Erinnerungsarbeit
KZ Flossenbürg: Stein des Anstoßes

Im Steinbruch neben der Gedenkstätte wird immer noch Granit abgebaut. Eine Petition will das nun verhindern. Zu Recht?

15.10.2015 | Stand 16.09.2023, 6:56 Uhr
Sebastian Grosser

SS-Fotoaufnahme aus dem Jahr 1942. Häftlinge wurden im Steinbruch des Konzentrationslagers Flossenbürg zur Arbeit gezwungen. Foto: Niederländisches Institut für Kriegs-, Holocaust- und Genocidstudien.

Es wäre ein Skandal: Angeblich stammen die Granitplatten, aus denen das Geländer der Steinernen Brücke in Regensburg besteht, aus dem Steinbruch des ehemaligen Konzentrationslagers Flossenbürg. Während der NS-Zeit mussten hier die Häftlinge die schweren Granitblöcke aus dem Boden hauen. Tausende Menschen kamen dabei ums Leben, erschlagen von herabfallenden Steinen oder erschöpft von harter Arbeit und Mangelernährung. Ein blutbefleckter Ort, das von den Schrecken der NS-Diktatur zeugt. Und die Platten aus dem Steinbruch sollen nun das Wahrzeichen Regensburgs zieren?

Forderung nach Abbaustopp

„Stilllegung des ehemaligen KZ-Lagersteinbruches OSTI“ ist der Titel der Petition, die ein ansässiger Bürger im September beim Bayerischen Landtag eingereicht hat. Dem Antragsteller gehe es um Verantwortungsbewusstsein gegenüber der NS-Vergangenheit, um eine Weiterentwicklung der Gedenkstätte, aber vor allem um den Stopp der Granitbauarbeiten. Das liege nicht zuletzt in der „moralischen, geschichtlichen und gesellschaftlichen Verantwortung“ des Pächters.

„Die Petition geht an der Sache vorbei“, sagt Jörg Skriebeleit, Leiter der Gedenkstätte Flossenbürg. Zwar wird in Sichtweite des ehemaligen Konzentrationslagers noch Granit abgebaut. Allerdings nicht von der historischen Abrisskante, wie die Petition fälschlicherweise suggeriert. Neben der Tatsache, dass es sich bei der Abrisskante um ein Bodendenkmal handelt und sich daraus strenge Nutzungsauflagen ergeben, hat Skriebeleit von dem jetzigen Pächter eine mündliche Zusicherung: Der Teil des Steinbruchs, in dem die KZ-Häftlinge zur Arbeit gezwungen wurden, werde nicht angetastet.

Welcher Teil des Steinbruchs zur Zeit des Konzentrationslagers genutzt wurde, konnte das zuständige Landesamt für Denkmalpflege anhand von historischen Luftaufnahmen bestimmen. Das letzte Dokument stammt von 23. März 1945, einen Monat vor der Befreiung durch die Amerikaner. Seither sei der Stand der historisch belasteten Abrisskante „lagerzeitlich“, so Skriebeleit. Gleiches gilt für die auf dem Gelände befindlichen Gebäude, die allerdings zunehmend verfallen.

Strittiger Umgang mit Geschichte

Die Frage, wie mit nationalsozialistischen Bauten umzugehen ist, wird von Historikern unterschiedlich interpretiert. Für den Leiter der Gedenkstätte ist richtiges Gedenken zumindest keine Frage der Fläche. „Es gibt viele belastete Orte in Flossenbürg, aber deshalb kann man nicht den ganzen Ort zur Gedenkstätte machen“, sagt Skriebeleit. Viel wichtiger sei es, das Gedenken an Gewalt wieder in den öffentlichen Raum zu tragen. Beispielsweise durch den Verweis aufEinzelschicksale wie auf das des Zwangsarbeiters in Nittenau, der aufgrund einer angeblichen Liebschaft mit einem deutschen Mädchen hingerichtet wurde. Oder durch Irritationen. So erinnern die Stolpersteine, die in Regensburgs Straßen zu finden sind und deren Verwendung in München hitzig diskutiert wird, daran, wie wir mit unserer Vergangenheit in der Gegenwart umgehen.

Von Seiten der Gedenkstätte gibt es keine Bedenken, dass der Pächter zukünftig auf das Abbaugebiet des ehemaligen Konzentrationslagers zugreifen wird. Die Petition, die sich in weiten Teilen so liest, als ob sie von der Gedenkstättenleitung selbst verfasst wurde, hält Skriebeleit daher für bedenklich. Seine Vermutung: Der Antragsteller verfolge mit der Petition ganz andere Ziele, nämlich die Erhaltung des Bergs Wurmstein. Das sei grundsätzlich nicht verwerflich, wäre die Argumentation nicht moralisch bedenklich. „Die ehemaligen Häftlinge werden instrumentalisiert“, sagt Skriebeleit. Er bemängelt die falsche Zitierung von KZ-Überlebenden in der Petition oder eine Tafel mit Kreuzen und Inschrift, welche die Person vermutlich selbst vor dem Steinbruch aufgestellt habe. Die Art, wie die Petition um Zustimmung wirbt, ist für den Gedenkstättenleiter nur eines: geschmacklos.