MZ-Serie
Eine zünftige Zeitreise im Auerbräu

Das historische Lokal im Regensburger Stadtteil Steinweg hat heute Kult-Status. Die Wirtshaustradition reicht bis in das 13. Jahrhundert zurück.

13.01.2013 | Stand 16.09.2023, 21:02 Uhr
Fritz Wallner

Gaby Fellerer und Karl-Heinz Mierswa sind die Wirtsleute im Auerbräu im Regensburger Stadtteil Steinweg. Die einst vom Verfall bedrohte Wirtschaft ist zu einem bayerischen Kult-Lokal geworden. Fotos: Gabi Schönberger

Manchmal wünschen sich die Wirtsleute Gaby Fellerer und Karl-Heinz Mierswa eine Zeitmaschine. Wie spannend wäre es, in der Wirtsstube mit den holzgetäfelten Wänden, mit dem gemütlichen Kachelofen in der Mitte, mit dem dunklen Dielenbretterboden und den hölzernen Tischen zusammen mit den Gästen in die Vergangenheit zurück zu reisen.

Irgendwann würde man im 13. Jahrhundert ankommen, als die Schwibbogenbrücke über den Regen gerade fertiggestellt war. Die „Via lapidea“, der Steinweg, war wichtige Handelsstraße von Regensburg nach Böhmen und es braucht wenig Phantasie, sich vorzustellen, dass hier an der Brücke schon damals eine Brauerei, aber doch zumindest eine Herberge und Wirtschaft entstanden war. Mierswa hätte im Handstand das erste Fass Bockbier angezapft und die Kapelle Josef Menzel hätte, wenn es sie denn damals schon gegeben hätte, den Bayerischen Defiliermarsch geblasen und die Gäste hätten sich so wohlgefühlt, wie sie es auch heute noch tun.

Ein Fall für die Denkmalliste

Denn das Auerbräu in der Schwandorfer Straße 41 hat sich, wie kaum ein anderes Wirtshaus, sein historisches Flair erhalten. Bei einem dunklen Bier der Traditionsbrauerei Kneitinger und einem Schweinsbraten mit Reiberknödel und Sauerkraut fällt es schwer, sich daran zu erinnern, dass wir das Jahr 2013 schreiben und der Prinzregent Luitpold längst nicht mehr die Geschicke des Königreichs Bayern lenkt. Dabei wäre das Auerbräu, bevor es 1993 von Fellerer und Mierswa gepachtet und schließlich 1995 von der Kneitinger-Stiftung gekauft wurde, beinahe untergegangen. Öde, leer und dem Verfall preisgegeben lag damals das Gebäude, bevor es durch eine Privatinitiative vor dem Verfall gerettet wurde. „Es war ein hartes Brot mit viel Arbeit, um aus dem Auerbräu das zu machen, was es heute wieder ist“, erinnert sich Mierswa, der auf echte bayerische Wirtshaustradition mit deftiger Küche setzt – und damit riesigen Erfolg hat.

Küche und Service stimmen

Nicht nur zum traditionellen „Jahresfest“ am 31. März und zum Bockbieranstich im Herbst mit zünftiger Blasmusik ist das Lokal brechend voll. Mittags und abends sitzen Professoren und Pennäler, Stadträte und Studenten, Busfahrer und Bierkutscher so einträchtig an den rustikalen Tischen ohne (!) Tischdecken, dass man die ganze Gesellschaft ohne Zögern als Paradebeispiel für gelebte Wirtshauskultur in die bayerische Denkmalliste eintragen könnte. „Das Wichtigste ist die Küche und der freundliche Service, dann stimmt die Mischung bei den Gästen“, sagt Gaby Fellerer. Darunter sind auch Stammgäste, die sich noch an sehr frühe Zeiten erinnern können. Als Sägespäne noch den Stubenboden bildeten beispielsweise, die abends, je nach Erleichterungsbedarf der fast ausschließlich männlichen Gäste, entweder erneuert oder lediglich abgekehrt wurden.

Die älteste bildliche Darstellung der Brauerei stammt aus dem Jahr 1614. Eine Federzeichnung zeigt die „Regen prückh“ und das Bräuhaus, das durch den hohen Kamin deutlich zu erkennen ist, wie DDr. Wilhelm Theodor Auer in seiner Chronik der Brauerei schreibt. In den Steuerbüchern finden sich die Namen verschiedener Besitzer, bis Wilhelm Auer im Jahr 1896 das Anwesen von Johann Amann für die unvorstellbar hohe Summe von 152000 Mark kaufte. Der Bierausstoß betrug gerade 2800 Hektoliter und Auer musste mit seiner Frau die heruntergekommene Brauerei mit „Fleiß, Sparsamkeit und Gottvertrauen“, wie es in der Chronik heißt, wieder aufrichten. Bereits 1911 war der Bierverbrauch schon auf 7000 Hektoliter gestiegen.

Nachdem der Erste Weltkrieg überstanden war, kam die Inflation mit einem Höchstpreis von 42 Milliarden Mark pro Maß Bier. Zu dieser Zeit, so erzählt Wirt Karl-Heinz Mierswa, soll sich ein Stück der hölzernen Wandvertäfelung gelöst haben. Brauer Wilhelm Auer soll sie mit Hilfe von Abermilliarden Mark an Inflationsgeld wieder an die Wand gepappt haben. Das Geld wird heute noch hinter der Vertäfelung vermutet.

Betty Auer beerbte ihren verstorbenen Vater Wilhelm nach den Verwüstungen des 2. Weltkrieges im Jahr 1945, doch das große Brauereisterben in den 1960er und den 1970er Jahren brachte auch das Aus für die Brauerei Auer, deren Betriebsgebäude 1972 abgebrochen wurden.

Nur das Hauptgebäude mit dem mächtigen Mansardwalmdach und ein Nebengebäude mit einem Giebeldach überlebten. Das Ensemble ist denkmalgeschützt.

Über die Grenzen Regensburgs hinaus bekannt wurde das Auerbräu in den 1990er Jahren als Wahlkampfhauptquartier von „Josef Alzheimer“, der politischen Spaß-Guerilla um Hubert Lankes und Karl-Heinz Mierswa. Lankes war Gehirn, Mierswa Redner und Rampensau der Liste Alz, die mit der Aktion „Freier Schweinsbraten für freie Bürger” sogar in den Stadtrat einzog. Längst vergangene Zeiten, aber im „Auer“ lacht man heute noch darüber.