MZ-Serie
Krenkl sagte nur: „Wer ko, der ko“

Das „Weiße Bräuhaus zum Krenkl“ ist das letzte urbairische Wirtshaus in Landshut. Der Ruf der Wirtin ist legendär.

10.10.2015 | Stand 16.09.2023, 6:57 Uhr
Thomas Dietz
Marina Gülmez, Idealbild einer bayerischen Wirtin, mit Sohn Arif im „Weißen Bräuhaus zum Krenkl“. An der Längswand der Gaststube (nicht im Bild) hängt die berühmte Krenkl-Uhr mit Peitschenknall. −Foto: Gabi Schönberger

Am liebsten würde man sie gar nicht mehr vom Tisch weglassen. Die Anwesenheit der wunderbaren Wirtin Marina Gülmez macht glücklich. Sie ist ein lebendiger Beweis dafür, dass nicht der Mensch einen Beruf ergreift, sondern Berufe die Menschen ergreifen. Und einen besseren als „Wirtin“ könnte es für die Chefin des Weißen Bräuhauses in der unteren Altstadt von Landshut nirgendwo geben.

Das Wirtshaus hinter Karl Reidels „Narrenbrunnen“ von 1974 hat 365 Tage im Jahr geöffnet – es gibt durchgehend warme Küche von 11 bis 22 Uhr. Auch zu Weihnachten und an Neujahr ist das Haus mit dem geschweiften Knickgiebel immer gut besetzt.

Marina Gülmez (52) ist ein Vollblut-Talent, ihre Energie und ihr einnehmendes Wesen sind berühmt. Sie legt großen Wert darauf, dass das „Weiße Bräuhaus“ das einzige Haus in Landshut mit echter, alter, bodenständig-bayerischer Wirtshauskultur darstellt: „Alles unter einem Dach, Schachspieler, Schafkopfer, Touristen und Geschäftsleute beieinander.“ Vor 25 Jahren gab es noch 15 bayerische Lokale in der Landshuter Altstadt.

Geboren wurde Marina Klammer in Bad Reichenhall. Gelernt hat sie so ziemlich alles: Metzgerhandwerk, Hotelfach, Kochen, Einzelhandel und Restaurantfachfrau im Steigenberger. Siebenkämpferin war sie auch mal, also 100 Meter Hürden, Hochsprung, Kugelstoßen, 200 Meterlauf, Weitsprung, Speerwurf, 800 Meter.

Dann hat sie Orhan Gülmez (51) geheiratet und drei Kinder bekommen: Cemile (23), Arif (21) und Kubilay Khan (18). Erst haben sie in Landshut das Traditionshaus „Kochwirt“ übernommen, 2003 das „Weiße Bräuhaus zum Krenkl“, wie es vollständig heißt.

„Das Vorfahren ist verboten!“

Richtig berühmt wurde er aber durch ein Rencontre mit Kronprinz Ludwig, dem späteren König Ludwig I., im Englischen Garten. Krenkl wagte es, dessen sechsspännige Equipage zu überholen, was seinerzeit streng untersagt war. Der Kronprinz rief: „Er weiß wohl nicht, dass das Vorfahren verboten ist!“, woraufhin der Krenkl zurückrief: „Majestät, wer ko, der ko!“

Seitdem ist „Wer ko, der ko“ ein geflügeltes Wort und Krenkl gilt als eine Art Volksheld des 19. Jahrhunderts, als mustergültiges bairisches Urviech mit derbem Witz, gesunder Bodenhaftung, aber wenig Respekt vor der Obrigkeit. Als Lohnkutscher war Krenkl so beliebt, weil er auch bei besseren Herrschaften mit Kraftausdrücken und Grobheiten nicht geizte. Noch heute werden „Krenkliaden“ erzählt, deren Wahrheitsgehalt nicht unbedingt immer bis ins letzte Detail erwiesen ist. Aber es gibt den jährlich verliehenen Krenkl-Preis für Zivilcourage.

„Ob der Krenkl in diesem Haus geboren wurde, ist nach neueren Forschungen ungewiss, es wird wohl zwei Häuser weiter gewesen sein“, sagt Wirtin Marina Gülmez, „aber gewohnt hat die Familie des Kleinuhrmachermeisters Xaver Krenkl hier ab 1802.“

Eine Attraktion im „Weißen Bräuhaus“ ist die mehrere Meter lange Krenkl-Uhr von 1963 mit einer Metall-Silhouette aus Kutsche, Kutscher Krenkl und Ross. Das Gespann rückt Stunde für Stunde auf einer Schiene vor, bis jeweils um 12 Uhr mittags und um Mitternacht ein Peitschenknall ertönt und die Kutsche zurückfährt.

Lage des Gasthauses

„Bei uns gibt’s keine Spirifankerl“

Speisekarten werden den Gästen nie sofort vorgelegt, die sollen sich erst einmal entspannen und etwas trinken – im „Weißen Bräuhaus“ gibt’s Biere der 400-jährigen Landshuter Privatbrauerei C. Wittmann. Dafür steht immer eine komplette Menage auf jedem Tisch – mit Essig, Öl, Salz, Pfeffer und Zahnstochern. „Ich möchte nicht, dass man extra bitten muss: „Ach, könnten Sie bitte noch etwas Salz und Pfeffer bringen“, sagt die Wirtin.

Gäste im „Weißen Bräuhaus“ haben allmählich das Gefühl, Teil einer Gemeinschaft zu sein. Ein Berliner Ehepaar, das regelmäßig nach Landshut kommt, sagte: „Wir haben auch eine Stammkneipe – aber so wie bei Ihnen ist es nirgends.“ Und das ganz ohne Internet. Marina Gülmez findet: „Mein Internet ist die Mundreklame.“

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Weitere Teile unserer Wirtshaus-Serie finden Sie in unserem MZ-Spezial.