MZ-Serie
Er lachte, obwohl er voll Trauer war

Bayerische Originale: Max Grießer begeisterte mit seinem feinen Humor. Niemand ahnte, welche Ängste er innerlich durchlebte.

07.04.2015 | Stand 16.09.2023, 7:08 Uhr
Max Grießer verkörperte das Urbayerische, obwohl er eigentlich Österreicher war. −Foto: dpa

Er konnte die Rolle des Pantoffelhelden, aber auch die des Levitenlesers. Den gutmütigen Polizisten nahm man ihm genauso ab wie den Landesvater Goppel im Singspiel am Nockherberg. In allen seinen Rollen verkörperte der Schauspieler Max Grießer das Urbayerische. Er, der doch eigentlich Österreicher war.

Grießer verstand seinen Schauspielerberuf als Handwerk, das er gerne dort einsetzte, wo er sein Publikum zum Lachen bringen konnte. „Beruflich und auch im Privaten war er äußerst präzise, und das erwartete er sich auch von anderen“, erzählt sein jüngster Sohn Dr. Florian Grießer im Gespräch mit der MZ. Unter Kollegen galt er wegen seiner Ansprüche als schwierig. Beim Publikum kam er dagegen in jeder Rolle gut an. Das heitere Bauerntheater schien Grießer besonders zu liegen. Doch das, was er dort verkörpert, stand in krassem Widerspruch zu seinem eigenen Gefühlsleben. Das sollte die Öffentlichkeit aber erst nach seinem Tod erfahren.

Erste Bühne im Komödienstadel

Grießer wurde 1928 in Kufstein in Tirol geboren. Er war der Sohn eines bekannten österreichischen Volkssängers und wuchs bei seiner Mutter in Innsbruck auf. Schon als Fünfjähriger stand er auf der Bühne, danach gehörte er dem Ensemble des Volkstheaters Kufstein an. Seinen Lebensunterhalt bestritt er zunächst als Maschinenschlosser. Erst mit 30 Jahren fasste er den Entschluss, die Schauspielerei professionell zu erlernen. Von der Münchner Otto-Falckenberg-Schule weg wurde Grießer von Regisseur Olf Fischer für den „Komödienstadel“ entdeckt. Dem Format hielt er bis 1999 die Treue.

Seine absolute Lieblingsrolle war die Rolle des Einsiedlers in „Der Goggolori“ von Michael Ende, erzählt sein Sohn. „Er war sehr enttäuscht, dass nach einem Intendantenwechsel am Münchner Gärtnerplatztheater die Kulissen verkauft wurden.“ Auch in „Die Bernauerin“ von Carl Orff, in der er den ersten Bürger spielte, wirkte Grießer gerne mit. Er habe bevorzugt ernste Rollen angenommen, weiß sein Sohn Florian, doch das Publikum habe in Max Grießer eher den Komödianten gesehen. Im „Komödienstadel“-Stück „Alles für die Katz“ etwa, in dem er die Rolle des „Schlumbergers“ spielte. „Da war er wirklich gut und sehr lustig“, sagt Florian Grießer. „Auch im wirklichen Leben fiel es ihm manchmal ein, wie in diesem Stück einen Betrunkenen zu spielen – sogar beim Spazierengehen.“

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Privat sei Grießer ein sehr ernster Mensch gewesen und auch charakterlich nicht einfach, sagt sein Sohn. Freundschaften mit Kollegen habe er wenige gepflegt, da in der Branche viel Neid und Missgunst herrsche. Nur mit Fritz Strassner, der auch sein Trauzeuge war, und Erni Singerl hielt Grießer Kontakt. An seine Kindheit habe er viele schöne Erinnerungen, wenngleich man mit einem prominenten Vater nicht alles machen könne, sagt Florian Grießer. „Aber trotzdem war es toll.“ In den Zeiten, in denen sein Vater zu Hause in Tirol gewesen sei, habe er sich Zeit für ihn genommen, er habe Gartenarbeit geliebt und sei gerne auf dem Gipfel der „Hohen Salve“ und beim Langlaufen gewesen. So richtig Zeit für Hobbys habe er aber nicht gehabt.

Denn wie viele Volksschauspieler bekam auch Grießer in den 1970er Jahren zu seinen Bühnenverpflichtungen zunehmend Fernsehrollen angeboten. Er spielte im „Tatort“ und in Heimatfilmen. Der vergangene Woche verstorbene Kult-Regisseur Helmut Dietl ließ Grießer in den Münchner Geschichten auftreten, bevor ihn Produzent Helmut Ringelmann, der auch die Krimiserien „Derrick“ und „Der Alte“ schuf, für die Rolle des ruhigen und bedächtigen Polizisten Bertl Moosgruber in „Polizeiinspektion 1“ besetzte. 130 Folgen lang ging Grießer mit seinem Vorgesetzten Franz Schöninger, gespielt von Walter Sedlmayr, und Helmut Heinl, gespielt von Elmar Wepper, auf Verbrecherjagd.

Nach dem gewaltsamen Tod von Walter Sedlmayr wagte Max Grießer sich noch in eine andere Disziplin. Er streifte sich die Mönchskutte über und wurde zum Bruder Barnabas auf dem Nockherberg. Zwischen 1992 und 1996 hielt er dort die Fastenpredigt und derbleckte die Politiker. Kritiker warfen ihm vor, dass er dies mit zu wenig Biss tat. Nockherberg-Autor Hannes Burger sagte dazu: „Der Sedlmayr konnte mit dem Florett zustechen, mit einem zugespitzten kleinen Nebensatz. Meiner Meinung nach war er der beste von allen, aber er war unendlich schwierig. Er hat mich den Text oft dreimal umschreiben lassen. Max Grießer war sehr viel schwerfälliger. Der konnte leichter mit dem Schwert draufhauen und nicht mit dem Florett fuchteln. Dennoch war er der pflegeleichteste, der hatte in kürzester Zeit den Text auswendig gelernt.“

Familie klagte gegen Ärzte

Was niemand hinter der Fassade des Schauspielers ahnte: Max Grießer litt ab den 1990er Jahren an schweren Depressionen, war geplagt von Angstvorstellungen. Nach einem Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik in München nahm sich Grießer am 12. August 2000 im hessischen Eppstein-Vockenhausen, wo er den Polterabend eines Neffen besuchte, das Leben. Seine Ehefrau Marianne und sein jüngster Sohn kämpften juristisch gegen die Klinik, weil sie eine Mitschuld der Ärzte für den Tod sahen. Im Krankenhaus hatte man die Antidepressiva abgesetzt und Grießer nach 19 Tagen ohne weitere Medikamente entlassen. „Es war uns ein großes Anliegen, dass solche eklatanten medizinischen Fehler nicht mehr passieren. Wir haben uns auch eine Gerechtigkeit erhofft, doch dies ist bei der Justiz im Freistaat Bayern offenbar nicht möglich“, sagt sein Sohn. Der bayerische Volksschauspieler hat seine letzte Ruhestätte in Österreich gefunden.