Serie
Dialektserie: „Trink ma no a Seidl?“

Zum Monatsende gibt es wieder Wissenswertes rund um den Dialekt. Diesmal geht es überwiegend um Speis und Trank.

29.12.2017 | Stand 16.09.2023, 6:17 Uhr

Ein Bierglas mit Henkel wird in Deutschland als „Seidel“ bezeichnet. Foto: Frank Rumpenhorst/dpa

1. Trink ma no a Seidl?

Unter „(das/der) Seidel“ versteht man in Deutschland ein Bierglas mit Henkel, doch als Mengenangabe für Getränke ist das Wort bei uns recht selten. Wir bestellen ein „kleines Bier“ und bekommen die Hälfte einer Halben, also 0,25 Liter, oder das Drittel von einer Mass, also 0,33 Liter. Für diese Maßeinheit ist in Österreich das Wort „Seidel“ geläufig, gelegentlich auch „Seitel“ geschrieben. Bei uns aber wird „Seidel“ in diesem Sinn selten verwendet. Ein „Stehseidel“ genehmigen sich Österreicher oft auf dem Heimweg von der Arbeit. Man muss einmal probieren, im Wirtshaus „ein Seidl Helles“ zu verlangen. Wahrscheinlich wird die Bedienung nachfragen, was man haben wolle. – Das Wort „Seidel“ ist eine alte Entlehnung aus dem Lateinischen, wo „situla“ ein Gefäß für Flüssigkeiten, einen Eimer oder einen Weinkrug bezeichnete. Im Deutschen erfuhr der Stammvokal Längung (13. Jahrhundert: „sîtelîn, sîdel“) und wurde anschließend zum Zwielaut „ei“. Die österreichischen Nebenformen „Seitel, Seiterl“ stehen also dem lateinischen Ausgangswort etwas näher.

Diese Klärung wünschten Evi und Walter Schmalzbauer.

2. Die Kartoffeln sind verstellt

Das Wort „verstellen“ wird heute in folgenden Zusammenhängen gebraucht: die Uhr verstellen, der Zugang darf nicht verstellt werden, jemand hat sich verstellt. Die Einsenderin hörte es aber in ganz anderem Sinn. Als sie am Markt ein Paar Pfund von einer bestimmten Kartoffelsorte kaufen wollte, sagte die Bäuerin: „De san vostellt. Nehman S’ de, de san aa recht guad.“ Diese mundartliche Bedeutung von „verstellen“ tritt nur mehr selten auf, sie war aber ehedem gebräuchlich. In J. A. Schmellers Wörterbuch aus dem 19. Jahrhundert steht: „verstellt seyn: schon für einen Anderen bestimmt und nicht mehr disponibel seyn“ (Band II, Spalte 749). – Ebenfalls zur Rarität geworden sind zwei weitere Ausdrücke aus dem Bereich Angebot und Verkauf, nämlich „anfeilen (o-fain, o-fàln, o-foin)“ und „geheißen (ghoassn)“. Früher konnte man hören: „O-gfaid hob’s scho etliche, aber kàfft hod’s koana.“ Einer sagt, er könne dem neuen Interessenten das zum Verkauf stehende gebrauchte Fahrrad nicht geben, weil er es bereits einem anderen „ghoassn“, d. h. versprochen, zugesagt habe. Die schriftsprachlichen Pendants „feilbieten“ und „verheißen“ müssen inzwischen als veraltend eingestuft werden.

Zu einer Nachricht von Therese Buzga aus Regensburg.

3. Nacha heirat fredi glei

Das bairische Adverb „freding“ oder „fredi“ taucht nicht mehr oft auf. Vor ein paar Jahren sang Sebastian Daller (aus Teugn, Landkreis Kelheim) folgendes Gstanzl auf einer Familienfeier: „18 Johr san s scho beinanda, / ja i glaub freding, i spinn! / In dera Zeit san anda / scho viermol wieda gschien (= geschieden).“ Eine von mehreren Textvarianten einer Strophe des bekannten Lieds vom alten Huber-Vater lautet: „Da oide Huawavatta, / der hod’s gsagt, sagt er, / wenn di d Liab, sagt er, / amoi plagt, sagt er, / nacha heirat, sagt er, fredi glei, / ausgschmiert, sagt er, bist ollawei“ („Waldlerisch g’sunga“, 1964). Vor einigen Jahren erschien der Text erneut in einer Sammlung bairischer Lieder, und weil der Herausgeber das Wörtchen „fredi“ nicht richtig verstand, meinte er, der Rat zur sofortigen Eheschließung würde einem gewissen „Fredi“ (Alfred) erteilt, und schrieb „nacha heirat, Fredi, glei.“ Eine jüngere Fassung findet sich in der Neuausgabe des Liederbuchs „Klampfn-Toni“ (1996). Da heißt es: „nacha heirat besser glei“. Man hat also „fredi“ durch „besser“ ersetzt. Tatsächlich aber bedeutet die Zeile: „Dann heirate, sagt er, unverzüglich gleich.“ Denn die Bedeutung von „freding, fredi“ ist: unverzüglich, ohne Zaudern, sofort.

Die Frage stellte Hedwig Heimerl.

4. Nicht rund und glatt, sondern spiesseckert

Wenn etwas nicht die richtige Form hat, aus der Fasson geraten, nicht glatt, sauber und rund ist, so kann diese Eigenschaft als „schbalseggad“ bezeichnet werden, schreibt die Einsenderin. Diese Form mit einem „l“ drinnen stellt eine lautliche Verzerrung von „spieß-eckert“ dar, mundartlich im Nordbairischen „schbäis-eggad“ beziehungsweise „schbias-eggad“ im Mittelbairischen, das heißt: mit Spießen, Ecken und Kanten versehen, also missgestaltet. So etwa kritisiert eine Oberpfälzer Hausfrau die unförmig geratenen Knödel ihrer Schwiegertochter: „Hànd recht späiseggad woan, deine Gnedl.“ Laut älteren Wörterbüchern konnte „spießeckert, spießeckig“ auch „spitzwinklig“ bedeuten.

Die Frage kam von Edith Stierstorfer.

5. Heind gibt’s Ridschi-Gnel

Im Bayerischen Wald nennt man die Kartoffelknödel „Ridschi-Gnel“, und als „Ridschidàtschi, -dotsch“ oder einfach „Ridschi“ bezeichnet man die Kartoffelpuffer, die in Altbayern meist Reiberdàtschi heißen, in nördlichem Deutsch Reibekuchen. In Band 2 von Michael Kollmers Werk „Die schöne Waldlersprach“ (1988) findet man „Ridsche“, daneben auch „Ransch, Rànsch“, mit der Bedeutungsangabe: „geriebene rohe Kartoffeln, in der Pfanne oder Rein gebraten oder gebacken“. Als Kartoffelkuchen definiert werden die Wörter „Röttscher, Ruschi“ bei Schmeller (Band II, Spalte 191, 157; 19. Jahrhundert). Es ist wohl nicht verfehlt, einen Zusammenhang mit dem Verb „rutschen“ zu vermuten, womit das Reiben oder Hobeln der Kartoffeln gemeint war. Die frühneuhochdeutsche Variante „rütschen“ (mit Umlaut) ist für das späte Mittelalter belegt. Demnach wäre die heutige Mundartlautung „Ridsche, Ridschi“ in die Schriftsprache umzusetzen als „Rütschi“, wobei der auslautende Vokal als „i“ oder „e“ gesprochen wird – wie ja auch bei „Dàtschi“.

Zu einer Anfrage von Alexandra Gernoth geb. Speckner.

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