Serie
Pferd und Ross im bayerischen Dialekt

um Monatsende gibt es wieder Wissenswertes zum Bairischen – heute unter anderem um Bezeichnungen für Pferde.

29.06.2018 | Stand 16.09.2023, 6:03 Uhr
Ludwig Zehetner

Was grast hier auf der Weide: Ross, Gaul, Heißerl, Häuter, ...?* Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Pferd, Ross, Gaul, Heisserl und Häuter

Im Mittelalter bezeichnete man ein Kurier- oder Postpferd oder ein Beipack-Lasttier mit dem aus griechischen und spätlateinischen Elementen gebildeten Wort „paraveredus“, was im Althochdeutschen zu „phärit,pferit“ gekürzt wurde und schließlich zu neuhochdeutsch „Pferd“ führte, der heute gängigsten standardsprachlichen Bezeichnung. Im Germanischen hieß das Tier „hros“ – daher englisch „horse“ (ähnlich im Niederländischen, Isländischen) und deutsch „Ross“. Die Mehrzahl ist „Rosse“ oder „Rösser“, bairisch: „oa Roos, zwoa Roos / Ressa“. In manchen Zusammenhängen steht unverändert „Ross“, so etwa in „Schlachtross, Rosshaar, Rosskastanie, Rosskur, Rösselsprung“ und „Bräuross (Brauereipferd), Rossbollen (Pferdeapfel)“. Als Bestandteil von Ortsnamen kommt ausschließlich „Ross“ vor (Rossbach, Rosshaupten usw.), niemals „Pferd“. Auch in den bairischen Dialekten ist „Pferd“ nicht recht heimisch, allenfalls die Verkleinerungsform „Pferdl, Pferderl“. Eine Ausnahme stellt das Nordbairische der Oberpfalz dar, wo man die Lautform „Pfàà“ kennt. Das Wort „Gaul“ gebraucht man leicht abfällig für ein minderwertiges Pferd (Ackergaul). Fast die gleiche Bedeutung hatte mittelhochdeutsch „gurre“. Das Wort ist in der Standardsprache ausgestorben, doch es lebt fort in einer recht geläufigen mundartlichen Bezeichnung für eine bösartige Weibsperson, die abqualifiziert wird als „Bießgurn“ („Bissgurre(n)“: bissige alte Stute), auch umgeformt zu „Bießgurkn, Bießgurgl“.

Ein junges Pferd, ein Fohlen oder Füllen, insbesondere ein junger Hengst, ist mundartlich „a Heiß, Heißl, Heißerl“, korrekt mit nasaliertem Zwielaut. Daher tritt auch die historisch richtige Schreibform „Heinßl“ auf. Das Wort leitet sich her vom nicht mehr gebrauchten Verb „heinßen“ (wiehern). Ein altes, ausgemergeltes Pferd nennt man „Heiter“, das ist eigentlich „Häuter“, denn nur mehr die Haut ist von Wert. In einem Gedicht von Eugen Oker trifft der Eigentümer eines solchen folgende Entscheidung: „befoar a ma gremmbfe wiad / soln an d idaliena fawuaschdn / den heidda.“

Zu einer Anfrage von Franz Ederer

Soachnooss bin i – seichnass.

Das Verb „seichen“ gehört zum uralten Wortbestand der germanischen Sprachen. Im Deutschen ist es bereits für das 8. Jahrhundert belegt; althochdeutsch „seihhen“ hatte die Bedeutung: rinnen lassen, tröpfeln lassen (verwandt mit „seihen“), später wurde es dann eingeengt auf: Wasser lassen, urinieren, harnen. Der alte Zwielaut „ei“ hat sich im Bairischen zu „oa“ gewandelt, im Nordbairischen in mehrsilbigen Formen zu „oi“ (vgl. „zwoa Oa(r) / Oia“), daher die heutige Lautung „soacha“ bzw. „soichn“. Das klingt zwar derber als „bieseln“, doch weniger derb als „schiffen“ oder „brunzen“. Wenn man im Bayerischen Wald über einen Bauern, der bankrott geworden ist, befindet: „Der hod sein Hof an d’Went oni gsoicht“, so heißt das nichts an-deres, als dass er sein Anwesen versoffen hat. In Marcus H. Rosenmüllers Film „Wer früher stirbt, ist länger tot“ sagt der Bub, als er tropfnass ins Haus rennt: „Schiffa duad’swia d’Sau, soachnooß bin i.“ Dem bairischen Adjektiv „soachnass (-nooß)“ an die Seite stellt sich englisch „soaking wet“ (tropfnass); englisch „soak“ (durchtränken, vollsaugen) entspricht dem deutschen „seich“, dem bairischen „soach“. Ein weiteres Kompositum ist „soachwarm“ (unangenehm lauwarm). Mit „der Seich (Soach)“ (norddeutsch „die Seiche, Pisse“) kann Urin gemeint sein; so nennt man aber auch ein schal schmeckendes Getränk oder seichtes Geschwätz. Das Verb „seicheln (soachln, seachln, soichln)“ bedeutet: nach Urin riechen. Als in Regensburg der Schlachthof einer neuen Bestimmung zugeführt wurde, schrieb die Zeitung über eine dort stattfindende Ausstellung, dass es in der ehemaligen Viehhalle „gesoachelt“ habe und wegen des strengen Geruchs das Publikum ausgeblieben sei.

Früher gab es im Pissoir als Abflussrinne für den Urin eine „Soachrinna“ aus Blech. Ein Bettnässer ist ein „Bettseicher (-soacha, -soicha)“ oder ein „Seichl (Soachl, Soichl)“. Letzteres Wort kommt auch vor als abfällige Bezeichnung für einen halbwüchsigen Grünschnabel. In Österreich versteht man unter „Seicherl“ ein verzogenes Muttersöhnchen, einen Feigling. Kartenspieler wissen um die Bedeutung der drei Kritischen beim Watten, das sind der Max, der Belli und der Spitz, und der heißt auch der „Bsoachte“ oder „Soachl, Bettsoachl, Biesler“. Muss beim Schafkopf einer der vier Spieler austreten, so übernimmt dessen Stelle derweil der fünfte Mann, der „Soachkarter“ oder „Brunzkarter“. Sehr derbe Bezeichnungen für die männlichen Genitalien sind „Soachzeug, Brunzzeug“. Wohl wegen ihrer harntreibenden Wirkung werden feldmäßig angebaute kleine weiße Rüben auch„Soachlruam, Soichlroum“ genannt. – Man sieht, Wortbildungen mit „seich“ sind im Bairischen recht zahlreich vorhanden.

Auskunft zu einer Frage von Ruth Wirth

I bin maletta pfrim gwen.

„Maletta“ sieht aus und hört sich an, als käme es aus dem Italienischen. Dabei handelt es sich um nichts anderes als die extrem abgeschliffene Aussprache (eine sogenannte Allegroform) von „mein Lebtag“, das heißt: „zeit meines Lebens, mein ganzes Leben lang“. Ein anderes markantes Beispiel für mehrfache Lautangleichungen liegt vor mit „pfrim“ (zufrieden). Auszugehen ist von altdeutsch „zefriden“. Unbetontes „e“ verschwindet, so dass die Vorsilbe „ze-“ zu „z-“ wird (vergleiche „zruck, zsamm, zwider“ usw.) und „-den“ zu „-dn, -n“. Vor und hinter dem artikulatorischen Nukleus „f“ verwandeln sich das anlautende „z“ und das „n“ am Ende zu Labiallauten, so dass „pfrim“ resultiert. Ins Schriftdeutsche übertragen entspricht dem Satz in der Überschrift: „Ich bin mein Lebtag zufrieden gewesen.“

Eine Anregung von Dr. Josef Thumann

A dummbachane Uhr

Der Armreif, das Halskettchen, die Armbanduhr, sie sehen zwar aus, als wären sie aus Gold, doch es handelt sich um ein Imitat, das glänzt wie das Edelmetall. Eine bestimmte Messingsorte besitzt diese Eigenschaft, nämlich die Legierung von etwa 70 Prozent Kupfer mit Zink, gegebenenfalls mit Beigabe von Blei oder Nickel. Dieses Metall heißt „Tombak“, das Adjektiv ist „tombaken“. Das fremdartige Wort wurde volksetymologisch umgeformt und es entstand mundartlich „dummbachen“, so als läge ein Kompositum von „dumm“ und „bachen“ (gebacken) vor. Man gebraucht es nicht nur für Gegenstände aus Metall, sondern auch verallgemeinert im Sinne von: künstlich, nicht echt. So können etwa Blumen „dummbacha“ sein, wenn sich um solche aus Papier oder Plastik handelt.

Die Frage stellte Margarete Stangl.

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Noch mehr Bayerisch mit dem Dialektpapst Prof. Dr. Ludwig Zehetner gibt esin unserem Podcast „Basst scho!“.