Garching an der Alz
Missbrauch: Ex-Pfarrer aus Oberbayern aus Klerikerstand entlassen

13.06.2022 | Stand 15.09.2023, 4:53 Uhr

Bei der Pressekonferenz der Deutschen Bischofskonferenz werfen die Protagonisten Schatten bei der Vorstellung der Missbrauchsleitlinien der katholischen Kirche. −Symbolbild: dpa

Nach jahrzehntelangem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen ist der strafrechtlich verurteilte und über 20 Jahre in Garching an der Alz eingesetzter Priester Peter H. in den Laienstand zurückversetzt worden.



Das teilte das Bistum Essen, in das er vor zwei Jahren zurückbeordert worden ist, am Montag mit. H. hatte laut Bistum diesen Schritt selbst beantragt, nachdem ihm der Vatikan diese Option eröffnet hatte.

Der Fall des in den 1980er Jahren im Freistaat Bayern tätigen Priesters ist auch umfangreich Gegenstand im Missbrauchsgutachten der Erzdiözese München-Freising. Besonders brisant ist dabei die Rolle des früheren Münchner Erzbischofs Joseph Ratzinger, des heutigen emeritierten Papstes Benedikt XVI..

Zurückversetzung in den Laienstand

Mit dem Zurückversetzen in den Laienstand verliert der 75-Jährige seine kirchliche Altersbezüge, die mit einer Beamtenpension vergleichbar sind, und erhält nur noch eine deutlich geringere gesetzliche Rente. Wie ein Kirchenrechtler gegenüber der PNP erklärt, muss H. wohl von der Kirche in der gesetzlichen Rente nachversichert werden und erhält dann nur eine Mindestrente. Schon seit 2010 ist ihm die Ausübung kirchlicher Dienste verboten. Ein Sprecher des Münchner Erzbistums bestätigte, dass es sich um den einst auch in Bayern tätigen Priester H. handle. Der Fall gilt als symptomatisch für vieles, was in der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche falsch gelaufen ist.

Der Priester hatte laut Bistum Essen seit seiner Kaplanszeit in den 1970er Jahren zunächst in Bottrop und später in Essen in seinen Gemeinden Kinder sexuell missbraucht. Wegen der Missbrauchsvorwürfe war der Geistliche Anfang der 1980er Jahre nach Bayern ins Erzbistum München und Freising versetzt worden, um sich dort einer Therapie zu unterziehen. Dort war der Missbrauch an verschiedenen Stationen unter anderem bei München und Garching/Alz bei Altötting aber weitergegangen. Er sollte nach Missbrauchsfällen eine Therapie machen, wurde aber auch zur Seelsorgemithilfe in einer Münchner Pfarrei angewiesen.

Vom Dienst entpflichtet

Von September 1982 bis Anfang 1985 war H. zur Seelsorgemithilfe in Grafing tätig. Nach Bekanntwerden von Vorwürfen sexuellen Missbrauchs und der Aufnahme polizeilicher Ermittlungen wurde er mit Schreiben vom 29. Januar 1985 vom Dienst entpflichtet. Im Juni 1986 wurde Kaplan H. vom Amtsgericht Ebersberg wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger zu 18 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung und einer Geldstrafe in Höhe von 4000 Mark verurteilt. Die Bewährungszeit wurde auf fünf Jahre festgesetzt. Der Verurteilte wurde angewiesen, sich in eine Psychotherapie zu begeben. Ab November 1986 bis Oktober 1987 wurde H. als Kurat in einem Altenheim eingesetzt.

Anschließend war er bis September 2008 im Pfarrverband Engelsberg-Garching tätig. Am 6. Mai 2008 wurde Peter H. von seinen Aufgaben als Pfarradministrator in Garching entpflichtet und ab Oktober 2008 als Kur- und Tourismusseelsorger in Bad Tölz eingesetzt. Ihm wurde zur Auflage gemacht, dass er keine Kinder-, Jugend- und Ministrantenarbeit mehr machen dürfe. Daran gehalten soll er sich nicht immer haben. Ein auf Wunsch des neuen Erzbischofs Reinhard Marx erstelltes forensisches Gutachten rechtfertigte aus Sicht des Ordinariats nicht den Verbleib von H. in der Pfarrseelsorge.

Mindestens 28 Menschen betroffen

Insgesamt seien mutmaßlich mindestens 28 Menschen – in der Regel Kinder und Jugendliche – von den Missbrauchsfällen in Nordrhein-Westfalen und in Bayern betroffen, sagte ein Bistumssprecher in Essen. Gegen den Mann läuft weiterhin ein kirchenrechtliches Verfahren.

Das vom Münchner Erzbistum selbst in Auftrag gegebene Gutachten war zum Ergebnis gekommen, dass Fälle von sexuellem Missbrauch in der Diözese über Jahrzehnte nicht angemessen behandelt wurden. Es wirft den ehemaligen Erzbischöfen Friedrich Wetter und Ratzinger konkret und persönlich Fehlverhalten in mehreren Fällen vor. Auch dem aktuellen Erzbischof, Kardinal Reinhard Marx, wird formales Fehlverhalten in zwei Fällen vorgehalten.

2020 hatte Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck Peter H. von München zurück ins Ruhrbistum beordert, um durch eine engmaschige Führungsaufsicht möglichen weiteren Missbrauchstaten vorzubeugen. H. wohnt seither in Essen in einer Privatwohnung. Wenn der ausgeschiedene Geistliche nun nicht mehr zum Klerus gehöre, „werden diese Bemühungen in dem Umfang, wie es jetzt geschieht, auf Dauer nicht weitergeführt werden können. Das sehe ich nicht ohne Sorge“, schrieb Bischof Overbeck laut einer Mitteilung dem Vatikan.

Das Bistum Essen biete dem Mann die freiwillige Fortsetzung seines aufwendigen deliktorientierten Coachings auf Bistumskosten für zwölf Monate an, sagte der Interventionsbeauftragte des Bistums, Simon Friede. Er sei sich aber nicht sicher, ob der entlassene Priester dieses Angebot annehmen werde. Er unterliege jetzt nicht mehr der kirchlichen Weisungsbefugnis.

− hr/lby