MZ-Serie
„Zum Essen gibt’s heit Ingreisch“

MZ-Leser fragen, Dialektforscher Zehetner antwortet: Diesmal geht es etwa um ein Gericht und den „Schoaß im Finstern“.

26.08.2016 | Stand 26.08.2016, 10:34 Uhr

Ein leerer Teller – viel Platz für „Ingreisch“. Foto: dpa

Des Radl is no pfenningguad.

In der Sprache haben alte Münzbezeichnungen überlebt: Taler, Heller, Kreuzer, Groschen, Pfennig. Den Ausdruck „auf Heller und Pfennig“ kennt man in ganz Deutschland. Bei uns sagte man früher, vor allem zu Kindern: „Tu deine Kreuzerln schön sparen.“ Und trotz Euro und Cent wird die Qualitätsangabe „pfenninggut“ weiter Verwendung finden in der Bedeutung: noch einwandfrei, gut brauchbar, wenngleich benutzt. Als „pfeningguad“ empfiehlt der Verkäufer ein zwar leicht angerostetes, aber funktionstüchtiges Fahrrad, und der Mann protestiert dagegen, dass seine Frau den Mantel zur Altkleidersammlung geben will: „Der is do no pfenningguad. Den duast mir ned wegga!“ Die hochsprachliche Form lautet zwar „Pfennig“, umgangssprachlich aber endet das Wort auf „-ing“ – wie auch die früheren österreichischen und britischen Münzeinheiten „Schilling, shilling“. In diese Reihe fügt sich ebenfalls unsere Bezeichnung für die 2-Cent- und früher für die 2-Pfennig-Münze; wir nennen sie „Zwoaring (= Zweiering)“.

Diese Auskunft wünschte Ruth Königsberger.

Klamper, Klampferl, Klampfe

Die Redensart „einem ein Klàmperl (oder Klàmpferl) anhängen“ ist kaum mehr bekannt. So sagte man, wenn jemand mit einem unehrenhaften Spitznamen belegt wurde. In J. A. Schmellers Wörterbuch steht der Ausdruck „Einem ein Klämperlein anhenken – etwas Übles von ihm reden, oder auch: ihn zu Schaden bringen“ (Band I, Spalte 1330). An sich bedeutet bairisch „Klamper“ nichts anderes als Klammer, Klemme. Familiennamen wie Klamperer, Klemperer leiten sich davon her als alte Bezeichnungen für den Spengler, Blechschmied, Installateur, außerhalb Bayerns Klempner genannt. – Wie kam es dazu, dass mit „Klàmpfe“ auch Musikinstrumente wie Zither oder Gitarre gemeint sein können? Es ist wohl auszugehen von dem lautmalerischen Verb „klàmpfern“, gleichbedeutend mit „klimpern“. Der Titel eines bekannten Liederbuchs ist „Klampfn Toni“ (Erstauflage 1915, neu herausgegebenen von Christoph Well 1996).

Die alte Redensart lieferte Harald Beck.

„Wej da Onkl Schoos umkeit hot.“

Im 14. Jahrhundert schiebt sich der Aspekt der Gewalt mehr und mehr in den Vordergrund: aufs Kreuz legen, vergewaltigen, schänden, misshandeln, quälen. Noch bis ins 19. Jahrhundert hinein hatte „keien“ einen anrüchigen Beigeschmack. Von der Bedeutung „Beischlaf gewaltsam erzwingen, flach legen, hinwerfen“ ist schließlich einfach „werfen“ übrig geblieben. Heute wird das Wort ohne negative Konnotation verwendet. Man hört: „Des Glump derfst wegga keia. Kei ’s ins Eck hintri!“, oder beim Kartenspielen „Wer keit aus?“ Eine Erzählung in den „Minikinera Gschichtn“ von Franz Xaver Judenmann (aus Mintraching, Landkreis Regensburg) trägt den Titel: „Wej da Onkl Schoos umkeit hot“ – wie der Onkel Georg (mit seinem Fahrzeug) umgeworfen hat. – In und um Regensburg gibt es die Spielart „keilen“ – wohl deshalb, weil man meint, es habe etwas mit „Keil“ zu tun. Wer würde schon vermuten, dass es mit „heiern, heiraten“ zusammenhängt? Wie schade, dass derlei mundartliche Ausdrücke, die der Hochsprache fern stehen, immer seltener werden. Doch wenn jemand neben dem Schriftdeutschen auch einen Dialekt beherrscht, so ist dies ein Privileg, eine Zusatzqualifikation, eine Bereicherung – keinesfalls eine Behinderung, Handicap.

Die Frage stellte Gertraud Kellner aus Thalmassing.

Zum Essen gibt’s heit Ingreisch.

„Zum Essen gibt’s heit Ingreisch“, kündet die Hausfrau an, während sie dabei ist, eine Art Ragoût zuzubereiten, enthaltend Leber, Magen, eventuell auch Kopf, Kragen, Flügel beziehungsweise Vorderläufe von Ente, Gans oder Hase, gegebenenfalls das bei der Schlachtung aufgefangene Blut. So eine Speise kennen wir auch als „Jung“. Als „Gansjung“ bezeichnen wir, was anderswo „Gänseklein“ heißt; ebenso gibt es das Enten- und das Hasenjung. Entsprechendes von größeren Schlachttieren, insbesondere vom Rind, nennt man „Kuttelfleck, Kutteln“ (Kaldaunen, Gekröse). – Mundartlich „Ingreisch“ bedeutet eigentlich „Ingeräusch“; denn es ist hergeleitet von „rauschen“ und meint das hörbare Leben im Inneren des Körpers, also die Eingeweide. In der satirisch-humoristischen Ethnografie „Tief in Bayern“ (1991 erschienen unter dem Verfasser-Pseudonym R. W. B. McCormack) wird berichtet, dass ein Bauer seinen Sohn, der eine Magd geschwängert hat, rügt: „Muaßt denn allaweil mit deim Reama (Riemen) arbatn!“, worauf dieser erwidert: „Mei, Vatter, mitm Ingräusch geht’s net.“

Um Auskunft ersuchte Margarete Reisinger aus Neunburg vorm Wald.

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Der schmeckt den Schoaß in der Finstern.

Über einen naseweisen Menschen, der alles im Voraus und besser zu wissen glaubt, sagt man: „Der schmeckt an Schoaß in da Finstern“ – wortgetreu übertragen: Er riecht einen Darmwind in der Finsternis. Im Bairischen gibt es das Substantiv „die Finster(n)“, und „schmecken“ hat auch die Bedeutung: riechen, schnüffeln, wittern, sowie: Geruch von sich geben. Georg Lohmeier erwähnt einen „Stadtfrack mit einer wohlschmeckenden Madam an der Seite“, einen geschniegelten Städter mit einer nach Parfüm duftenden Dame.

„Hier schmeckt man den Wetterumschwung“, las man in der MZ, „Wird’s schlecht, odelt der Kanal und es riecht nach Abort.“ In der Bemerkung „Grad, als ob er’s gschmeckt hätt, wann’s bei uns ’s Essn gibt“ heißt „schmecken“ nichts anderes als: durch Schnüffeln erahnen. Eine unhöfliche Weigerung, Auskunft zu erteilen, steckt in der Floskel: „Schmeck’s, Kropferter!“ Wird befunden, dass das Fleisch „schmeckt“ oder „a Gschmàckl, an Gschmo (Geschmack)“ hat, so heißt das, dass es stinkt, also verdorben ist. Ein mundartfester Mensch wird daher die vorgesetzte Speise niemals mit „Das schmeckt“ kommentieren; das könnte missverstanden werden. Soll zum Ausdruck gebracht werden, dass das Essen mundet, sagt man: „Guad schmeckt’s“ oder „Des schmeckt mir“. Eindeutigkeit erzielt wird erst mit der Ergänzung durch „gut“ oder „mir“. Hier das sich inflationär ausbreitende Modewort „lecker“ zu verwenden kommt für einen Altbayern nicht in Frage.

Eine Anregung von Helga Riezler aus Aufhausen

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