Ausstellung
Hitler hängt am Tannenbaum

Egal ob Kaiserzeit, Drittes Reich oder Kommunismus, der Tannenbaum wurde zum Ort für Propaganda. Das zeigt eine Ausstellung in Ulm ab dem 1. Advent.

29.11.2013 | Stand 16.09.2023, 7:17 Uhr
Dagmar Hub

An einem Christbaum ist das Gläserne Konterfei von Adolf Hitler zu sehen. Der Baum ist Teil der Ausstellung „Aufgeputzt!“ im Museum der Brotkultur in Ulm. Foto: epd

In Straßen und Gärten schaffen beleuchtete Christbäume derzeit weihnachtliche Stimmung. Aber warum schmücken wir an Weihnachten einen Tannenbaum? Und seit wann? Das Ulmer Museum der Brotkultur geht diesen Fragen mit der Ausstellung „Aufgeputzt!“ nach. Ab 1. Advent zeigt das Museum 400 Objekte historischen Christbaumschmucks aus der Sammlung der Familie Schreiner aus Rißtissen bei Ulm. Die Schau verdeutlicht eindrucksvoll, wie sich die Symbolik des Christbaumschmucks durch gesellschaftliche und politische Entwicklungen verändert hat – und immer wieder missbraucht wurde.

Die Tradition, einen Christbaum zu schmücken, geht zurück auf das Mittelalter. Damals war es üblich, Häuser und Kirchen von Advent bis Lichtmess mit grünen Zweigen zu verschönern. Beim weihnachtlichen Krippenspiel nahm der „Paradiesbaum“, von dem Adam einen Apfel pflückte, einen wichtigen Platz ein.

Im 16. Jahrhundert fanden die ersten Christbäume – verziert mit Äpfeln, Nüssen, Gebäck und Papierblumen – Eingang in bürgerliche Häuser. Sie waren auch ein protestantisches Gegengewicht zur katholisch besetzten Hauskrippe. Aus gepresster Watte, Pappmaché oder Wachs wurden im 17. Jahrhundert die ersten Engel, Sterne und weihnachtlichen Figuren hergestellt, bis mit dem Biedermeier die große Zeit des Weihnachtsschmuckes vor allem aus Thüringen und Sachsen begann.

Kriegsgeschütz als Christbaumkugel

Die schweren, bunten Glaskugeln des frühen Biedermeier waren zur Dekoration der Wohnstuben Wohlhabender gedacht. Irgendwann wurden sie auch an den Christbaum gehängt. Der Baumschmuck vergangener Jahrhunderte aus Glas und Porzellan wurde speziell von deutschen Handwerkern hergestellt; selbst Englands Königin Victoria feierte unter einem Christbaum mit Schmuck aus den Glaszentren im thüringischen Lauscha und aus Gablonz im heutigen Tschechien. Zierliche Exponate aus Biskuitporzellan und Glas zeigen in der Ausstellung die handwerkliche Kunst des 18. und 19. Jahrhunderts.

Deutlich wird in „Aufgeputzt!“ aber auch, wie sehr Christbaumschmuck stets Spiegel der Alltagskultur war. So trug die Sammler-Familie Schreiner für den Export in die USA hergestellte Indianer und Truthähne aus Glas zusammen. Aufkommende technische Entwicklungen wie der Fesselballon und das Radio fanden ihren Platz als Miniatur-Ausgaben auf dem Christbaum. Und auch der Nationalismus und Militarismus des Ersten Weltkrieges spiegelt sich am Tannenbaum wider: Hindenburg prangte als Portrait auf einer Christbaumkugel. Der erste Zeppelin und das Kriegsgeschütz „dicke Bertha“ schmückten damals so manchen Weihnachtsbaum.

Roter Stern auf der Baumspitze

„Wie tief man sinken kann“, so Museumsleiter Andrea Fadani. Sie zeigt eine Rarität aus dem Beginn des Nationalsozialismus: ein komplett erhaltener, in Lauscha produzierter Christbaumschmuck mit germanischen Motiven. Sie sollten die christliche Symbolik zurückdrängen und die „wahrhaft deutsche Weihnacht“ propagieren – orientiert am nordischen Julfest. Zwei gläserne Konterfeis Adolf Hitlers schmücken diesen Baum. Auf seiner Spitze sitzt der Reichsadler, an den Ästen baumeln „Sieg Heil!“-Kugeln, Soldaten und Flugzeuge.

Eine weitere Besonderheit der Ausstellung ist seltener russischer Baumschmuck. Er illustriert Märchengestalten wie Väterchen Frost. Im Kommunismus zierten später dann ebenfalls Soldaten den Baum. Sie trugen nur eine andere Uniform – und den roten Stern.