Natur
Ihre große Liebe ist grün

Alena Lettenmaier hat als Rangerin im Bayerischen Nationalpark ihren Traumberuf gefunden. Das sah auch ein Neuseeländer ein.

31.08.2019 | Stand 16.09.2023, 5:17 Uhr

Alena Lettenmaier ist jeden Tag im Wald unterwegs. Und wenn sie frei hat? Geht sie wandern. Foto: Gregor Wolf, Nationalpark Bayerischer Wald

Vom Forst hört man dieser Tage traurige Dinge: Selbst robuste Bäume geben im Kampf gegen die Hitze auf, ganzen Landstrichen droht Entwaldung. Aber Alena Lettenmaier bleibt Optimistin. Die 27-Jährige ist Rangerin im Nationalpark Bayerischer Wald. Am Telefon wirkt sie resolut und liebevoll und vor allem: vollständig in ihrem Beruf angekommen.

Sie sind Rangerin: ein ungewöhnlicher Beruf für eine Frau, oder?

Das hört man wohl nicht so oft in Deutschland, aber für mich ist das der Traumberuf. Es ist total toll: Ich kann in der Heimat bleiben, ich kann draußen sein, mich für Umweltschutz einsetzen, was mir sehr wichtig ist, und Besuchern die Natur nahe bringen.

Wie schaut Ihr Tag aus?

Die Dienste sind unterschiedlich getaktet. Manchmal fange ich um 6 Uhr an, manchmal um 10 Uhr. Ich mache mich mit Rad, Bus oder Dienstauto zum Startpunkt auf und gehe auf den Berg, informiere Besucher über Wegführungen und die entstehende Waldwildnis und schau’ oben zu den stark frequentierten Punkten in meinem Dienstbereich, zum Waldschmidt-Haus, zum Rachel-Gipfel, zur Rachel-Wiese. Mein Lieblingsort ist die Rachel-Kapelle. Die Aussicht dort ist grandios. Der Ort strahlt etwas Spirituelles aus.

Worin bestehen Ihre Aufgaben?

Ich achte darauf, ob die Wege in Ordnung sind und schneide manchmal kleineren Bewuchs weg. Ich erledige für die Nationalpark-Forschung Aufträge. Wenn mir ein besonderer Pilz auffällt, wird er auf Anfrage fotografiert und mit GPS-Daten dokumentiert. Vor allem kümmere ich mich um Besucher – auch um solche, die sich nicht an Regeln halten.

Welche Regelbrüche meinen Sie?

Am häufigsten kommt es vor, dass Besucher die Wege verlassen. Das schadet der Natur, weil wir zum Beispiel das Auerhuhn hier haben. Zwischen 15. November und 15. Juli ist die sensible Zeit. Das Auerhuhn ist in den Hochlagen daheim, im Kerngebiet des Parks, wo im Winter viel Schnee liegt – eine schwierige Zeit für die Tiere. Sie dürfen nicht gestört werden. Besucher, die die Wege verlassen, könnten auch seltene Pflanzen wie den Ungarischen Enzian oder den Sonnentau kaputt treten. 99 Prozent der Gäste sind einsichtig und total liab, es reicht, sie aufzuklären.

Und das restliche Prozent?

Von Wiederholungstätern und Uneinsichtigen nehme ich die Personalien auf und leite sie weiter. Ein Problem ist auch der Müll. Leider bleibt immer mehr Abfall zurück: Bananenschalen, Obstreste oder Papiertaschentücher. Die verrotten zwar, aber das dauert seine Zeit, bei Papiertüchern fast drei Jahre. . Noch schlimmer sind zum Beispiel Kippen. Ein einziger Stummel macht 50 Liter Trinkwasser ungenießbar. Alles, was nicht zur Natur gehört, hat im Nationalpark nichts zu suchen. Und Müll zieht Müll an.

Ist es für Sie als junge Frau schwierig, Autorität durchzusetzen?

Nein. Die Besucher sind freundlich und verständnisvoll. Die allermeisten jedenfalls. Gäste sollen ja auch nicht gemaßregelt, sondern überzeugt werden. Außerdem denke ich: Wie man in den Wald hinein ruft, so schallt es aus ihm heraus.

Mit welcher Ausrüstung sind Sie im Wald unterwegs?

Ich trage Dienstkleidung mit Wappen und dem Namen und ganz wichtig ist der Rucksack. Da ist ein Erste-Hilfe-Set drin, ein Fernglas, das Ranger-Handbuch, ein Messer, um Bewuchs zu entfernen, eine Brotzeit und ein Spießstock, um Müll aufzusammeln.

Dem Wald geht’s schlecht. Förster weinen beinahe, wenn sie von den Hitzeschäden erzählen. Was beobachten Sie im Nationalpark?

Auch hier sind die Wälder gestresst. Die Wassernot ist groß. Der Boden ist so trocken, dass der Regen kaum noch eindringen kann und abfließt. Beste Bedingungen also für Borkenkäfer. In den Naturzonen bleibt die Natur sich selbst überlassen, in den Randgebieten wird der Borkenkäfer bekämpft, damit er sich nicht auf die Nachbargebiete ausbreitet. Förster nehmen die Käferbäume raus. Das ist natürlich ein Spagat, zwischen Forstschutz und Naturbelassenheit.

Wie ist Ihre Prognose: Wie wird der Wald den Klimastress packen?

Im Nationalpark sind die Folgen des Klimawandels natürlich ein großes Thema. Auch die Veränderung der Artengemeinschaften nimmt zu. Aber jeder Einzelne kann seinen Beitrag leisten: Energie sparen, regionale Produkte kaufen, Müll recyceln oder gleich ganz vermeiden. Das ist auch oft ein Thema bei Gesprächen mit Besuchern. Ich versuche, an die Sache mit Optimismus heranzugehen. Ich denke, wir müssen allgemein mehr auf naturnahe Wälder setzen: keine Monokulturen, dafür Bäume verschiedener Sorten und unterschiedlichen Alters. Dann kann der Wald besser Widerstand leisten. Aber das ist ein langer Prozess, über mehrere Generationen hinweg.

Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?

Ich komme aus einer ganz anderen Ecke, habe Erzieherin gelernt. Aber ich habe viele Jahre freiwillig im Nationalpark gearbeitet, auch als Junior- und Volunteer-Ranger. Ich besuchte ein Jahr die Umweltbildungseinrichtung, aber dann reizte es mich, mir die Welt anzuschauen. In Neuseeland sah ich zufällig am Handy: Der Nationalpark sucht Ranger. Ich konnte nicht widerstehen und bewarb mich noch von Neuseeland aus. Mein Vorteil: Sprachkenntnisse sind ein wichtiger Punkt. Weil meine Mutter aus Tschechien kommt, spreche ich fließend Tschechisch, das hilft bei der Kooperation mit dem angrenzenden Nationalpark Sumava. Die Parks in Bayern und Tschechien bilden das größte zusammenhängende Waldschutzgebiet Mitteleuropas und natürlich tauschen wir uns häufig aus.

Müssen Sie körperlich fit sein?

Auf alle Fälle! Ich bin jeden Tag rund zehn Kilometer zu Fuß unterwegs, im Sommer auch mit dem Rad und im Winter auf Schneeschuhen oder auf Tourenskiern.

Ist Ihr Partner so naturverliebt wie Sie?

Ja, Gottseidank! Ich habe ihn in Neuseeland kennengelernt und sagte ihm: Wenn du bei mir sein willst, musst du kommen, weil mir der Wald so wichtig ist. Er ist dann tatsächlich von Neuseeland hierher gezogen, sozusagen: ein Kiwi im Bayerwald. Und er ist Naturfan wie ich. Was machen wir, wenn ich frei hab’? Wir gehen wandern!

Also: Kein Tag ohne Wald?

Ich zähle mich zu den wohl ganz wenigen Glücklichen überhaupt, die ihren Traumberuf gefunden haben. Ich erinnere mich an ein wunderschönes Erlebnis, da war ich erst ein paar Monate Rangerin. Ich traf am Lusen drei ältere Herrschaften, richtig urige Waidler, in Lederhosen, mit Feder am Wanderstecken. Wir führten ein tolles Gespräch und am Ende sagten die Herren: Jetzt sing ma der Rangerin noch ein Lied. Dreistimmig erklang die Waidler-Hymne „Mir san vom Woid dahoam“. Das vergess’ ich nie.

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