde“ zusammenbringen. Denn diese – die Scham, als eines der schmerzhaftesten und universellsten Gefühle – sei die „Hüterin der Würde“, zitierte sie Stephan Marks, der sich intensiv mit dieser Frage auseinandergesetzt habe.

In der Pflege und in der Therapie würden Grenzverletzungen dazugehören, da häufig Nacktheit, die private Sphäre eines Menschen und dessen Intimbereich berührt würden. Dabei könne es immer passieren, dass die Würde eines anderen Menschen, aber auch die eigene verletzt würden. Als Menschen „brauchen wir den liebevollen Blick der anderen“, bekräftigte Immenschuh, denn dadurch erführen wir Anerkennung und Respekt.

Nur als Du zum Ich

Der Mensch, zitierte sie den Religionsphilosophen Martin Buber, werde „nur als Du zum Ich“. Was sich etwas verwickelt anhört, meint im Grunde nur, dass man – und damit sind auch die Beschäftigten in der Pflege und jedes medizinische Personal gemeint – sich selbst annehmen und anerkennen müsse. Beschämt zu werden, würden wir nicht lange verkraften.

Man solle den eigenen Werten treu bleiben, betonte die Pflegewissenschaftlerin und führte als Beispiel Pflegekräfte an, bei denen die Ökonomisierung im Klinik- und Pflegebereich dazu geführt habe, dass „sie sich nicht mehr im Spiegel anschauen“ könnten.

Dr. phil. Julia Inthorn, Direktorin des Zentrums für Gesundheitsethik in Hannover, stellte vor, wie in einer Mainzer Klinik ethische Konfliktfälle durch ein Gremium gelöst werden. Dabei würden möglichst viele Informationen aus allen Bereichen des jeweiligen Menschen gesammelt, um zu ethisch vertretbaren Ergebnissen zu kommen.

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