Serie
Auffi geht’s und owi

Zum Monatsende gibt es wieder Wissenswertes rund um den Dialekt – heute zu den Richtungsadverbien und ein paar Verben.

30.12.2018 | Stand 16.09.2023, 5:47 Uhr
Ludwig Zehetner

Dieses Paar steigt d’Stiang auffi – nicht hoch! Foto: Ingo Wagner/dpa

Er is a rechter Stroach

Ein Kind, das albern herumtobt und sich närrisch aufführt, wird gemahnt: „Bi ned so gstroacht!“ Dem bairischen Wort „gstroacht“ würde „gestreicht“ entsprechen; wir erkennen denselben Wortstamm wie in hochsprachlich „einen Streich (spielen)“. Die Grundbedeutung von „Streich“ ist ‚Hieb, Schlag‘ (vgl. „Schwertstreich, Handstreich“). Einen „Stroach haben“ umschreibt Schmeller in seinem Bayerischen Wörterbuch mit: ‘einen Sparren zu viel haben im Kopf‘, und „gstroacht“ bedeutet für ihn dasselbe wie albern. Als „Stroach“ wird ein närrischer Mensch bezeichnet, ein Spaßvogel, eine aufgeweckte, übermütige Person, die allzeit zu lustigen Streichen und Scherzen aufgelegt ist. Wenn das Verb „stroacha“ auch verwendet wird für ‘trotzig sein‘, so kommt dies sinngemäß dem entsprechenden englischen Wort „strike“ sehr nahe, das ins Deutsche als „Streik, streiken“ entlehnt wurde: die Arbeit niederlegen.

Eine Anfrage von Petra Franziska Seitzer

Ans Auto ohne

In der Niederschrift einer Zeugenaussage zum Blechschaden an einem Pkw steht, der Unfallverursacher sei beim Ausparken versehentlich „ans Auto ohne“ gefahren. Man fragt sich: Ohne was denn? Die Schreibung „ohne“ verhüllt den Sinn des mundartlichen Adverbs „one, oni“, was zu verstehen ist als „an-hin“ im Sinne von „an … hin“. Ein hochsprachliches Pendant für diese Wortbildung gibt es nicht. „Mia ham de Plakate an d’Went one pappt“ (an die Wand hingeklebt). Von einem Bauern, der sein Vermögen und sein Anwesen versoffen hat, heißt es: „Der hod sein’ Hof ans Hauseck oni gsoicht.“ Der Wortteil „hin“, welcher die Richtung vom Sprecher weg bezeichnet, schrumpft zusammen auf „-i“ wie in „auffi, owi, eini, aussi“, was aufzulösen ist als „auf-hin, ab-hin, aus-hin, ein-hin, aus-hin“ (hinauf, hinab, hinaus, hinein, hinaus). In diese Reihe gehören auch „ummi, fiari, hintri / hinti“ (um-hin, für-hin, hint(er)-hin) für: hinüber, nach vorne, nach hinten. Eine Doppelung des Elements „hin“ bringt die Bewegungsrichtung noch deutlicher zum Ausdruck: „hi-ummi, hi-fiari“ (ganz weit hinüber, deutlich nach vorn).

Die Gegenrichtung, also auf den Sprecher zu, kommt zum Ausdruck mit „auffa, owa, eina, aussa, umma, fiara, hint(r)a“ (auf-her, ab-her, ein-her, aus-her, um-her, für-her, hint(er)-her für: herauf, herab, herein, heraus, herum, hervor, nach hinten). – Aus nördlichen Regionen Deutschlands, deren Sprache nicht so feinsinnig ausgeprägt ist wie das Bairische, wurden die präzisen Angaben „hinauf, herauf“ bzw. „nauf, rauf“ oder „auffi, auffa“ ersetzt durch das eigentlich sinnwidrige „hoch“. Selbst bekennende Dialektsprecher steigen jetzt die Treppe „hoch“ oder holen sich vom Keller ein Bier „hoch“. Das Wort „hoch“ gibt jedoch die Lage an, die Entfernung von einer Grundebene, und das Gegenstück dazu ist keineswegs „hinunter“ oder „owi“, sondern „tief“ oder „niedrig“. Wenn mich jemand auffordert: „Ach komm doch hoch zu mir“, dann kontere ich spöttisch: „Komm doch du lieber tief zu mir“ oder ich frage: „Wann kommst du denn nieder!“

Zu einer Einsendung von Bernhard Sittenauer

Wer mag gern fieseln?

Die bairischen Verben „femmeln“ und „fieseln“ kommen in der Schriftsprache nicht vor. Beiden gemeinsam ist die Bedeutung einer kleinen Hin- und Her-Bewegung. Hält man einem Stallhasen eine gelbe Rübe hin, so wird er sogleich anfangen, daran zu „femmeln“, sie sich mit raschem Nagen einzuverleiben. Leute mit schadhaftem Gebiss können nur langsam und bedächtig essen, sie „femmeln“. In übertragener Bedeutung kommt das Wort vor für ‘mühsam schneiden‘, wofür man auch „fickeln“ sagt. Es könnte sein, dass „femmeln“ eine Variante von „fummeln“ ist, was sich herleitet von der „Fummel“, der Lederfeile des Schusters.

Breiter ist die Bedeutungsfächerung von „fieseln“, was ebenfalls die Ausführung kleiner Bewegungen bezeichnet – mit dem Mund, den Zähnen oder mit den Fingern. Wenn es zum Essen ein Brathendl gibt, wird gefragt: „Wer mag gern fieseln?“ – also das Fleisch von den Knochen abnagen, „abfieseln“. Eine knifflige Tätigkeit, bei der peinliche Genauigkeit gefordert ist, nennt man eine „Fieselarbeit“ oder „Fieselei“. Das Garn ins Nadelöhr einzuführen fällt der Oma schwer, und sie schimpft über die „ewige Fieselei“. In übertragenem Sinn taucht „abfieseln“ auf, wenn die Buben sagen, sie wollen ihren Badeplatz am Weiher nicht mehr aufsuchen, weil einen dort die „Staunzen“ (Stechmücken) regelrecht „abfieseln“. Schließlich steht das Wort in dem völlig sinnlosen Ausdruck „an o-gfiesldn Oachkàtzlschwoaf mit Vitroi-Äi ei-äin“ (einen abgenagten Eichhörnchenschweif mit Vitriolöl einölen), der in den Rang eines Schibboleths aufgestiegen ist, um Außenstehenden die Wandlung von „ei“ zu „oa“ zu demonstrieren und die in den bairischen Dialekten südlich der Donau geltende Vokalisierung von „l“. Übrigens besteht sprachlich kein Zusammenhang zwischen dem Verb „fieseln“ und dem ehedem als Züchtigungsinstrument berüchtigten „Ochsenfiesel“.

Die Fragen stellte Monika Lauerer.

Die staade Zeit liegt hinter uns

Den Advent als „die staade Zeit“ zu bezeichnen hat sich fest eingebürgert. „Staad“ bedeutet: ruhig, still, leise. Diese Wörter sind dem Dialekt fremd, stattdessen verwendet man das mundartliche Adjektiv „staad“. Setzt man die als Frage formulierte Aufforderung „Wos is’s, packma’s schee staad?“ Wort für Wort in die Schriftsprache um, so resultiert totaler Unsinn: „Was ist es, ergreifen wir es schön still?“ Gemeint ist natürlich: Los, fangen wir allmählich an! Oder: Brechen wir doch auf! Man sagt „schee staad“ im Sinne von: allmählich, gemächlich. Heißt es von einer jungen Frau, sie sei „a recht a Staade“, so charakterisiert man sie als bescheiden und zurückhaltend. „Staadlustig“ hat, auf Menschen bezogen, den Sinn: still vergnügt, verschmitzt, aber auch langweilig und hinterfotzig, auf Vorgänge bezogen bedeutet es: unmerklich langsam, schleichend. „Ganz staadlusti hod’s ’s Renga o-gfangt.“ Bairisch „staad“ ist verwandt mit schriftsprachlich „stetig, stets“, alles Ableitungen von mittelhochdeutsch „stæte“ (zum Wortstamm „stehen, stand“, vgl. „(be)ständig“).

Die Frage kam von Josef Winkler.

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Noch mehr Bayerisch mit dem Dialektpapst Prof. Dr. Ludwig Zehetner gibt esin unserem Podcast „Basst scho!“.