Dialekt-Serie
Der Stenz geht auf d’Stanz

Zum Monatsende gibt es wieder Wissenswertes rund um den Dialekt – heute zu Wortbildungen mit „Brettl“ und Verben auf „-azn“.

30.01.2020 | Stand 16.09.2023, 5:08 Uhr
Ludwig Zehetner

Schauspieler Helmut Fischer (hier mit Film-Ehefrau Ruth Maria Kubitschek) spielte in der Serie „Monaco Franze“ den „ewigen Stenz“. Foto: Istvan Bajzat/dpa

Ganz brettl-eben

Für ‚ohne Erhebungen, flach, eben‘ kennt man im Dialekt das aussagekräftige und plastische Adjektiv „brettl-eben“, ausgesprochen „bredl-ebm“ oder, mit weitergehender Lautvereinfachung: „brell-eem“. Die Bedeutung ergibt sich von selbst: ‚eben = flach wie ein Brettl‘. So charakterisiert man eine Landschaft ohne Berge oder Hügel, etwa die norddeutsche Tiefebene. Auch über eine flachbrüstige weibliche Person ohne erkennbaren Busen kann befunden werden, sie sei „brettl-ebm“. – „Brettl“, die Verkleinerungsform zu „Brett (Breed)“, tritt in vielerlei Sinn auf. Die Brotzeit kann auf einem Brettl angerichtet sein; bekannt ist die österreichische „Brettljause“. Der Refrain eines Gstanzls übers Skifahren lautet: „Zwoa Brettl, a gführiger Schnee, / ja, des is hoid mei höchste Idee.“ Skifahrer werden ironisch „Brettlrutscher“ genannt. Auch das Totenbrett kann als Brettl bezeichnet werden; daher der Ausdruck „übers Brettl (owi-) rutschen“, eine wenig pietätvolle Umschreibung für ‚sterben‘.

Schließlich versteht man unter Brettl auch die Theaterbühne. Kleinkunsttheater, Laienbühnen oder Bauerntheater tragen Namen wie beispielsweise das „Hainsackerer Brettl“. Historisch ist der „Brettlhupfer“. Das war der Diener, der hinten an der Kutsche auf einem Trittbrett mitfuhr und beim Anhalten „hupfen“ musste, um der Herrschaft beim Aussteigen behilflich zu sein. Auch einen Eisenbahnschaffner, der sich auf den früher außen an den Waggons befindlichen Trittbrettern von einem Wagen zum anderen schwang, hat man scherzhaft als „Brettlhupfer“ bezeichnet. Gelegentlich hört man den Ausdruck noch heute für einen Menschen, der willfährig für niedrige Dienste bereitsteht.

Dua ned wewazn!

Ein Kind, das auf dem Stuhl am Esstisch nicht still sitzt, sondern andauernd hin und her rutscht, wird vermahnt: „Dua ned oiwei wewazn!“ Das Wort gehört zur langen Reihe von Verben mit der Endung „-etzen“, verkürzt „-zen“. Bereits das Althochdeutsche, die älteste greifbare Stufe unserer Muttersprache (8. bis 12. Jahrhundert), kannte Verben mit dem erweiterten Suffix „-ezzen, -azzen“, wo sich zwischen Wortstamm und Endung „-ez(z)-“ eingefügt findet, um auszudrücken, dass eine Handlung oder ein Vorgang wiederholt (iterativ) oder mit besonderer Intensität (intensiv) stattfindet. Schriftsprachliche Beispiele wie „ächzen, duzen, jauchzen, lechzen, schluchzen, seufzen“ sind durchschaubar. „Ächzen, juchzen“ bezeichnen den wiederholten Ausruf „ach, juhu“.

Im Dialekt haben sich die älteren mehrsilbigen Formen „achazn, juchazn“ erhalten. Wer Durst hat, der „lechazt“ nach einem Trunk. Dieses Dialektwort hängt, ebenso wie hochsprachlich „lechzen“, zusammen mit „leck“ (undicht). Einschlägige Verben weist unsere heutige Sprache in großer Zahl auf, wobei der Einschub nicht immer klar erkennbar ist. Er steckt in „krächzen (gràchzn), blitzen, blinzeln“ (zu: krähen, blecken, blinken), ferner in „schnitzen, schluchzen, seufzen“ (zu: schneiden, schlucken, saufen). Das Verb „kotzen“ (sich erbrechen; älter „koppetzen“) ist ein Intensivum zu „koppen“ (aufstoßen, rülpsen). Die iterative Bedeutungskomponente wird deutlich bei Verben wie „pfuchazn, schliefazn, wiechazn“ (fauchen, auf dem Eis schleifen, wiehern), ebenso bei Bezeichnungen für beim Gehen erzeugte Geräusche. In den verschiedenen Gegenden Altbayerns kennt man für das Knarren von neuen Schuhen diverse klangvolle Spielarten von „knàrzen“ (Intensivum zu: knarren): „gnoazn, gneazn, gnàrezn“. Ähnlich lautmalerisch vergegenwärtigen „gnàgazn, gneagazn, quigazn, zwigazn, garazn“ unangenehm quietschende Geräusche. Für ‚eindösen, einnicken‘ sagt man im Dialekt „(ein-) natzen“. Am Nachmittag legt man sich aufs Sofa zu einem „Nàtzerl“. Das Verb „natzn“ ist gekürzt aus „nafazn“. Als Kürzung von „brunnetzen“ (zu: Brunn(en)) entstand „brunzen“ (urinieren). Zu den Verben mit eingefügtem „-z-“ gehören schließlich auch „siezen, ihrzen, duzen“.

Letzteres kommt im Dialekt vor als „duchazn, dugazn“ – mit dem vertraulichen Du anreden. Mit dem eingangs erwähnten Verb „wewazn (weberzen)“ liegt eine Variante von „webern“ vor. Beide enthalten den Wortstamm „weber-“, was auf die rasche Hin-und-Her-Bewegung des Weberschiffchens im Webstuhl anspielt.

Fragen von Helga Riezler, Aufhausen

Schnoatn mit der Braxn

Das mundartliche Verb „schnaiten“, ausgesprochen „schnoatn“, bedeutet: mit der Hacke zerkleinern. Wenn man die Bäuerin im Haus nicht antrifft, ist sie vielleicht draußen und tut „Grasset schnoatn“, das heißt, sie zerhackt Zweige, so dass man sie im Herd zum Feuermachen brauchen kann. Eine spezielle Axt, die man für diese Arbeit verwendet, heißt „Schnaiter (Schnoata)“, auch „Schnaithaken (Schnoathòng)“ oder „Schnoatbràxn“ genannt. In seinem Bayerischen Wörterbuch führt Johann Andreas Schmeller das Stichwort „Brächsen (Bràcksn)“ an und definiert es als „eine Art säbelähnliche Hippe, Handhacke“; es sei synonym mit „Schnaiter“. Verächtlich könne ein Schwert „Bràxn“ genannt werden (Band I, Spalte 344). Mit „schnoatn“ kann auch gemeint sein: Hufe beschneiden. Über den Gaul beim Schmied heißt es in einem Lied: „… sollt man ’n glei schnoatn aa und mit a paar Eisn bschlong.“ Witzig ist die Übertragung auf den Menschen, wenn das Schneiden der Zehennägel als „schnoatn“ bezeichnet wird.

Zu einer Frage von Waldtraud Mieth

Der Stenz auf der Stanz

Von einem Burschen, der nachts auf heimlichen Wegen zu amourösen Abenteuern unterwegs ist, sagt man: „Er geht auf d’Stànz.“ Johann Andreas Schmeller definiert „die Stànz“ in seinem Wörterbuch (Band I, Spalte 772) als „die Cour, den Hof, den man einer Person macht, Ständchen, nächtlicher Besuch am Kammerfenster“. Vom selben Wortstamm leitet sich „Gstànzl“ her. Auszugehen ist von italienisch „stanza“, was eigentlich ‚Standort, Wohnung‘ bedeutet, aber auch ‚Strophe eines Gedichts‘. Demnach war mit „auf die Stànz gehen“ ursprünglich gemeint: ‚ein Ständchen darbringen‘. – Es könnte sein, dass „der Stenz“ damit zusammenhängt. Der bayerische Schauspieler Helmut Fischer (1926 – 1997) schaffte seinen Durchbruch mit „Monaco Franze – Der ewige Stenz“, einer zehnteiligen Fernsehserie, die ab 1983 in allen ARD-Sendern lief. Mit „Stenz“ ist ein selbstgefälliger, geschniegelter Lebemann gemeint, ein Vorstadt-Casanova, ein Geck, ein Gigerl, ein Hallodri; auch ein Zuhälter kann als „Stenz“ bezeichnet werden. Eine Entscheidung, ob das Wort aus der Gaunersprache Rotwelsch stammt, wie behauptet wird, oder aber aus dem bairischen Dialekt dorthin übernommen wurde, kann nicht getroffen werden.

Für Erich Faltermeier, Hetzenbach

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