Dialekt-Serie
So, Leidln, saufts eich zsamm!

Zum Monatsende gibt es wieder Wissenswertes rund um den Dialekt – heute über „gneißen“ und die Namensform „Wàm“.

28.11.2019 | Stand 16.09.2023, 5:09 Uhr
Ludwig Zehetner

A zünftige Nachschwoab nach der Fahnenweihe Foto: Felix Hörhager/dpa

Schwoam ma’s owi

Mit „seinen Grant obischwoabn“ ist gemeint: seinen Kummer ertränken. Das Verb „schweiben“ erscheint fast ausschließlich in mundartlicher Lautung „schwoam“ und bedeutet in erster Linie: spülen, schwenken. „Die Wäsche wurde zum Schwoam an den Bach getragen. Die Reisingerin hat ihre zweite Wäsch herausgeschweibt“. ‚Schwemmen‘ ist gemeint in Karl Valentins Satz „Unser Herrgott soll wieder amal a Sündflut kommen lassen und alles wegschwoabn lassen.“ In übertragenem Sinn wird das Wort gebraucht für ‚kräftig saufen‘, wofür auch „schwàppeln“ gesagt wird (Intensivbildung zu „schweiben“): Wenn es heißt: „Da Stadler Nick schwapplt gern,“ dann ist gemeint, dass er dem Trunk zugetan ist.

Originell ist der Ausdruck „Nachschweib(e)“ für die feuchtfröhliche Nachfeier nach einem Fest: „Man hatte sich im Saal der Herbergswirtin mit allen Beteiligten der Fahnenweihe zur Nachschwoab getroffen.“ Eine dünne Suppe oder ein geschmackloses Getränk wird als „Gschwoawads“ bezeichnet. Ganz feinkörnigen Quarzsand nennt man „Schwoabsand“, weil seine Qualität durch kräftiges Ausschwemmen im Wasser zustande kommt. Man sagt auch „Schwoaßsand“ dazu.

Für Dominik Stadler

Ob’s oana gspannt? Koana wead’s gneissn.

Beim Verb „spannen“ führt der Duden nicht an, dass es auch ‚bemerken, mitbekommen, verstehen, erfassen, sich bewusst werden‘ bedeutet. Das Österreichische Wörterbuch hingegen gibt an, dass damit in den Mundarten ‚bemerken‘ gemeint sein kann und verweist auf „gespannt sein“ (neugierig sein). Gut nachzuvollziehen ist, dass „spannen“ auf dem Weg über ‚gespannt den Blick auf etwas richten‘ zur Bedeutung ‚erkennen‘ gekommen ist. Stimmig ist es, einen Voyeur als „Spanner“ zu bezeichnen; denn ein solcher lenkt seinen Blick gespannt auf das Objekt seiner Begierde. Nicht ungewöhnlich ist, dass neben „spanna“ oft „gspanna“ gebraucht wird, also die mit „g- (< ge-)“ präfigierte Form. Vergleichbare Fälle liegen vor mit „gfrein, glanga, gspürn“ (freuen, langen, spüren). Könnte es sein, dass die Formen mit vorgeschaltetem „g-“ vom Perfekt beeinflusst sind? „I hob’s gspannt. Er hod si gfreid. Uns hod’s glangt? Host as gspürt?“ – warum nicht auch im Präsens „gspanna, gfrein, glanga, gspürn“? Zu einer Bedeutungsdifferenzierung führt „g(e)-“ nicht – im Gegensatz zu Fällen wie „raten / geraten, hören / gehören“.

Ein perfektes Synonym zu „spannen“ liegt vor mit „gneissn“. Es kann umschrieben werden mit: ‚erkennen, innewerden, geistig erfassen, kapieren, bemerken, aus Vorzeichen erschließen, durch Zufall oder List in Erfahrung bringen‘ usw. Das Verb kommt in bairischen Texten oft vor, zum Beispiel bei Ludwig Thoma: „Denn bal amal dös oana gneißt, / wia schö daß’s beim Josias is. Hast du dös net ehender gneißt?“ In einem Lied findet man die Zeile „Waarst aaf Berlin marschiert / und hättst dort gspeist, / dees hättma gneißt.“ Problematisch bleibt die Etymologie. Verführerisch ist die Herleitung von lateinisch „cognoscere“, was dem Sinn nach passen würde. Doch wie sollte das lautlich funktionieren? Auch ein Zusammenhang mit „Nase“ kann erwogen werden. Im Englischen verwendet man „to nose“ im Sinne von ‚riechen, aufspüren, wittern‘.

Zu Fragen von Josef Winkler

De olte Wàm Mit „Wàm“ kann eine alte Frau gemeint sein, es ist jedoch auch eine Kurzform des Vornamens „Barbara“. Eine Barbara Huber war bekannt als „d’Huawa Wàm“. Eine Drogerie wurde von einer Barbara geführt, und es hieß: „Geh zu da Wàm und hol a Fleckenwasser.“ – Zum Lautlichen ist zu bemerken: (1) Zwischen Vokalen wird „b“ zu „w“, indem sich der Verschlusslaut zum entsprechenden Reibelaut wandelt: „Huawa, Buwi, mei liawa Schiawa, Wewa, Dawack, iwa, owi“ (Huber, Bubi, lieber Schieber, Weber, Tabak, über, abhin = hinab). (2) Die unbetonte Silbe „-ben“ verschmilzt mundartlich zu „m“: „gem, lem, sieme“ (geben, leben, sieben). Für „Wàm“ lässt sich demnach die Grundform „Waben“ konstruieren. (3) Wenn ein Sebastian als „Wast, Wastl“ gerufen wird, so zeigt sich, dass ein „b/w“-Wechsel in den Anlaut geraten kann. Es besteht jedenfalls kein Zweifel, dass mit „Waben, Wàm“ eine alte Kurzform für „Barbara“ vorliegt. In der Bedeutung ‚alte Frau‘ geht es jedoch zurück auf slawisch „baba“ (russisch: Mütterlein, Großmutter; Babuschka-Holzpuppen; tschechisch „babka“ – die Alte). Die Verkleinerungsform zu „Waben“ ist „Wàberl“. In Österreich kennt man „Drahdiwaberl“, womit sowohl ein Spielzeugkreisel bezeichnet werden kann als auch eine wirrköpfige Person oder eine verwickelte, schwierige Situation. Das Wort bedeutet eigentlich ‚Dreh dich, kleine Barbara!‘

Die Erklärung wünschten Hans Rothmeier und Erich Faltermeier.

Saufts eng zsamm!

Gut erfunden ist die folgende Anekdote: Zwei Ausländer in einer Behörde. Der Beamte will wissen, ob die beiden Männer mit dem gleichen Anliegen zu ihm kommen und fragt: „Kehrts ihr zwoa zsamm?“ Prompt antwortet einer von ihnen: „Der da kehrt zsamm. Ich Gabelstapler-Fahrer.“ Mit „kean“ kann „gehören“ gemeint sein – wie in der hier gestellten Frage – oder „kehren“ – wie in der Antwort.

In stimmigem Bairisch wird allerdings unterschieden: In Wörtern wie „einkehren, umkehren“ gilt die Lautung „keahn“, jedoch „kiahn“ in der Bedeutung ‚reinigen, fegen‘. Es heißt also: „Mia keahn beim Wirt ei“ – aber: „Der Hof braucht zsammkiahn“. Dies führt zur Betrachtung des Wortes „zusammen“. Schriftsprachlich „zusammen“ und bairisch „zsamm“ sind der Bedeutung nach nicht deckungsgleich. Mundartlich „zsamm“ bedeutet oft etwas ganz anderes als hochsprachlich „zusammen“. Idiomatisch unkorrekt wäre etwa: „Des machma zsamm“. Wenn ‚gemeinsam‘ gemeint ist, kann es nur heißen: „Des machma mitanand(er).“ Von jemandem, der wahllos alles trinkt, was ihm unterkommt, sagt man: „Der sauft oiss zsamm.“

Die Aufforderung „Leidln, saufts eng zsamm!“ hat den Sinn: ‚Trinkt aus! Wir wollen aufbrechen‘. Als „zsammgsuffana Kerl“ wird einer bezeichnet, der sich durch Alkoholmissbrauch gesundheitlich ruiniert hat. „Zsammsaufen“ kann also Unterschiedliches bedeuten. Mit „zsammbacka“ kann einfach ‚zusammenpacken, einpacken‘ gemeint sein, es ist aber auch ein derber Ausdruck für: geschlechtlich verkehren. „Zsammfallen“ steht auch für: hinfallen, stürzen. „Host a wehs Knia. Bist zsammgfoin?“ Vielfältig ist die Bedeutungsskala von „zusammengehen“: a) zustande kommen, b) darauf ankommen, c) gerinnen, d) abmagern, schwach werden. Man fragt die Freunde: „Wos is’s, geht wos zsamm heid auf d’Nocht?“ Die Hausfrau mahnt zur Leerung der Teller: „Auf’s letzte Bröckerl geht’s aa nimma zsamm.“ In sommerlicher Hitze stellt man fest: „D’Milli is zsammganga.“ Und über Aussehen und Gesundheit eines Seniors wird befunden: „Der alt Semmler-Vatter is arg zsammganga die letztn Wocha“.

Angeregt von Dr. Johann Schmuck

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