MZ-Serie
Einfach ein Wirtshaus für jedermann

Solide und ohne Firlefanz – trotzdem steckt das Gasthaus Zur Post in Aicha vorm Wald voller Geheimnisse und Überraschungen.

05.12.2015 | Stand 16.09.2023, 6:59 Uhr
Drei Wirtshaus-Generationen an einem Tisch: Georg, Maximilian, Martina und Emma Stauder (v. l.), stehend: Seniorchef Georg Stauder – und dahinter: der Stammtisch vom Donnerstagmittag. −Foto: Gabi Schönberger

Fährt man übers Land, fragt man sich zuweilen schon, welche Geheimnisse wohl hinter alten Mauern oder zugezogenen Bauernhausfenstern schlummern mögen. In Aicha vorm Wald zum Beispiel, einer beschaulichen Gemeinde im niederbayerischen Landkreis Passau. Zwar gibt es hier große und laute Attraktionen wie die Laser-Großdisco „Vulcano“ mit ihren 10 000-Watt-Boxen, die Westernstadt „Pullman City“ oder das vergleichsweise lärmarme Bauernhofmuseum im nahen Tittling.

Aber wenn man so durch Aicha schlendert, tritt plötzlich, etwas versteckt auf einer Anhöhe, ein Wasserschloss ins Blickfeld – das einzige im Bayerischen Wald. Geheimnisvoll schaut es aus, und es ist schon sehr alt. Es besteht aus einem imposanten Hauptgebäude mit steil hochgezogenem Dach und einigen Nebenbauten; von innen ist es besser in Schuss als von außen. Bewohnt wird es seit 1952 von der Familie von Croÿ.

Auch hier kam der Pandurenoberst Franz Freiherr von der Trenck am 10. Juni 1742 plündernd und brandschatzend vorbei, drum sang man damals das Lied: „D’Panduren sand kumma, ham alles mitg’numma, ham Fenster neig’schlag’n, is Blai ausazog’n, ham Kugln draus goss’n, und Menschen daschoss’n.“ Und der Priester Johann Baptista Königsberger klagte am 10. August 1742: „Die Panduren haben alles verwüstet, sogar das Tabernacul mit den Hostien herausgesetzt und all mein Geld hinweg, dass ich nun wohl ein gar armer Priester bin.“

Damals nur mit Plumpsklo

Der aus Böhmen vertriebene Alexis Prinz von Croÿ (1910-2002) hatte das Schloss 1952 von Josef Eberl, dem Großonkel des heutigen Seniorchefs des Gasthofes Zur Post, Georg Stauder (82), gekauft: „Damals nur mit Plumpsklo und Brunnenwasser“, erinnert sich Stauder.

Aber auch dieses Gasthaus Zur Post steckt voller Geheimnisse. Dabei wirkt es auf den ersten Blick so klar und schlicht: „Wir wollen ein ganz einfaches Wirtshaus für jedermann sein“, sagt Georg Stauder (37), der das Haus seit 2004 in der vierten Generation leitet. Alte Tonkrüge, Strohblumensträuße oder Gummihopfen unter den Deckenbalken sucht man hier vergebens. Der „gute Zulauf vom Ort“, die Hochzeiten und Feste, die Stammtische und elf Vereine, die sich hier regelmäßig treffen, sprechen für sich.

Stauder hat bei Richard Kerscher im Restaurant Passauer Wolf gelernt und bekam – nach seiner Dienstzeit bei den Gebirgsjägern – rasch von der Reederei Peter Deilmann das Angebot, auf der „MS Deutschland“, dem ZDF-Traumschiff, anzuheuern. Welch eine Chance! Aber er sagte ab: „Dazu bin ich zu heimatverbunden. Ich muss auf d’Nacht zuhaus sein.“

In der Küche hilft seine Mutter Emma (75), die ihm auch das Geheimnis mitgegeben hat, wie man im Holzofen „den besten Schweinsbraten weit und breit“ oder auch den besten Kartoffelsalat zubereitet. Und wie? „Sagen wir nicht“, kommt es als Antwort. Alle Suppen und Soßen werden von Grund auf selbst gemacht, und wie man mit der Hitze in einem Holzherd umgeht, „das muss man halt im Gefühl haben“.

Georg Stauder macht auch vorzügliche Desserts, was am Land eher selten ist, etwa Schokostrudel, Lebkuchenparfait oder eine Mousse au chocolat ohne Gelatine und ohne Eiweiß. Und die kriegen Sie fest? „Ja“, sagt der Küchenchef, „mein Geheimnis.“

„Bei uns hat niemand kalte Füße“

Von der Geschichte des Gasthauses liegt viel im Dunklen, weil sämtliche Dokumente um 1890 bei einem Feuer im Pfarrhof verbrannt sind. Bei der aufwendigen Sanierung des Hauses wurde auf solide und authentische Materialien geachtet und, wie gesagt, dekorativer Firlefanz weggelassen. Das kostbare Kruzifix hat 1981 ein Kirchenmaler restauriert. Ein Anbau beherbergt sieben Zimmer mit 16 Betten. Das gesamte Anwesen wird mit einer Hackschnitzelheizung warmgehalten: „Bei uns hat noch niemand kalte Füße gekriegt“, sagt der Seniorchef.

Nebenan, in der früheren Poststube, steht ein geheimnisvoller Schrein: ein Musik- und Spielautomat, den Ludwig Wagner, älterer Halbbruder von Opa Georg, 1929 gebaut hat. Wirft man eine Münze ein, erstrahlt und erklingt die Dorfszene mit Tanz und Pferdegespann. Im ersten Stock hängt ein Holzkasten mit einer vollzähligen Sammlung von Spendenabzeichen der NS-Sammelaktion „Winterhilfswerk des Deutschen Volkes 1933-1945“. Er steckt voller Holz-, Bakelit- und Porzellanfiguren, Glas- und Metallabzeichen, Stoffblumen und Propagandaheftchen. Ältere Gäste sagen oft: „Die da hatten wir auch.“

Mit Maximilian (5) wächst die fünfte Generation „Zur Post“ heran, Mutter Martina (36) ist zudem in guter Hoffnung. Bub oder Mädchen? „Das soll noch ein Geheimnis bleiben.“ Es ist ja ein Glück, wenn die Generationen so gut zusammenarbeiten. In anderen Wirtshäusern klappt das oft nicht so gut: „Da sind die Alten zu stur und die Jungen zu verrückt.“

Lage des Gasthauses

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