Mundart
So sah Mundartdichter Ehbauer die Welt

Das Original veröffentlichte 1922 die „Baierische Weltgschicht“. Nun gibt es eine farbig illustrierte sechste Auflage.

06.10.2019 | Stand 16.09.2023, 5:29 Uhr
Marion Lanzl

Wenn man Michl Ehbauer senior zu seinem Werdegang fragte, meinte er stets: „In Amberg geborn’ – in München was word’n.“ Foto: Familienarchiv Ehbauer

Michl Ehbauers Weg zum Mundartdichter war so ungewöhnlich wie erfolgreich. Zunächst deutete nichts darauf hin. Den 1899 in Amberg Geborenen hielt bereits 1914 in seiner Heimatstadt nichts mehr – es zog ihn in die „Traumstadt seines Lebens“, nach München. Hier hielt er sich zunächst als „Kegelbua“ in den typischen Kegelbahnen der damaligen Gasthäuser über Wasser, wo er die abgeräumten Kegel wieder aufstellte. Danach wurde er Helfer bei einem Signalhornbauer, später Kaufmannslehrling und Dekorationsmalergehilfe. „Das hat ihm aber nicht so gefallen, denn er sollte streichen statt künstlerisch etwas erschaffen“, erklärt seine Enkelin Daniela, die das Vermächtnis des viel zu früh verstorbenen Großvaters hütet. Beruflich hat er es nach Kriegsdienst, Feldlazarett und Schreibdienst schließlich bis zum Inspektor bei der Bundesbahn gebracht und so ganz nebenbei seine „Begabung für die gebundene Redeform“ zur wahren Kunst entwickelt.

Ein Original der Münchner Szene

Ehbauer brillierte bei den legendären Krügelreden bei der Faschingsgesellschaft Narrhalla und beim Nockherberg-Starkbieranstich, schrieb Einakter und Hörspiele und war der Münchner Faschingsprinz. Zusammen mit Karl Peuckert alias Xaverius und Ambrosius, waren die „Münchner Frauenturmgespräche“ stets Höhepunkt beim Starkbieranstich der „Damischen Ritter“. Sehr zur Freude aller sinnierten und analysierten die beiden mit scharfer Zunge das Zeitgeschehen und „derbleckten“ dabei Alles und Jeden. Ehbauer war mit Karl Valentin und Weiß Ferdl bekannt, stand mit Lisl Karlstatt auf der Bühne und war überregional als Mundartdichter, Redner und Humorist bekannt. Auch mit unzähligen Rundfunkauftritten wurde er populär und war eine echte Größe und ein Original in der Münchner Szene seiner Zeit.

Mit großem Enthusiasmus hat er an seiner originellen Weltgeschichte gearbeitet und musste doch, mit 65 Jahren, viel zu früh gehen, noch ehe er seine Version der biblischen Geschichte zu Ende schreiben konnte. Dass die Baierische Weltgschicht doch noch eine „runde“ Sache wurde, ist seinem Sohn, dem Arzt Michael Ehbauer junior, zu verdanken. „Das war auch so vom Opa gewünscht, dass es sein Sohn mal weiterschreibt“, erklärt Enkelin Daniela überzeugend.

Der hatte anfangs gar nichts am Hut mit der Dichtkunst und kam erst sehr spät, durch einen Nikolausauftritt, auf den Geschmack. 1925 hatte der Vater das „Erste Trumm“ des bayerischen Alten Testamentes „Von Herrgott, Kain und Abel bis Sodoma und Babel“ geschrieben. Vier Jahre später hatte er „Von Erstgeburt durch Not und Schand zur Einfahrt ins gelobte Land“, das „Zweite Trumm“ in der Bayerischen Literatur verewigt. 1988 setzte der Sohn als spätberufener Dichter dem Vater ein Denkmal – mit dem „Dritten Trumm“, das das Neue Testament beinhaltet. Die Fortsetzung war aus den hinterlassenen Fragmenten des Vaters entstanden. Das ebenso imposante wie amüsante Gesamtwerk aus dem Regenstaufer SüdOst-Verlag bringt auf stolzen 300 Seiten die einzig wahre – nämlich durch und durch bairische – Weltgeschichte samt Sündenfall auch der Generation 2.0 nah.

Den feinen Witz atmet jeder Vers und man ahnt die sensible, ja fast melancholische Seite des populären Unterhalters. So feinsinnig hat er auch das Grundübel der Schöpfung erkannt: Als Gott den Menschen schuf, damit er sich um sein Werk kümmern sollte, hatte er ihm leider die falsche Ausstattung verpasst. „Oa Viech war halt dem andern neidi; Net lang hat’s dauert, scho werns streiti und’s Stärkere packt dees Schwächere o’ und zerreißts und frißts!“. Der Herrgott schaut, so Ehbauer weiter, „a Zeitlang zua, dann sagt er: ‚Is iatz bald a Ruah?‘“ Und baut sich einen Stammensch, „an gscheiten, der kann sich später selbn verbreiten.“ Gesagt, getan, „damit es aufhört mit der Viecherei sagt Gott dazu noch schnell ,Es sei!‘ Und so is’s kemma, aber leider: Der Mensch war gscheit und do net gscheiter. Die Viecher hat er so dressiert, dass ihn koa Wildkatz mehr geniert. Er selber, er bleibt ungezähmt, drum wird er manchmal unverschämt und geht sogar no über Leichen, wenns sei’ muaß, über seinesgleichen. Der Mensch hat sich vom Mensch entfernt und vo de Viecher ’s Raufa glernt.“

Sonderausgabe:Original:
Mundartdichter Michl Ehbauer wäre in diesem Jahr 120 Jahre alt geworden. Zugleich bringt der Regenstaufer SüdOst-Verlag seine „Baierische Weltgschicht“ neu heraus: Die Landshuter Grafikerin und Illustratorin Heidi Eichner hat die Ausgabe gestaltet.Das Buch ist unter anderem im Mittelbayerische Shop erhältlich.Ehbauer brachte die biblische Geschichte der Welt in Versform und baierischer Mundart ab 1922 heraus. Das „Erste Trumm“ und das „Zweite Trumm“ stammen aus seiner Feder, das „Dritte Trumm“ schrieb sein Sohn nach seinem Tod mithilfe seiner Fragmente.

„Is iatz bald a Ruah!?“

So einfach und unverblümt die fast hundert Jahre alten Verse auch in der Mundart daherkommen, so trifft die Beschreibung auch heute in erschreckender Weise auf die Menschheit zu: „Seit dera Zeit gibts Kriag mit Tote und heut’ is’ es no stark in Mode. Warum schaugt da der Herrgott zua und sagt net: ,Is iatz bald a Ruah!?‘ Weil er statt den Instinkt zum Lebn dem Menschen an Verstand hat gebn. Mit dem er forscht, entdeckt, erfindet, sich selber seine Reiche gründet. Doch was er schafft mit viel Tamtam, haut er sich selber wieder zsamm.“

Dem Leser zaubern die herzerwärmende, aber versierte Mundart und die urkomischen Interpretationen der Welterschaffung unweigerlich ein Schmunzeln ins Gesicht. Mit diesem Buch leben Vater und Sohn Ehbauer auf ewig weiter. Die Frohnatur und das Verslschreiben lag beiden im Blut und des Seniors Wunsch, „in meinem Sohn möcht ich erhalten bleiben“, ist damit in doppelter Hinsicht wahr geworden.

Seine Enkelin sagt: „Meine Oma, Mama und ich waren sehr bewegt, als wir von der Idee hörten, die ,Baierische Weltgschicht‘ als illustrierte Ausgabe herauszubringen. Dieses Jahr würde mein Opa seinen 120. Geburtstag feiern, ich durfte ihn leider nicht kennenlernen, da ich erst 16 Jahre nach seinem Tod geboren wurde. Ein Mensch ist aber so lange nicht von uns gegangen, wie wir uns an ihn erinnern. Durch sein literarisches Vermächtnis ist mein Opa für mich sogar greifbar, nur ein paar Schritte entfernt im Bücherregal.“ Zum Glück auch für alle, die sich dieses geniale Werk nicht entgehen lassen wollen.

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