Tiere
Möbel für anspruchsvolle Katzen

Evelyn Kroiß hat Vollholz-Kratzbäume entwickelt. Sie werden in Handarbeit hergestellt – und das Design ist preiswürdig.

30.03.2018 | Stand 16.09.2023, 6:12 Uhr

Für die Katze nur echtes Holz, kein PlastikFoto: Mymiu

Wer sein Leben mit Katzen teilt, der weiß: Ohne Kratzbaum geht es nicht. Denn die geliebte Samtpfote schärft die Krallen an den Lieblingsmöbelstücken, wenn sie keine andere Kratzmöglichkeit besitzt. Aber längst nicht jeder Kratzbaum gehört zum Lieblingsstück der Katze. Wackelt er und ist instabil, fühlt sich das Tier nicht wohl. Zudem werden viele Kratzbäume in die hinterste Ecke des Wohnzimmers verbannt – ganz einfach, weil sie nicht schön aussehen. Die Katze, die sich dort nicht gerne aufhält, straft das für sie erworbene Kratzmöbel mit Nichtachtung und vergreift sich lieber am Sofa.

Vom Schreiner gefertigt

Dieses Dilemma kennt Evelyn Kroiß, zweifache Katzenhalterin, nur zu gut. Lange war sie auf der Suche nach einem passenden Kratzbaum für ihre Lieblinge Pilou und Flinty, der das Gesamtbild ihres schön eingerichteten Wohnzimmers nicht stören sollte und auf dem sich ihre beiden Katzen pudelwohl fühlen sollten. Sie fand keinen. Und fing selber an zu tüfteln. Der Beginn einer tollen Geschäftsidee: Inzwischen besitzt die 36-Jährige aus Bischofsmais im Landkreis Regen ihr eigenes Unternehmen für Designer-Kratzbäume aus Vollholz namens „Mymiu“. Gefertigt werden sie in einer Schreinerei im Landkreis Deggendorf, denn alles an den Kratzmöbeln der besonderen Art ist regional. Überzeugt hat sie damit die kritischsten Kunden überhaupt: die Katzen.

Montagmorgen in der Schreinerei Hackl und Reiter nahe Osterhofen: Die Arbeiten laufen auf Hochtouren. Es riecht nach Holz und Lack. Maschinen surren, die Angestellten in weinroten Sweatshirts schauen konzentriert auf ihre Arbeit. Sie verständigen sich laut, denn die Maschinen machen Lärm. Das stört den eigentlichen Chef des Betriebs überhaupt nicht. Kater Fritz spaziert durch die Tür, dreht eine Runde in der Werkstatt und springt dann behände auf einen der Werktische, auf denen mit Teppich ausgelegte Holzscheiben aufgeschichtet sind. Auf so einer Scheibe lässt sich der einjährige Kater nieder und waltet seines Amtes: Er testet die Einzelteile der Kratzbäume für das Unternehmen „Mymiu“, die dort von Hand hergestellt werden.

Fritz mit den Werkstattpfoten

Fritz zog quasi zeitgleich ein, als sein Herrchen Christian Reiter, Teilhaber der Schreinerei, von Evelyn Kroiß den Auftrag bekam, die Teile für ihr Unternehmen zu fertigen, das ganz besondere Kratzbäume vertreibt. Plötzlich war er da: Fritz kam von selber, er ist Christian Reiter zugelaufen, hat es sich einfach in der Werkstatt gemütlich gemacht. Er durfte bleiben. Gerne nimmt Evelyn Kroiß ihn als Model her – obwohl er auf den Bildern für die Designer-Kratzbäume der einzige Kater ist mit nicht ganz sauberen Pfoten. Sie sind stets ein wenig grau. „Das sind seine Werkstattpfoten“, lacht die Erfinderin der Designer-Kratzbäume und krault den schmusigen weißen Burschen mit den roten Flecken im Fell liebevoll hinter den Ohren.

Katzen brauchen Stabilität

Die Auswahl reicht vom 65 Zentimeter kleinen Vollholzstamm mit Aussichtsplattform bis zum drei Meter langen Riesenbaum mit Deckenspanner, der sich für hohe Zimmer in Altbauwohnungen eignen. Insgesamt stehen 600 Kombimöglichkeiten zur Wahl. Anders als bei den Billigvarianten finden sich Pappe und Kunststoff in ihren Produkten nicht wider: „Katzen brauchen Stabilität, sonst nutzen sie das Möbelstück nicht. Ich habe mich daher entschieden, alles in Vollholz anzubieten.“ Die Hölzer sucht Christian Reiter mit Kennerblick aus. Sie müssen von hoher Qualität und ebenmäßig sein, damit sie nach dem Lackieren schön aussehen. Die Teile der Kratzbäume werden ausgeschnitten und gefräst, danach folgen viele Schritte per Hand: Das Bohren der Löcher und das Abschleifen der Kanten. Eine Arbeit, die dem Schreiner Spaß macht und mit der er nicht gerechnet hätte: „Manchmal fragen mich Kunden, was das für runde Teile sind. Wenn ich dann erkläre, das werden Kratzbäume, dann machen die Kunden oft große Augen.“

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Auch Evelyn Kroiß macht große Augen, wie sich ihr Geschäft entwickelte. Sie tüftelte viele Schritte ihrer Produkte selber aus: „Ich habe schon immer gern gebastelt.“ Die Kratzbäume aus Vollholz sind kostspieliger als die „Kollegen“ aus Plastik und Pappe, halten ihr zufolge aber viel länger und sind für Katzen wesentlich angenehmer: „Ich bekomme stets nur positive Rückmeldungen. Ich konnte auch die kritischsten Kunden überhaupt überzeugen, nämlich die Katzen selber“, erklärt die Erfinderin und scrollt auf ihrem Handy durch die Fotos, die Kunden ihr geschickt haben: Eine junge Tigerkatze in der kuscheligen Hängematte, einer der Renner der „Mymiu“-Kratzbäumen, ein gemütlicher getigerter Kater, der auf einer Plattform döst, und eine verspielte Siamkatze, die von oben durch einen Ausguck einer runden Komponente lugt und ganz offensichtlich jede Menge Spaß hat.

Im Februar konnte Kroiß ihr Geschäft um 300 Prozent im Vergleich zum Vorjahr steigern. Verkauft wird via Online-Shop, die Kunden sitzen in ganz Europa: „Besonders viel verkaufe ich in die Schweiz.“ Wichtig ist ihr, dass heimische, zertifizierte Hölzer verwendet werden. Die Kunden haben die Wahl zwischen verschiedenen Harthölzern, Lackierungen und rund 600 verschiedenen Varianten, wie das Kratzmöbel zusammengefügt werden kann. So ist Abwechslung garantiert. Die „Mymiu“-Kratzbäume gefällt aber nicht nur dem kritischen Kunden Katze, sondern auch vielen Zweibeinern. Deshalb hat Evelyn Kroiß für ihr Produkt bereits einen Design-Preis erhalten: den „Plus X Award“, und zwar als einziges Start-Up in einer Reihe von etablierten Marken wie Adidas und VW. Der Preis wurde in der höchsten Kategorie, „Most innovative Brand“, dem innovativsten Produkt, verliehen und gewann auch in der Kategorie Tiere. Werkstattkater Fritz bewacht stolz den Preis. Schließlich wurde jeder Kratzbaum von ihm persönlich für gut befunden.

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