Verkehrsmittel Wie umweltfreundlich ist die Bahn?
Die Züge in Ostbayern beherrschen einige Tricks, um klimaschonend zu fahren. Doch was bringt‘s? Wir machen den Check.

Regensburg.Ökostrom, gute Klimabilanz, besser als das Auto: Bahnunternehmen behaupten gern von sich, besonders umweltfreundlich unterwegs zu sein. Wie sieht das in der Oberpfalz aus? Wo hat der Zug die Nase vorn? Und wo besteht Nachholbedarf? Außerdem vergleichen wir auf zwei Pendlerstrecken Auto und Zug: Wer verbraucht wie viel?
Bahn vs. Auto im Klimavergleich
Zuerst blicken wir auf die Öko-Bilanz. Dazu haben wir auf zwei typischen Pendlerstrecken zwischen Auto und Zug verglichen: Regensburg-Neumarkt und Regensburg-Schwandorf. Es treten an: Auto (Mittelklasse, Benzin, Euro 5, eine Person) gegen einen durchschnittlich ausgelasteten Regionalzug. Gerechnet wird der Verbrauch pro Kopf. Die Zahlen beruhen auf einem Umwelt-Rechner der DB.
Regensburg-Neumarkt
Zwischen Regensburg und Neumarkt tritt das Auto (71 km) gegen einen Elektro-Zug (64 km) an. Dabei produziert die Bahn eine Kohlendioxidäquivalente (CO2-e) von drei Kilo – also schädliche Treibhausgase im „Wert“ von drei Kilo CO2. Beim Auto sind es fast fünfmal so viele. Auch bei gesundheitsschädlichen Stickoxiden und Feinstaub gewinnt der Zug. Da er elektrisch fährt, fällt nur das an, was bei der Stromerzeugung entsteht. Die Bahn gewinnt also deutlich.
Regensburg-Schwandorf
Auto und Zug haben von Regensburg nach Schwandorf 42 Kilometer zu bewältigen. Die Bahn ist hier mit Diesel unterwegs. Der Zug stößt pro Person 3,5 Kilo CO2-e aus, das Auto 8,7 Kilo. Beim Feinstaub schneidet das Auto mit 0,3 Gramm etwas besser als der Zug ab (0,5 g) ab. Zudem fallen beim Zug mit 29,8 Gramm sechsmal so viele Stickoxide an. Hier gilt aber Vorsicht: Wer mit einem Dieselauto unterwegs ist, stößt wiederum mehr Stickoxide aus als die Diesel-Bahn. Der Zug ist also die umweltfreundlichere Variante, hat aber noch Frischluft nach oben.
Die Ergebnisse des DB-Rechners seien zum Vergleich geeignet, sagt Wolfram Knörr, der für das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg ähnliche Berechnungen anstellt. Man müsse nur bedenken, dass es sich um bundesweite Durchschnittswerte handle. Heißt: Die einzelnen Halte des Zugs und der genaue Streckenverlauf seien nicht berücksichtigt. Trotzdem: „Das sind Zahlen, die auch bei uns rauskommen würden“, sagt Knörr.
Wie grün ist der Bahnstrom?
Selbst wenn ein Zug mit Strom fährt, ist er nicht automatisch CO2-frei unterwegs. Entscheidend ist, wie die benötigte Energie entstanden ist. Die DB setzt im Elektrobetrieb derzeit nach eigenen Angaben zu 60 Prozent auf Ökostrom. Der Rest ist Kohle-, Kern- und Gasenergie. 2020 erst ging das Kohlekraftwerk Datteln 4 in Betrieb , von dem die DB große Mengen Strom bezieht. Ab 2038 will die DB komplett auf „schmutzigen“ Strom verzichten.

Fahrgäste im Fernverkehr seien rechnerisch laut DB schon jetzt immer mit Grünstrom unterwegs. Die Bahn schlägt ihre erneuerbaren Energien also vorrangig ICEs und Co. zu. Im Umkehrschluss heißt das: Für den Nahverkehr bleibt von den 60 Prozent Ökostrom weniger übrig. Genaue Zahlen will die DB nicht nennen. Die in der Oberpfalz verkehrenden Privatbahnen Agilis und Alex erklären auf Anfrage, zu jeweils etwa 50 Prozent Ökostrom zu nutzen.
Wie sparen Züge außerdem Energie?
Gang raus und Auto möglichst lange rollen lassen – machen Sie das auch manchmal? Das und noch viel mehr geht auch mit der Bahn – und spart viel Energie. Alle hiesigen Regio-Bahnen (DB, Agilis, Alex, Oberpfalzbahn) bestätigen auf Nachfrage, dass sie Software einsetzen, die eine effiziente Fahrt ermöglicht. Der Lokführer erhält in Echtzeit Hinweise, wann er am besten beschleunigt und laufen lässt, beschreibt etwa Agilis. Bei flacher Strecke können Züge über viele Kilometer ausrollen. Bis zu zehn Prozent Energie ließe sich so einsparen, berichten DB und Agilis.
Sogar beim Anhalten sparen moderne Elektrozüge Strom. Wenn der Zug bremst, entsteht dabei Energie. Die kann der Zug speichern. Im Regionalverkehr schafft es die DB damit, 21 Prozent der Energie für die Zugfahrt aus recycelter Bremsenergie zu ziehen.
Der Bremsvorgang bei modernen Elektrotriebzügen funktioniert ähnlich wie das Bremsen eines älteren Autos über den Motor. Nur haben moderne Züge (und übrigens auch E-Autos) den Vorteil, dass sie den Elektromotor beim Bremsen als Generator verwenden können. Der zieht, wenn er aktiviert wird, Energie aus der Bewegung der Räder. Dabei entsteht ein Widerstand, der wiederum dafür sorgt, dass das Fahrzeug langsamer wird. Die Energie wird dann zurück in die Oberleitung gespeist.
Wie kann die Bahn noch ökologischer werden?
Umwelttechnisch sind in der Oberpfalz vor allem die vielen Dieselstrecken für die Bahn ein Problem. Rund die Hälfte des Schienennetzes im Freistaat ist nicht elektrifiziert – weniger als der Bundesdurchschnitt. Dabei gibt es inzwischen etliche Ansätze zum Verzicht auf fossile Treibstoffe. Schleswig-Holstein will ab 2022 zahlreiche Dieselfahrzeuge durch Akkutriebzüge ersetzen. Außerdem hoch im Kurs: Wasserstoffzüge. Die wünschte sich kürzlich erst der Landtagsabgeordnete Tobias Gotthardt (Freie Wähler) für die Region Cham . In vier Jahren sollen rund um Mühldorf in Oberbayern erste Bahnen im Freistaat mit dieser Technik fahren, plant die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG).
Auch die DB arbeitet daran, ihrer Dieselflotte das Verschmutzen abzugewöhnen. Lokomotiven auf Sylt und ein zum Versuchslabor umgebauter Ex-ICE werden aktuell mit „Öko-Diesel“ aus aufbereiteten Abfallstoffen betrieben. Der CO2-Ausstoß des Zugs reduziere sich um bis zu 90 Prozent, behauptet die DB.
Doch nutzen all die Wunderwaffen den Oberpfälzern nur etwas, wenn sie auch vor der eigenen Haustür eingesetzt würden. Wasserstoffzüge seien derzeit fürs Oberpfalznetz nicht geeignet, sagt die BEG. Sie würden zu langsam beschleunigen. Für Batteriebahnen seien die nicht verstromten Abschnitte noch zu lang, es gibt zu wenig Aufladestellen.
Alternativ könnten einige Dieselstrecken aber elektrifiziert werden. Für die Route Regensburg-Hof läuft die Planung , Nürnberg-Schwandorf-Furth im Wald soll folgen. Einen Zeitrahmen will die DB nicht nennen, es wird aber vermutlich noch etliche Jahre dauern. Wenn es soweit sei, ginge auf den Nebenstrecken auch ein Akkubetrieb, schreibt die BEG.
Für Bahnfahrer heißt das insgesamt: Wer Zug statt Auto fährt, schützt das Klima – auch in der Oberpfalz. Um aber wirklich klimaneutral zu fahren, sind noch wichtige Schritte nötig, allen voran der Verzicht auf fossile Brennstoffe. Möglich wäre es jedenfalls.
Wir beleuchten die Situation der Bahn
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Projekt:
Die Bahn nimmt eine Schlüsselrolle bei der Verkehrswende ein. Deshalb schaut die Redaktion in einer mehrteiligen Serie zum Thema Bahn genauer hin: Was ist Stand der Dinge? Wo sind Probleme, was sind Chancen und wo geht die Reise in Zukunft hin?
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Themen:
Konkret gibt ein Experte Tipps zum Thema Sicheres Bahnfahren in Coronazeiten, wir hinterfragen die Fahrpreise, gehen auf Sorgen und Wünsche der Pendler ein und beleuchten den Stand der Dinge in Bezug auf Barrierefreiheit sowie Umweltschutz. Wir suchen Ziele in Ostbayern, die schon jetzt gut erreichbar sind, blicken aber auch in die Zukunft – welche Projekte sind nötig, was davon ist schon geplant?
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Mitwirkende:
Sandra Adler, Anna Jopp, Steffi Kraus, Isabel Pogner, Sophia Bösl, Franziska Sandig, Magdalena Hechtel, Isabelle Lemberger, Anna Heidenreich, Philip Hell, Johannes Hirschlach, Philipp Breu, Benjamin Weigl, Luis Münch
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