Verbrechen
Poddighe: Polizei schließt die Akten

Vor sechs Jahren verschwand Anna Poddighe aus Amberg. Die Ermittlungen wurden nun formal beendet – mit einer Hypothese.

07.06.2018 | Stand 16.09.2023, 6:08 Uhr

Anna Poddighe war in Amberg bekannt und beliebt. Im Juni 2012 verschwand sie spurlos. Die Ermittler konnten das Rätsel bisher nicht lösen.Foto: Polizei

Die Polizei hat die Ermittlungsakten im Fall der vermissten Anna Poddighe aus Amberg geschlossen. „Derzeit haben wir keine neuen Ansätze mehr, denen wir noch nachgehen könnten“, teilte Oberstaatsanwalt Dr. Thomas Strohmeier am Donnerstag auf Nachfrage mit. Am 17. Juni jährt sich das Verschwinden der gebürtigen Italienerin zum sechsten Mal. Damals hatte ihr Lebensgefährte der Polizei berichtet, dass die 41-Jährige das Amberger Altstadtfest besuchten wollte und nicht mehr in die gemeinsame Wohnung zurückgekehrt sei. Die Ermittler gehen davon aus, dass Anna Poddighe einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist. „Unsere Arbeitshypothese ist ein Tötungsdelikt“, so Strohmeier. Doch um Klarheit zu erhalten, müsste die Leiche der Vermissten gefunden werden.

Für die Schwester ist es bitter, dass die Polizei zunächst nicht mehr weiterermitteln will. „Ich bin so enttäuscht“, sagte Daniela Poddighe unserer Zeitung. Sie sei nicht von der Polizei darüber informiert worden, dass zunächst keine weiteren Maßnahmen ergriffen werden, um Anna zu finden. Die Schwester ist sich sicher, dass der ehemalige Lebensgefährte mehr weiß, als er sagt. „Ich möchte wissen, wo er sich inzwischen aufhält, denn nur so kann die Wahrheit rauskommen“, sagt sie.

Enger Kontakt zur Familie

Die Ermittler stützen ihre Hypothese auf das unerklärliche Verhalten der Vermissten. Sie hatte einen engen Kontakt zu ihrer Familie, insbesondere zu ihrer Schwester. Täglich wurde telefoniert, man traf sich in der Stadt. Dass sie von heute auf morgen ohne sich zu verabschieden abtauchte und sich danach nie wieder bei ihren Angehörigen meldete, das passte nicht zu Anna Poddighe. „Für die Angehörigen ist das natürlich furchtbar, dass sie bis heute nicht wissen, was passiert ist“, sagt Strohmeier.

„An diesem Wochenende ist in Amberg das Altstadtfest und dann ist sie sechs Jahre weg“, sagt die Schwester. Dann kommt Daniela Poddighe wieder ins Grübeln. Bei ihrem letzten Telefonat hatte die 41-Jährige von einem Blues-Konzert ist der Schweiz erzählt, zu dem sie am Wochenende fahren wollte. Wie passte das mit dem Besuch des Altstadtfestes, von dem der Lebensgefährte gegenüber der Polizei sprach, zusammen?Die Geschwister stellten nach dem Verschwinden Unregelmäßigkeiten auf Annas Konto fest. Gab es einen Streit um Geld?„Die Polizei muss uns doch helfen, das endlich herauszufinden“, sagt Daniela Poddighe.

Dabei haben die Ermittler Vieles versucht. Mehrmals wurden Waldstücke bei Amberg durchsucht, in der Hoffnung Spuren zu finden.Zuletzt durchpflügten Hundertschaften im September 2016 ein Weihergebiet, auch Taucher waren im Einsatz.Doch Anna Poddighe bleibt wie vom Erdboden verschwunden. Damals gab sich Oberstaatsanwalt Strohmeier noch zuversichtlich, dass der Fall geklärt werden könnte. „Auch wir haben einen langen Atem“, betonte er. Nun müssen die Ermittler die Akten zunächst schließen, weil es nichts mehr gibt, was noch weiter zielführend untersucht werden könnte.

Damit wird Anna Poddighe zu einem sogenannten „Cold Case“, einem kalten Fall. Gemeint sind jene Ermittlungen, die zwar formal abgeschlossen wurden, aber weiterhin einer regelmäßigen Überprüfung unterzogen werden. In den vergangenen Jahren wurden durch neue technische Möglichkeiten bei der Spurenauswertung eine Reihe von Altfällen aufgeklärt. Darunter auch der Mord an einer 18-Jährigen im niederbayerischen Regen. Sie war nach einem Diskobesuch mit einer Schneestange erschlagen worden. Der Mörder, ein Familienvater, konnte 15 Jahre später durch einen DNA-Massentest ermittelt werden.

In einem Video bat Daniela Poddighe vor zwei Jahren um Hinweise und Unterstützung:

Einige Bundesländer rollen inzwischen auch mit sogenannten Cold-Case-Einheiten ungeklärte Verbrechen neu auf. In München gibt es ein Team, das sich auf das Finden von DNA-Partikeln spezialisiert hat. Der Chef des hessischen Landeskriminalamtes, Martin Heise, sagte kürzlich in einem Gespräch mit dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, dass ein Rechtsstaat nicht hinnehmen dürfe, dass ein Verbrechen wie Mord ungesühnt bleibe. Das betont auch der Amberger Oberstaatsanwalt Strohmeier. „Wir alle möchten wissen, was mit Anna Poddighe geschehen ist. Aber momentan kommen wir mit dem, was wir haben, nicht mehr weiter. Das heißt nicht, dass wir aufgeben.“

Lesen Sie hier ein Interview mit einer Regensburger Psychotherapeutin über das Leid der Angehörigen bei ungeklärten Verbrechen.

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