Engagement
Jura-Studenten beraten Flüchtlinge

Die „Refugee Law Clinic“ an der Uni Regensburg wurde am Donnerstag offiziell eröffnet. Der Bedarf an Beratung ist groß.

15.10.2015 | Stand 16.09.2023, 6:56 Uhr
Louisa Knobloch
Engagieren sich für Flüchtlinge: Prof. Dr. Alexander Graser (2.v.l.), Dr. Christian Helmrich (3.v.r), Studierende und die Rechtsanwälte Shervin Ameri, Philipp Pruy und Dr. Christoph Lindner. −Foto: Knobloch

Wie ist der Stand meines Asylverfahrens? Darf ich in eine andere Gemeinschaftsunterkunft umziehen? Welche Voraussetzungen muss ich mitbringen, um in Deutschland mein Studium fortzusetzen? Flüchtlinge und Asylsuchende haben viele Fragen. Hilfe bekommen sie nun auch von der„Refugee Law Clinic“an der Universität Regensburg. Am Donnerstagabend wurde sie offiziell eröffnet – erste Beratungsgespräche haben aber bereits stattgefunden. „Der Bedarf ist so groß, da wollten wir nicht warten“, sagt Prof. Dr. Alexander Graser vom Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Politik. In der aktuellen Debatte liege der Fokus auf den Flüchtlingsströmen, die derzeit nach Europa kommen. „Aber es sind immer auch Menschen, Einzelschicksale, um deren Rechte es hier geht.“ Hier könne die „Refugee Law Clinic“ einen Beitrag leisten, so Graser.

Dr. Christian Helmrich, der das Projekt als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl betreut, stellte das Konzept vor. Law Clinics sind im anglo-amerikanischen Raum an Hochschulen sehr verbreitet. Sie böten sozial Schwächeren Zugang zu rechtlicher Beratung und ermöglichten zugleich Studenten, frühzeitig Einblicke in die Praxis zu bekommen, führte Helmrich aus. In Deutschland gebe es mittlerweile rund 20 Law Clinics, die sich speziell mit Flüchtlingsrecht befassen würden. „Von deren Erfahrungen konnten wir profitieren.“

Wissen in der Praxis anwenden

Etwa 180 Studenten haben sich seit dem Start im Sommersemester für die Mitarbeit gemeldet. Die meisten studieren Rechtswissenschaft, doch das Projekt ist auch offen für Studenten aus anderen Fächern wie Politikwissenschaft, betont Helmrich. Die Teilnehmer werden geschult und beraten dann in Teams von zwei bis vier Personen Flüchtlinge in Fragen des Ausländer-, Asyl- und Sozialrechts. Eine offene Sprechstunde gibt es dabei nicht, die Fälle werden durch Kooperationspartner wie die Koordinierungsstelle „Flüchtlinge und Asylsuchende“ der Stadt Regensburg oder die Caritas vermittelt. „Wir wählen Fälle aus, die für eine studentische Rechtsberatung geeignet sind“, sagt Helmrich.

Zum Team der „Refugee Law Clinic“ gehören auch Laura Jonas und Thomas Paintner, die beide im achten Semester Rechtswissenschaft studieren. „Hier kann man sein Wissen aus dem Studium einsetzen, um etwas zu bewirken“, sagt Paintner. Er hatte sich zuvor schon bei den von CampusAsyl organisierten Sprachkursen engagiert. Schon deutsche Bürger hätten oftmals Probleme, sich im Dschungel der Bürokratie zurechtzufinden, meint Jonas. Daher sei es wichtig, den Flüchtlingen beratend zur Seite zu stehen. Verständigungsprobleme haben die beiden bisher nicht gehabt – die Männer aus Afghanistan, deren Fälle sie bearbeiteten, sprachen Englisch. Falls erforderlich, werden über die Initiative CampusAsyl – ebenfalls ein Kooperationspartner – Dolmetscher organisiert. Neben dem Lehrstuhl-Team stehen auch mehrere Rechtsanwälte den Studenten zur Seite. Sie helfen bei Fragen und geben Workshops, etwa dazu wie man sich in der Beratungssituation verhält. „Das Projekt ist auf Praktiker angewiesen“, betont Helmrich.

Migration als Chance begreifen

Ein erster Erfolg für die „Refugee Law Clinic“ ist der Fall eines Asylbewerbers aus dem Senegal, dem das Landratsamt die Verlängerung seiner Arbeitserlaubnis verweigert hatte. Die Begründung war, dass Asylbewerber aus angeblich sicheren Herkunftsstaaten grundsätzlich keine Arbeitserlaubnis mehr erhalten sollten. Das verstoße jedoch gegen Europarecht, sagt Helmrich. Die Studenten intervenierten – mit Erfolg: Der Mann darf wieder arbeiten. Einen Großteil des Geldes, das er hier verdient, schickt er an Angehörige in seiner Heimat.

Viele Asylbewerber aus dem Senegal haben ähnliche Probleme. Mit der sogenannten strategischen Prozessführung könnte es gelingen, dass nicht nur ein Einzelner von einer solchen Entscheidung profitiert, sondern eine Änderung der Verwaltungspraxis erreicht wird, die vielen Betroffenen zugutekommt, erläuterte der Rechtsanwalt Dr. Christoph Lindner. Ein Beispiel für strategische Prozessführung auf europäischer Ebene stellte anschließend der Rechtsanwalt Carsten Gericke vom European Center for Contstitutional and Human Rights (ECCHR) in Berlin vor. Seine Organisation geht rechtlich gegen sogenannte „Push-Backs“, also das teils gewaltsame Zurückdrängen von Flüchtlingen in der spanischen Enklave Melilla in Marokko vor. Die Situation dort sei prototypisch für die Vision der EU, einen Kordon von vermeintlich sicheren Staaten um die EU herum zu schaffen, welche die Gatekeeper-Funktion erfüllten, sagte Gericke.

Wie in Amerika über die Flüchtlingskrise berichtet wird, beleuchtete der Präsident der Universität Regensburg, Prof. Dr. Udo Hebel, der frisch von einer USA-Reise zurückgekehrt ist. „Deutschland wird dort nicht nur als Einwanderungsland wahrgenommen, sondern als einwanderungsfreundliches Land“, so Hebel. Auch die Universität Regensburg übernehme gesellschaftliche Verantwortung, indem sie zahlreiche Projekte für Flüchtlinge unterstütze. Hebel warnte vor „allzu naiven multikulturellen Utopien“ und einer Reduzierung der Flüchtlinge auf Arbeitskräfte, betonte aber zugleich die gesamtgesellschaftlichen Chancen von Migration.

Deutschland habe sich schon verändert, sagte der evangelische Landesbischof und EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm, der über christliche Verantwortung in der Flüchtlingsfrage sprach. „In einer Welt, in der so viel Reichtum da ist, darf es nicht sein, dass Menschen hungern“, so Bedford-Strohm. Dringend benötigt werde europäische Solidarität. Zudem müsse man die vielfältigen Fluchtursachen in die Mitte des Diskurses stellen, sagte der Landesbischof.

Zum Abschluss der Veranstaltung diskutierten Dr. Rolf Mehringer (Regierung der Oberpfalz), Anna Büllesbach (Leiterin des UNHCR in Nürnberg) und Wolfgang Rötzer (Stadt Regensburg) über „Herausforderungen in der Flüchtlingspolitik“.