Frauengeschichten
Vorkämpferin für die Universität

Johanna Dachs brachte als Stadträtin und Gründerin eines Frauenarbeitskreises viele Projekte auf den Weg – auch die Gründung der Uni Regensburg.

12.01.2014 | Stand 16.09.2023, 7:15 Uhr
Tanja Rexhepaj

Professor Dr. Eberhard Dünninger erlebte Johanna Dachs „wie eine ältere Schwester meiner Mutter“. Fotos: Gabi Schönberger

Durch die Gläser ihrer Nickelbrille hindurch blickt Johanna Dachs entschlossen nach vorne. Ihr ganzes Erscheinungsbild drückt Mut und Durchsetzungswillen aus. „Persönlich schätze ich sehr, dass meine Mutter eine höchst entschiedene Frau gewesen war, die zu ihrer Meinung gestanden hat“, sagte Karl Dachs in einem Interview vor zwei Jahren. Johanna Dachs’ Sohn wohnt heute in München; in den 1950er Jahren, als sich seine Mutter unermüdlich für die Gründung einer Universität in Regensburg eingesetzt hatte, lebte die Familie in Kumpfmühl, im Hofgartenweg 3. In unmittelbarer Nachbarschaft, in der Brunhildstraße 6, wohnte damals Familie Dünninger. Professor Dr. Eberhard Dünninger erlebte Johanna Dachs „wie eine ältere Schwester meiner Mutter“. Die Professorenfamilie Dünninger und die Professorenfamilie Dachs – Vater Hans, Mutter Johanna und die beiden Söhne Hans und Karl – beide verband die Liebe zu Regensburg sowie manche Leidenschaft: Gemeinsam mit Eberhard Dünningers Vater Josef gründete Johanna Dachs 1953 den Regensburger Filmclub. „Mein Schulfreund Albert von Schirnding und ich haben die Karten verkauft und die Plätze angewiesen“, erzählt Eberhard Dünninger.

Motor hinter den Professoren

An diesem klaren Januarmorgen steht er auf dem Gehweg vor dem Haus in der Hofgartenweg 3. Auch heute noch werde Johanna Dachs’ Wirken vollkommen unterbewertet, sagt Dünninger. „Das Aushängeschild waren immer die Professoren, doch der Motor dahinter – das war Hanna Dachs“, sagt der 79-jährige ehemalige Generaldirektor der Bayerischen Staatlichen Bibliotheken. Im Filmclub sei es auch so gewesen: „Mein Vater, Prof. Dr. Josef Dünninger, war zwar Vorsitzender, aber der Motor war auch hier Hanna Dachs.“ Von Filmverboten, wie dem des legendären Streifens „Die Sünderin“ mit Hildegard Knef aus dem Jahr 1951, hielt Johanna Dachs nichts. Ebenso wenig von anderen Verboten: Als sie 1948 als CSU-Stadträtin gegen ein Tanzverbot in der Fastenzeit und damit gegen das Votum ihrer eigenen Fraktion stimmte, wurde sie als „Hure“ und „Furie“ beschimpft. „Sie wurde regelrecht aus dem Stadtrat rausgeekelt“, sagte Dünninger.

Für Johanna Dachs kein Grund, ihr politisches Wirken aufzugeben. Auch oder gerade erst außerparlamentarisch erreichte sie ihr großes Ziel: die Gründung einer Universität. Dass ihr Wissenschaft und Bildung so sehr am Herzen lagen, hat viel mit ihrer eigenen Bildungsgeschichte zu tun: Johanna Dachs wurde 1900 als erste Tochter von Leopold Kurz, einem königlichen Bauamtmann, in Weiden geboren. Der Vater legte großen Wert darauf, dass seine Tochter eine gute Ausbildung erhielt. So besuchte Johanna Kurz das Institut der Englischen Fräulein, heute St.-Mariengymnasium, wo sie 1920 ein glänzendes Abitur ablegte. Zu ihren Mitschülerinnen zählte die spätere Schriftstellerin Marieluise Fleißer. Die Freundschaft zueinander verband die beiden Frauen ein Leben lang – Johanna riskierte zu Zeiten des nationalsozialistischen Regimes einiges, als sie verbotene Manuskripte von Fleißer bei sich zu Hause versteckte.

Nach ihrem Abitur nahm Johanna Kurz ein Maschinenbaustudium an der TU München auf. Doch bereits nach dem ersten Semester brach sie das Studium ab – ihr ehemaliger Lehrer bei den Englischen Fräulein, Hans Dachs, in den sie sich bereits als Schülerin verliebt hatte, machte ihr einen Heiratsantrag. Die beiden gaben sich am 25. April 1921 das Ja-Wort. Ihr erstes Kind, eine Tochter wurde im Jahr darauf geboren, doch es starb kurz nach der Geburt. Trotz dieses Schicksalsschlags erlebten beide ihre Ehe zeitlebens als harmonisch. 1927 kam der älteste Sohn Hans zur Welt, 1929 sein jüngerer Bruder Karl.

Einsatz für Schulkreuze

Obwohl Johanna Dachs sehr viel Zeit und Kraft in die Erziehung und Bildung ihrer Söhne steckte und ihrem Mann Hans beruflich stets den Rücken freihielt, schaffte sie sich Freiräume, um selbst zum öffentlichen Wohl aktiv zu werden. Übrigens sehr zur Freude ihres Mannes, der seine emanzipierte Frau aufrichtig schätzte und stolz auf sie war. Sogar dann, als ihr Protest gemeinsam mit rund 200 weiteren Frauen gegen die Abhängung der Kruzifixe in den Klassenzimmern im Jahr 1941 erfolgreich war und die Schulkreuze wieder aufgehängt werden mussten. Hans Dachs, der ohnehin gegen die Nazi-Machthaber eingestellt war, verlor infolgedessen seinen Posten als außerordentlicher Professor an der Philosophisch-Theologischen Hochschule und wurde ans Neue Gymnasium versetzt.

Von 1947 an verfasste Johanna Dachs zahlreiche Schriftstücke, Artikel und Petitionen, die alle zum Ziel hatten, Regensburg zur Universitätsstadt zu machen. Sie gründete eine Arbeitsgemeinschaft Regensburger Elternbeiräte, schrieb offene Briefe an den Bayerischen Landtag. Sie überzeugte andere Verbände und Vereine, zum Beispiel den Historischen Verein für die Oberpfalz und Regensburg sich ihren Bestrebungen anzuschließen. Im Juli 1962 wurde die Gründung einer Regensburger Universität beschlossen. Zwei Monate vorher hatte Johanna Dachs einen Aufsatz veröffentlicht, in dem sie schreibt: „Es hat sich gezeigt, dass in der Politik zwar Menschen und Konstellationen kommen und gehen, dass aber Ideen, die richtig sind, auf Dauer nicht erstickt werden können.“ Damit hat sie recht behalten.