Gericht
Geiselhöring: Mitarbeiter belasten Chef

Der Prozess um Wahlfälschung gegen einen Unternehmer wird neu aufgerollt. Die Fälle der Mitangeklagten wurden eingestellt.

15.10.2018 | Stand 16.09.2023, 5:59 Uhr
Marion Boeselager

Der angeklagte Unternehmer mit seinen Anwältinnen Mayumi Weinmann (links) und Dörthe Korn Foto: Boeselager

Der Prozess um Manipulationen bei der Kommunalwahl in Geiselhöring 2014 geht weiter: Am Montag lehnte die Staatsanwältin vor dem Regensburger Landgericht die von der Verteidigung beantragte Einstellung des Verfahrens gegen den Hauptangeklagten, einen 56-jährigen Unternehmer, ab. Die Anklagevertreterin begründete dies mit „der Schwere der Tat“. Zudem lägen belastende Stellungnahmen der Mitangeklagten vor. Der Fall sei „einzigartig in Deutschland“ und bedürfe weiterer Aufklärung. Das Verfahren wurde ausgesetzt und soll später neu aufgerollt werden.

Geschäftsmann soll Kommunalwahl 2014 beeinflusst haben

Der Geschäftsmann soll die Kommunalwahl 2014 beeinflusst haben, indem er Briefwahl-Stimmzettel für mehr als 400 nicht stimmberechtigte Saisonarbeiter selbst ausfüllte oder dies veranlasste. Ihm sei es darum gegangen, so die Anklage, das Wahlergebnis seiner Ehefrau und weiterer CSU-Kandidaten zu deren Gunsten zu manipulieren. Wegen Beihilfe mit auf der Anklagebank sitzen zwei Frauen und ein Mann aus Rumänien, die für den Unternehmer tätig waren.

Nach der Abkoppelung des Verfahrens gegen den Firmenchef verlasen die Verteidiger der übrigen Angeklagten deren Einlassungen. Darin belasten sie ihren Ex-Chef: Dieser habe sie mit Briefwahlunterlagen nach Rumänien geschickt und ihnen zuvor strikte Anweisungen und sogar ein Muster-Exemplar mitgegeben, wie die Zettel von den dort lebenden Saisonarbeitern auszufüllen seien. „Widerspruch hat er nicht geduldet.“

Den Leuten beim Ausfüllen der Stimmzettel geholfen

In zwei Autos hätten sie auf Weisung ihres Arbeitgebers mehrere Regionen, sogar Dörfer in schwer zugänglichen und abgelegenen Berggebieten, „abklappern“ müssen. Dort hätten sie den Leuten tagelang beim Ausfüllen der Stimmzettel geholfen. Die Leute seien teilweise besoffen gewesen, kaum gebildet und des Schreibens wenig mächtig. „Die, die es konnten, halfen und unterschrieben für die anderen – auch für die, die gar nicht anwesend waren“, berichtete eine der Angeklagten. Einige Saisonkräfte hätten gedacht, sie setzten ihre Unterschrift unter einen Arbeitsvertrag. Den Rest der Stimmzettel hätten die Mitangeklagten auf Anweisung ihres Chefs dann in Geiselhöring eigenhändig fertig ausgefüllt und teilweise selbst unterschrieben. „Er hat uns bis zum Tag der Polizeikontrolle mit eiserner Hand geführt. Wir waren die Dummen“, schloss eine der beiden Mitarbeiterinnen. „Der Druck war groß. Wir hatten zu funktionieren“, gab ihre Kollegin an.

2019 soll das Verfahren neu starten

Nach den Statements stellte die Strafkammer unter Vorsitz von Richter Georg Kimmerl die Verfahren gegen die drei Rumänen, denen Beihilfe zum Wahlbetrug zur Last lag, gegen Zahlung von je 1000 Euro Geldauflage ein.

In den kommenden Wochen soll die Verteidigung des Geschäftsmannes antragsgemäß Gelegenheit erhalten, eigenständige Recherchen in einer beim Bayerischen Landeskriminalamt angelegten elektronischen Datenbank anzustellen. Darin sollen sämtliche sichergestellten elektronischen Beweismittel in aufbereiteter Form nach Suchbegriffen zugänglich sein. Die Existenz dieser Datei war den Prozessbeteiligten bis vor kurzem „nicht bekannt“, so das Gericht.

Im neuen Jahr soll das Verfahren gegen den Unternehmer dann komplett neu starten.

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