Dialektserie
Schabracken und Schaluppen

Zum Monatsende gibt es wieder Wissenswertes rund um den Dialekt. Heute geht es um „herein, hinein“ und anderes mehr.

30.05.2019 | Stand 16.09.2023, 5:42 Uhr

Auch das ist eine alte Schaluppe. Foto: Helmut Koch

Gwöhn’s, Mudl, hat er gesagt

Wird jemandem eine eigentlich unzumutbare Belastung auferlegt, fällt älteren Leuten als Bemerkung ein: „Gwehn’s, Mu’l, hod a gsagt und hod d’Katz durchs Ofarohr gschom“ (Gewöhne es, Mudel, hat er gesagt und die Katze durch das Ofenrohr geschoben). Bei Schmeller findet man folgende Variante: „G’won’s, Mudl, g’won’s, hot der Beck gsagt, hot mit da Katz an Ofa-r auskiahrt“ (… Bäcker; … den Ofen ausgekehrt). Als Erläuterung folgt: „Manche Härte kann man erdulden lernen, aber gar zu Arges muß man Einem doch nicht zumuthen.“ Die oder das „Mudel (Mu’l)“ sei ein kindlicher oder scherzhafter Ausdruck für die Katze, schreibt Schmeller, ebenso könne das Wort Katzenbalg oder Pelz überhaupt bedeuten (Band I, Spalte 1571 f.). Eine „Mudelhauben (Mullhaum)“ sei eine Pelzhaube, eventuell mit Katzenbalg-Verbrämung. Als „Mudel“ bezeichne man auch die Samenkätzchen von Bäumen, insbesondere die „Palm-Mudel“ (Weidenkätzchen), die auch „Palm-Mutscherl“ genannt werden. Im Dialekt wird „Mudel“ selbstverständlich „Mu’l“ ausgesprochen, ebenso wie die „Pudelhaube(n)“ (Pudelmütze) zur „Bullhaum“ wird. Die Lautfolge „-del“ schrumpft zusammen wie auch bei „Schädel, Strudel, Nudel“. Man sagt „Schä’l (Gschwoischell), (Apfe-, Rahm-) Stru’l, Nu’l“. (Im Bayerischen Wald kennt man die Assimilationsform „Lul“.)Angefragt hat Hannelore Schraufstetter

Der Ousch auf der Gred

Über ein Bad, eine Dusche verfügten bis weit über die Mitte des 20. Jahrhunderts hinaus nur wenige Wohnungen. In größeren Städten stand ein „Tröpferlbad“ zur Verfügung, wo man sich nach Entrichtung einer Gebühr „brausen“ konnte. (Das Verb „duschen“ war noch nicht üblich, erst recht nicht dessen Aussprache mit langem „u“.)

Normalerweise wuschen sich die Familienmitglieder Hände und Gesicht am „Waschlavoir (-làwoa)“, dem Ausguss in der Küche oder auf dem Hausgang, selbstverständlich mit kaltem Wasser. Am Samstagabend wurden die Kinder einer gründlichen Reinigung unterzogen, eins nach dem anderen in einem „Waschwànndl“, in das man warmes Wasser aus dem in den Herd eingelassenen „Grandl (Gràntl)“ schöpfte, oder aus dem „Höllhafen (Häihoofa)“, einem großen Tiegel am Rand des Herdes. Übertragen davon, dass man die Pferde zur Reinigung durch die „Schwemm“ geritten hat, eine Furt im Bach oder Fluss, kommandierte die Mutter, wenn die Kinder gar zu schmutzig waren: „Ab in d’Schwemm!“ Auf Bauernhöfen konnte die Körperreinigung mit kaltem Wasser auch im „Ousch àf da Gred“ stattfinden, in einem Trog auf der erhöhten breiten Antrittsfläche an der vorderen Längsseite des Wohngebäudes. Dem nordbairischen „Ousch“ entspricht südlich der Donau die mittelbairische Lautform „Nuasch“ (was als „Nursch“ verschriftet wird, so als läge vokalisiertes „r“ vor).

Das Wort geht zurück auf althochdeutsch „nuosc“ (zum indogermanischen Stamm „naus-“; vgl. lateinisch „navis“: Schiff). Die Verkleinerungsform „Nüeschl (Niaschl, Nirscherl)“ bezeichnet den Futternapf oder die Futterrinne für Hühner, Enten oder Gänse. Ein „Vogelniaschl“ dient für die Winterfütterung von Gartenvögeln. Aus mittelhochdeutsch „nuosch“ entstand die Nebenform „Uasch“ durch Abtrennung des anlautenden Konsonanten, der für einen unbestimmten Artikel gehalten wurde („a Nuasch – an Uasch“; Deglutination). Die nordbairischen Entsprechungen in der Oberpfalz und im Bayerischen Wald sind „Nousch, Ousch“ (mit gestürztem Zwielaut). Eine Erklärung für Vinzenz Kobler

De olte Schaluppm hod oan gfuna

Eine Strohhütte oder ein kleines Bauernhaus heißt im Tschechischen „chalupa“. Nach Ersatz des Anlauts „ch“ durch „k“ und mit Bedeutungsverschiebung zum Schlechteren hin kennen die Mundarten Ostbayerns „Kaluppm, Kalunkn, Kalumpm, Kaludschn“, womit eine wackelige Hütte, ein verwahrlostes und baufälliges kleines Bauernhaus gemeint ist. Der Besitzer oder Bewohner einer solchen Behausung ist ein „Kaluppler“, wohl eine Lehnübersetzung von tschechisch „chalupník“.

Mundartlich tritt „Schaluppe(n)“ auf, womit vieles bezeichnet wird, was unordentlich, schief, hässlich wirkt, so etwa ein verwahrlostes Wirtshaus, ein schlecht geladenes Fuder Heu – und schließlich eine widerliche alte Weibsperson. Neulich hörte ich die Bemerkung: „Wundern muaß ma se, dàß de olte Schaluppm àà no oan gfuna hod“ – gemeint ist: dass sie trotz ihres Alters und Aussehens einen Ehemann gefunden hat. Es hat wohl eine Vermengung stattgefunden von „Kaluppe“ und „Schaluppe“ (von französisch „chaloupe“ für: Küstenfahrzeug, Beiboot).

Damit ist mundartlich „Schaluppm“ in etwa bedeutungsgleich mit „alte Schachtel, Scharteke(n), Schabracke(n)“. Auch die beiden letzten Wörter bedeuten ursprünglich etwas anderes (wertloses altes Buch; verzierte Satteldecke, türkisch „çaprak“), werden aber ebenfalls gebraucht als abfällige Bezeichnungen für eine unsympathische alte Frau

Zu einem Gespräch mit Ludwig Faust

Kemmts eina! – Gehts eini!

Mittels der Richtungsadverbien differenziert das Deutsche prinzipiell exakt zwischen Bewegungen auf den Sprechenden zu: „herein, heraus, herunter“ usw. – oder von ihm weg: „hinein, hinaus, hinunter“ usw. Der bairische Dialekt hält sich strikt daran. Der Silbe „her“ entspricht die Endung „-a“, während „-i“ für „hin“ steht. Wer sich innen befindet, lädt dazu ein, zu ihm herein zu kommen: „Kemmts eina!“ Stehen aber alle außen, so lautet die Aufforderung zum Hineintreten ins Haus: „Gehts eini!“

Umgangssprachlich sind andere Kürzungen üblich, nämlich „rein“ und „nein“ usw., mundartnah gesprochen „rei, nei“: „Kemmts rei, geht’s nei“. Wem das grundlegende Prinzip vertraut und geläufig ist, wird die her- und hin-Formen niemals verwechseln. Während „rein“ auch geschrieben vorkommt, sperrt sich „nein“ gegen eine Verschriftung, wohl wegen formaler Gleichheit mit der Negation „nein“.

Mittlerweile wurden die Kurzformen „rein, raus, runter, rüber“ usw. verallgemeinert und stehen nicht nur für „herein, heraus, herunter, herüber“, sondern auch für „hinein, hinaus, hinunter, hinüber“. Bei „rein, rüber, runter“ gibt der Duden an: „umgangssprachlich für: herein, hinein; herüber, hinüber; herunter, hinunter“. Für korrektes Bairisch trifft dieser Zusammenfall nicht zu. Eine von Timo Prekop gewünschte Klarstellung

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