Glaubensserie
Herr Grünwald, darf man über Gott lachen?

Günter Grünwald witzelt auch über Religion. MZ-Autor Mario Geisenhanslüke sprach mit ihm über Gott und die Grenze des guten Geschmacks.

25.03.2014 | Stand 16.09.2023, 7:18 Uhr
Mario Geisenhanslüke

„Jeder soll glauben, was er will“, ist das Credo des Kabarettisten Günter Grünwald. Foto: mediaPool

Herr Grünwald, die Pause ist kurz und das Eichstätter Publikum möchte Sie gleich wieder auf der anderen Seite des Vorhangs sehen. Gehen wir also gleich in medias res: Darf man über Gott, die Kirche und den Glauben lachen und Witze machen?

Davon gehe ich aus. Man kann so ziemlich über alles lachen – und Religion gehört mit Sicherheit dazu.

Wie schon auf der Bühne gehört: Die Bibel ist in Ihren Augen ein witziges Buch, oder?

Ja durchaus, wenn man es ernst nimmt.

Aber man sollte es nicht ernst nehmen?

Das kann jeder machen, wie er es für richtig hält. Ich mache niemandem Vorschriften, wie er etwas zu beurteilen hat.

Sie leben nach einem einfachen Motto: „Jeder soll glauben, was er will – aber bitte anderen Leuten nicht damit auf den Keks gehen.“

Das ist absolut richtig. Das ist meine Einstellung.

Sie lieben es bekanntermaßen deftig. Über die „unbefleckte Empfängnis“ witzeln Sie im aktuellem Programm: „Da war am Nachmittag der Engel des Herrn da, oder war es der Postbote?“

Wenn jemand damit Probleme hat, ist das sein Problem. Ich finde nicht, dass Religion etwas ganz besonders Schützenswertes ist, über das man keine Scherze machen darf. Ich mache über katholische Religion genauso meine Scherze wie beispielsweise über den Islam, der im letzten Programm relativ hart rangenommen worden ist. Manchmal werfen mir Katholiken nämlich genau das vor: Mit uns Katholiken kann man es machen, aber an die islamische Religion trauen Sie sich nicht ran, weil Sie Angst haben, dass die Ihnen die Bude anzünden. Aber da habe ich absolut keine Berührungsängste.

Eines Ihrer Soloprogramme hieß ja einmal „Der Botschafter des guten Geschmacks.“ Gibt es auch einen schlechten Geschmack bei Scherzen über Religion?

Den gibt es mit Sicherheit. Aber ich glaube, dass ich da einen exzellenten Geschmack habe.

Haben Sie ein Beispiel, wo die Grenze ist?

Nein. Ich habe meine persönliche Grenze im Kopf, die ich nicht überschreite. Aber ich kann das jetzt nicht definieren, weil ich mich nicht vorher frage: Was mache ich da? Verletzte ich vielleicht Leute in ihrem Glauben? Im Namen des Glaubens sind schon so viele Menschen verletzt worden, dass man andersherum auch mal eine paar Scherze machen darf.

Bei Religion hört bei vielen der Spaß auf. Jemand hat auf Ihrer Website geschrieben: „Als entschiedener Christ tut es mir leid, wenn man Gottes Wort so durch den Dreck zieht. Gott lässt sich nicht spotten. Was der Mensch sät, wird er ernten.“ Wie gehen Sie damit um?

Es ist sein Problem, wenn er eben einen leichten Dachschaden hat. Und das bezeichne ich wirklich als Dachschaden, wenn er mir vorschreiben will, was ich zu sagen habe. Und, dass Gott irgendwann kommt – Woher weiß denn der Trottel das? Hat der eine Standleitung mit dem lieben Gott? Ich muss ihn enttäuschen: Ich glaube, es gibt gar keinen – jedenfalls keinen, der sich mit ihm unterhält. Mit solchen Typen kann ich mich nicht auch noch befassen.

Sie selbst sind also überzeugter Atheist?

Ja, absolut.

Wann haben Sie das für sich entschieden?

Meine Eltern sind beide Atheisten. Von ihnen bin ich zuhause aber nie beeinflusst worden. Ich bin in der ersten und zweiten Klasse natürlich auch in die Kirche und zur Beichte gegangen. Aber als der Drang dann nachließ, wurde ich – anders als Freunde von mir – nicht dazu gezwungen und bin dann irgendwann auch nicht mehr hingegangen. Außerdem waren die Schulpfarrer sehr schwierige Menschen, die davon überzeugt waren, dass das einzig Wahre die Prügelstrafe war. Nach dem Motto: Ich werde Gott in dich hinein prügeln. Vom Glauben habe ich mich dann relativ schnell abgewandt – allerdings ohne das groß zu überlegen. Es war ein natürlicher Prozess, dass ich irgendwann mit Glaube und Religion nichts mehr am Hut hatte. Ich gehe aber immer noch sehr gerne in Kirchen, weil dort meist eine schöne Atmosphäre herrscht.

Welche Religionen bieten eigentlich den meisten humoristischen Stoff?

Der Katholizismus und der Islam sind da schon die Knaller.

Warum?

In beiden gibt es einfach relativ abstruse Geschichten. In manchen Naturreligionen darf man ja beispielsweise nachts nicht vor die Tür, weil die glauben, dass dort zwischen den Hütten die Teufel und Geister herumfliegen. Da steht dann der katholische Pfarrer, schmunzelt und denkt sich: Diese Idioten. Aber was in der Bibel steht, ist noch eine Spur absurder. Und dann haben die Katholiken eben noch zusätzlich diesen Absolutheitsanspruch. Da steht der Pfarrer dann mit seinen roten Wildlederschuhen und der großen Kappe und sagt, er wisse genau, was los sei. Wenn ich mir dann aber die ganzen Knalltüten anschaue, wie einen Kardinal Müller, wird es für mich schwierig.

Kurzer Wechsel zu einem überhaupt nicht lustigen Thema: Sie mussten in Ihrem Leben mit Schicksalsschlägen umgehen – vor allem, als Ihre Frau 2007 Zwillinge bekam und eines der Kinder nicht überlebte. Woher nehmen Sie den Halt? Viele finden ihn dann ja in der Religion.

Ich habe keine Ahnung, wie ich da Halt in der Religion finden könnte. Ich finde Halt darin, dass das eben alles so ist, wie es ist. Meine Tochter ist nicht der erste Mensch auf der Welt, der bei der Geburt gestorben ist. Es gibt dramatische Sachen ohne Ende. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich Trost in der Religion finden könnte. Warum? Wenn jetzt irgendjemand sagt, dass das Gottes Wille war, würde ich ja erst recht durchdrehen. Das hieße ja, es gibt einen Gott, der sich denkt: Dem Grünwald seine Tochter lassen wir jetzt sterben. Da kann ich doch keinen Halt drin finden.

Frage zum Abschluss: Wollen Sie mit Ihren Witzen über Religion auch etwas erreichen? Vielleicht, dass sich Funktionäre der Kirche oder einfach nur die Mitglieder etwas selbstironischer sehen?

Nein, um Gottes willen. Die sollen genauso weitermachen wie bisher. Das liefert ja den besten Stoff für das Kabarett. Kardinal Müller beispielsweise soll bitte nicht anfangen darüber nachzudenken, Frauen ins Priesteramt aufnehmen zu wollen oder das Zölibat abzuschaffen. Er soll bitte genau der verknöcherte alte Idiot bleiben, der er jetzt ist. Das finde ich viel, viel lustiger.