Schule
Die wichtigsten Fragen zum neuen G9

Das neunjährige Gymnasium feiert in Bayern bald sein Comeback. Wir beantworten schon jetzt die wichtigsten Fragen.

03.07.2018 | Stand 16.09.2023, 6:10 Uhr
Willkommen zurück, G9 – Bayern verabschiedet sich nach 14 Jahren wieder vom achtjährigen Gymnasium. −Foto: dpa

Warum verabschiedet sich Bayern nach nur 14 Jahren wieder vom G8?

Die Kritik am achtjährigen Abitur wurde in den vergangenen Jahren immer lauter. Gegner waren vor allem Eltern. In einem Volksbegehren forderten sie die Rückkehr zum G9. Ihre Kritikpunkte: unter anderem der Nachmittagsunterricht ab der sechsten Klasse und der zu dichte Lehrplan ihrer Kinder. Die CSU verteidigte das G8 lange trotzig. Im Abiturjahr 2011, dem letzten Jahr des alten G9 und zeitgleich dem ersten des G8, schnitten Schüler im achtjährigen Gymnasium im Schnitt etwas besser ab als im neunjährigen. Allerdings fielen im ersten G8-Jahrgang doppelt so viele Abiturienten durch wie im G9. Ende 2017, sechs Jahre später, schwenkte die CSU um und stimmte im Landtag für die Rückkehr zum neunjährigen Abitur in Bayern. Ludwig Spaenle, bis März bayerischer Kultusminister, sagte: „Das G9 in Bayern kommt, und das ist wirklich gut so.“

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Wie unterscheidet sich das neue G9 von dem vor 2004?

G9 ist nicht gleich G9. Der Lehrplan ist im Vergleich zum alten G9 komplett überarbeitet, er soll praxisorientierter sein und besser auf das spätere Berufsleben vorbereiten. Außerdem bekommen Vorzüge des G8, Intensivierungsstunden und fächerübergreifender Unterricht Platz im neuen Lehrplan, dem LehrplanPLUS.

Welche Fächer haben einen höheren Stellenwert?

„Grundsätzlich wird kein Fach gegenüber dem G8 schlechter gestellt“, sagt Tobias Schiller, Sprecher des bayerischen Kultusministeriums. Hauptfächer Deutsch, Mathematik und Fremdsprachen stehen besonders im Fokus. Weniger Zusatzstunden erhalten dagegen wohl Naturwissenschaften wie Biologie und Chemie. Digitale und politische Bildung in der Schule: auch dazu sollen zusätzliche Stunden dienen. Der Unterricht soll insgesamt mehr auf die aktuellen Entwicklungen in der Welt eingehen.

Wie finden die Gymnasien die Umstellung?

Die Gymnasien freuen sich auf das neue G9. Viele Schulen erhoffen sich durch die niedrigere Belastung der Schüler wieder steigende Einschulungszahlen. „Die Verlängerung der Lernzeit ist für alle Beteiligten eine gute Entwicklung“, sagt Ulrich Sellner, Schulleiter des Gymnasiums in Lappersdorf im Landkreis Regensburg.

„Man hat die richtigen Lehren aus den vergangenen Jahren gezogen.“Dr. Johannes Werner, Schulleiter Gymnasium Schwandorf

Sein Kollege Dr. Johannes Werner, Schulleiter am Carl-Friedrich-Gauß-Gymnasium Schwandorf, pflichtet ihm bei. Er blickt optimistisch auf das neue G9. „Man hat die richtigen Lehren aus den vergangenen Jahren gezogen.“ Werner warnt aber auch: „Die neue Schnittstelle zwischen G8 und G9 im Jahr 2025 muss gut geplant sein.“

Was genau wird 2025 an den Gymnasien passieren?

Im Jahr 2025 wird durch die Umstellung von G8 zurück auf G9 kein Jahrgang sein Abitur feiern können. Die letzten Absolventen des achtjährigen Gymnasiums machen 2024 ihren Abschluss, die ersten G9-Prüflinge sind erst 2026 an der Reihe. Lediglich Schüler, die die sogenannte Überholspur wählen, bekommen in diesem Jahr ihren Abschluss. Außerdem gibt es in Bayern 47 Schulen, die bereits seit 2015 ein neunjähriges Abitur anbieten. Das Pilotprojekt nennt sich Mittelstufe Plus und war ein freiwilliges Angebot. Das ändert aber nichts daran, dass sich zum Wintersemester 2025 deutlich weniger frischgebackene Abiturienten an den Hochschulen einschreiben werden.

„Wir machen uns keine Sorgen. Wir haben nicht nur Studierende aus Bayern und werden 2025 eben mehr Studenten aus dem Rest von Deutschland und aus anderen Ländern haben“, sagt Dr. Nikolaus Korber, Vizepräsident für Studium, Lehre und Weiterbildung der Universität Regensburg. Auch 2011, als es zwei Jahrgänge in einem Jahr gab, sei man gut mit den Konsequenzen fertig geworden. Ähnliches sei auch 2025 zu erwarten.

„Wir haben nicht nur Studierende aus Bayern und werden 2025 eben mehr Studenten aus dem Rest von Deutschland und aus anderen Ländern haben.“Dr. Nikolaus Korber, Vizepräsident für Studium an der Uni Regensburg

Was passiert an den Schulen dann mit den alten G8-Büchern?

Mit der Lehrplan-Umstellung sind die Bücher, die in Bayern zur Einführung des G8 neu zum Einsatz kamen, für den Unterricht praktisch nutzlos. Dasselbe passiert allerdings auch an Real- und Mittelschulen, wo der LehrplanPLUS ebenfalls als neue Richtlinie eingeführt wird.

„Die Bücher für die Jahrgangsstufen fünf und sechs können eventuell für manche Fächer weiterbenutzt werden“, sagt Sellner. Die anderen Bücher werden verschenkt oder entsorgt.

Wie meistern die Lehrer das Jonglieren mit zwei Lehrplänen?

In den kommenden Jahren müssen die Lehrer zweigleisig unterrichten: die letzten G8-Jahrgänge und gleichzeitig die ersten G9-Jahrgänge. Ein solches Jonglieren kennen viele bereits von der Umstellung von G9 auf G8 vor 14 Jahren. Sellner, neben seiner Tätigkeit als Schulleiter Lehrer für Latein und Religion, sieht dabei keine Probleme. „Im Vergleich zur Umstellung auf das G8 wurden wir Lehrer nicht so überrumpelt. Deshalb sollte die Umstellung funktionieren“, sagt Sellner. Die Entscheidung für das G8 sei im November 2003 eine Nacht- und Nebelaktion des damaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber gewesen.

Für die zusätzlichen Wochenstunden im neuen G9 benötigen die Schulen mehr Lehrer. 1000 neue Lehrkräfte will der Freistaat Bayern dafür an den Gymnasien einstellen. Die Schulleiter und Lehrer nahmen außerdem bereits an Fortbildungen zur Umsetzung des neuen Lehrplans teil. Weitere könnten laut Kultusministerium folgen.

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Ist weiterhin ein Abschluss nach acht Jahren möglich?

Die sogenannte Überholspur bietet die Möglichkeit, das Abitur in acht Jahren zu absolvieren. Dabei überspringen die Schüler praktisch die elfte Klasse. Darauf bereiten sie sich in den vorherigen Jahrgangsstufen mit Zusatzkursen am Nachmittag vor. Das ganze Programm ist freiwillig und steht jedem Schüler zur Verfügung. „Die Überholspur soll an jedem Schulstandort und ohne Vorgabe fester Mindestteilnehmerzahlen angeboten werden“, sagt Schiller vom Kultusministerium.