MZ-Serie
Ein im Wald versteckter Bauernhof

Den Kager Einödhof bewohnten zwei Familien, die wegen des Truppenübungsplatzes in Hohenfels umgesiedelt worden waren – eine schwierige Ausgangslage.

07.09.2014 | Stand 16.09.2023, 7:14 Uhr

Der Kager Einödhof hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Seit der letzte Bewohner vor einigen Jahren starb, steht das Haus leer. Fotos: Daniel Pfeifer

Nur so aus Zufall fährt hier niemand weiter. Wer in dem Dorf Hartenricht (Stadt Schwandorf) auf den schmalen Feldweg Richtung Wald einbiegt, kehrt entweder bei der ersten sich bietenden Gelegenheit um, oder er kennt sich sehr gut aus und weiß, wo er hinführt. Am Ende des überwachsenen, stellenweise mit tiefen Spurrillen zerfurchten Hohlweges wartet eine Überraschung. Dort steht ein kleines gelbes Haus. Unvermutet. Mitten im Nirgendwo zwischen Brennesseln, Brombeersträuchern und Fichten.

Umgesiedelte Familien

Es gibt kein Ortsschild, aber in der Wanderkarte ist das Fleckchen als Kager vermerkt. Auf einer wilden Jagd durch den Wald werden Geocacher an diesen verlassenen Ort gelotst, wo sonst meist nur die Bienen summen oder die Spechte im Takt klopfen. An diesem Sommerferienvormittag liegt die Lichtung einsam da. Das Haus steht leer. Die Fenster sind eingeschlagen. Das Ziegeldach ist löchrig. „Schon seit einigen Jahren wohnt hier niemand mehr“, sagt Wolfgang Rasel, Besitzer der Schlossbrauerei Naabeck. Anfang der 1960er Jahre habe sein Vater, Hans Jörg Rasel, das Anwesen gekauft. Der derzeitige Besitzer sei die Gutsverwaltung Rasel.

Nach dem Zweiten Krieg waren hier zwei Familien angesiedelt worden, weiß Wolfgang Rasel. Die Familien erhielten die Bauernhöfe als Entschädigung, weil sie ihre ursprünglichen Anwesen in der Nähe von Hohenfels verlassen mussten, erzählt er weiter. Denn dort wurde der Truppenübungsplatz errichtet. In Kager betrieben die Familien Viehzucht und Ackerbau. „Aber der Ortsname spricht ja schon für sich“, merkt Rasel an. „Die Böden waren arm und steinig, karg eben.“ Der Blick von hier über das Naabtal sei damals jedoch traumhaft gewesen. Die Höfe standen da noch auf freiem Feld. Erst später sei der Wald, der das Anwesen heute umschließt von der Gutsverwaltung aufgeforstet worden, erklärt Rasel. Und die Gasstation bei Hartenricht habe es auch noch nicht gegeben.

Polizei durchsuchte das Gelände

So richtig heimisch seien die Familien in Kager jedoch nicht geworden, sagt Rasel, der vermutet, dass das Gefühl der Entwurzelung sehr tief saß. „Das war ein sozialer Konfliktpunkt.“ Eine Familie habe den Ort denn auch sehr bald wieder verlassen. Die „Resl“ sei mit ihren Kindern geblieben. Sein Vater habe versucht, der Familie zu helfen, erinnert sich Rasel. Mehrere Söhne hätten immer wieder als Saisonarbeiter bei ihm gearbeitet.

In MZ-Ausgaben aus den 1970er Jahren finden sich Berichte von einer Hausdurchsuchung im Kager Einödhof. Nach der Aufklärung einer Einbruchserie im nordbayerischen Raum durchkämmten im Januar 1974 zehn Beamte der Kriminalpolizei das Anwesen und den umliegenden Wald. Dem Zeitungsartikel zufolge war das Gelände damals übersät mit Autowracks und allerlei Gerümpel, was die Suche nach möglichem Diebesgut erschwerte. Sichergestellt und in einem Kleinbus von der Polizei abtransportiert wurden schließlich Bettwäsche, Motorenöl, Postsäcke, Kupferdraht, eine leere Geldkassette und eine Schreibmaschine. Um die Schreibmaschine zu bergen, mussten die Kriminalbeamten einen Teich ablassen, hat der Berichterstatter von damals außerdem vermerkt.

Kreisheimatpfleger Gerhard Grünwald kannte den Ort bislang nicht, wie er zugibt. Umso gespannter war er, was ihn mitten im Wald erwarten würde. Was ihm als erstes auffällt, ist die Jahreszahl im Türrahmen des Eingangs. 1897 ist dort in den Stein eingemeißelt. Er besieht sich auch die Mauern des Hauses. Kalkstein wurde verwendet. „Das muss etwas Älteres sein“, schließt Grünwald daraus. Aber es ist auch auf den ersten Blick sichtbar, dass an dem Haus viel herumgebaut und verändert wurde – und dass es gebrannt hat. Die Treppe betrachtet Grünwald etwas genauer. Die Baumkante hat ihre natürliche Baumrundung noch. Die Treppenstufen sind eingeschoben. Der hintere Teil des Gebäudes ist ein Gewölbe. „Das könnte eine Selche gewesen sein“, sagt Grünwald. Ansonsten ist da nicht viel: ein gefliestes Badezimmer mit Wanne, ein umgekippter Stuhl und ein Kleiderbügel, der an einem Rohr baumelt, dass aus der Decke schaut.

Eine Einwohnerin von Hartenricht erzählt, dass bis vor etwa zehn Jahren noch die Kinder zum Spielen nach Kager kamen. Ein alter Mann habe dort gewohnt. Seit er gestorben sei, stehe das Haus leer. Anfangs habe es noch recht gut ausgesehen, nun verfalle der Hof zusehends.

„Vandalismus ist ein Problem“, sagt Besitzer Rasel. Er ist noch unschlüssig, wie es mit dem ehemaligen Bauernhof weitergehen soll. Zum Verkauf stehe er derzeit nicht. Seine Pläne gehen dahin, zumindest dafür zu sorgen, dass das Haus nicht weiter verfalle. Rasel erläutert, dass er über eine Sanierung nachdenke. Bis lang gibt es in dem abgelegenen Anwesen aber noch nicht einmal einen Stromanschluss. „Den müsste man auf jeden Fall herstellen“, sagt Rasel, „um den Ort weiterzuentwickeln.“