Medizin
Regensburger Forscher wollen ALS heilen

Team um Professor Ulrich Bogdahn vom Uniklinikum erhält Forschungsgelder, um Wirkstoff zur Neubildung von Nervenzellen zu entwickeln.

29.04.2014 | Stand 16.09.2023, 7:15 Uhr

Stephen Hawking ist der wohl berühmteste ALS-Betroffene.Foto: dpa

Ein Projekt am Universitätsklinikum Regensburg zur Forschung nach Behandlungsmethoden für die bislang unheilbare Erkrankung ALS (Amyotropher Lateralsklerose) wurde im GO-Bio-Wettbewerb des Bundesministeriums für Bildung und Forschung ausgewählt und mit einer Fördersumme von vier Millionen Euro ausgestattet. Das Team um Professor Dr. Ulrich Bogdahn, Inhaber des Lehrstuhls für Neurologie der Universität Regensburg und Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie am medbo Bezirksklinikum Regensburg, erforscht einen Wirkstoff, der den krankheitsbedingten Verfall der motorischen Neuronen eindämmen oder bestenfalls sogar stoppen soll, um den Patienten wieder ein möglichst normales Leben zu ermöglichen. Derzeit beträgt die Lebenserwartung nach der Diagnose nur ein bis drei Jahre.

Unaufhaltsame Lähmungen

Stephen Hawking ist der wohl berühmteste ALS-Betroffene, eine der schwersten neurodegenerativen Erkrankungen. Bei ALS werden die für die Muskelbewegungen verantwortlichen Nervenzellen fortschreitend und irreversibel geschädigt oder schwinden ganz. In Folge dessen kommt es bei den Patienten unaufhaltsam zu Lähmungen der Körpermuskulatur. Die Wahrscheinlichkeit, an ALS zu erkranken, liegt mit 1:400 in etwa ähnlich hoch wie bei Multiple Sklerose (MS), so Tim-Henrik Bruun, der als Projektmanager die ALS-Forschung unter Prof. Bogdahn betreut. Aufgrund der sehr verkürzten Lebenserwartung der ALS-Patienten gäbe es aber weltweit nach WHO-Studien nur etwa rund 60 000 bis 80 000 Fälle, davon rund 28 500 Patienten in der EU. Die Patienten sind bei Ausbruch der Krankheit im Schnitt etwa um die 40 Jahre alt.

Die molekularen Ursachen der ALS sind vielfältig, eine große Anzahl relevanter Gen-Mutationen sind inzwischen bekannt und tragen immer weiter zum Verständnis der Erkrankung bei. Wann und welche Symptome bei jedem einzelnen Betroffenen auftreten, kann aber noch nicht exakt vorhergesagt werden. Eine wirksame ursächliche Therapie gibt es bisher noch nicht. Genau hier setzt die Gruppe von Regensburger Ärzten und Wissenschaftlern an. Das Team um Prof. Bogdahn hat ein Projekt zur Therapieentwicklung bei derartigen neurodegenerativen Erkrankungen entwickelt. Damit konnte sich Bogdahn gegen 106 Bewerber bei den Deutschen Biotechnologietagen in Hamburg als einer von insgesamt fünf Preisträgern des GO-Bio Wettbewerbes (Phase I) durchsetzen. Mit den knapp vier Millionen Euro Förderungssumme kann nun die Umsetzung des Projektes starten.

In gut zwei Jahren klinische Tests

Durch einen innovativen Wirkstoff soll die Neubildung von Nervenzellen gezielt wieder reaktiviert werden. „Bei Menschen mit neurodegenerativen Erkrankungen ist die Konzentration des TGFß-Moleküls erhöht. Ein Übermaß davon hemmt die Fähigkeit des Zentralen Nervensystems, sich zu regenerieren und neue Nervenzellen hervorzubringen. Diesen natürlichen Kompensationsmechanismus wollen wir reaktivieren“, erläutert Professor Bogdahn das Projektziel.

In der ersten Phase wird ein Wirkstoff entwickelt, der anschließend in einer klinischen Studie getestet werden soll. Zudem werden Biomarker identifiziert, die der späteren Patientensicherheit dienen sollen sowie bestimmte Rückschlüsse auf die Wirkung des Präparates zulassen. Aus diesen Indikatoren sind auch umfassende Erkenntnisse über die Krankheit selbst und ihre molekularen, zellulären und funktionellen Mechanismen zu erwarten. In der zweiten Phase sind die klinische Prüfung des Wirkstoffs und die Gründung von „CampoNeuro Pharma“ als Biotechnologie-Unternehmen geplant. Dieses soll langfristig den Wirkstoff herstellen und möglicherweise auch vertreiben. Die klinische Studie soll nach den Worten von Bruun in zweieinhalb Jahren beginnen. Dann können die ersten ALS-Patienten den Wirkstoff testen.(ig)