Dialektserie
Spuren des Jenischen gibt es noch immer

Zum Monatsende gibt es wieder Wissenswertes rund um den Dialekt – heute zu einer Geheimsprache und zu Leckerbissen.

26.04.2019 | Stand 16.09.2023, 5:41 Uhr
Ludwig Zehetner

Mia foan ins Stoahaiffl – wir fahren nach Regensburg. Foto: Armin Weigel/dpa

Man hat ihr einen Russen serviert

Merkwürdig, dass sich für die großen schwarzen Käfer im Keller und in finsteren, feuchten Ecken auch in Altbayern das (ursprünglich wohl niederländische) Wort „Kakerlaken“ (Einzahl: der Kakerlak, die Kakerlake) verbreitet. Die zoologische Bezeichnung ist „Küchenschabe“; im Spanischen heißt sie „la cucaracha“, bekannt durch ein Volkslied, das in der mexikanischen Revolution als Spottlied Verbreitung fand.

Bei uns nennt man den verhassten Schädling „Schwab“ oder „Russ“. Karl Valentin erwähnt den „bekannten Knall beim Zertreten eines Küchenschwaben“. Lieselotte Denk schreibt, man habe „ihr im Restaurant einen Russen serviert, einen jener fetten, knackigen Käfer, die zuhauf in der Küche herumkrabbelten.“ Sind die Bayern auf einmal so feinfühlig geworden und politisch korrekt, dass man sich, um keine ethnischen Gruppen zu beleidigen, nicht mehr traut, das Ungeziefer als „Schwab“ oder „Russ“ zu bezeichnen? Freilich ist die Verwendung von Völkernamen als Schimpfwörter weit entfernt von politischer Korrektheit. „Schwab“ und „Russ“ stehen in einer Reihe mit anderen xenophobischen, also ursprünglich fremdenfeindlichen Ausdrücken wie „Schlàwàck, Türkl, Böhmàck, Krawat, Schlàwiner, Polàck, Chines, Breiss (Preuß)“.

Als „Russ“ wird auch ein Mischgetränk aus Weißbier und Zitronenlimonade bezeichnet. Wie es dazu kam, ist recht interessant. 1919, in den Revolutionswirren nach dem Ersten Weltkrieg, besetzten die Arbeiter- und Soldatenräte auch die Münchner Weißbierbrauerei Mathäser am Stachus und machten sie zu ihrem Hauptquartier. Damit die zur Verteidigung des Hauses aufgestellten Wachen nicht vom Genuss des vielen Weißbiers einschliefen, wurde ihnen dieses mit Limonade gestreckt. Wegen ihrer kommunistischen Gesinnung bezeichnete man die Rotarmisten als „Russen“, ihr Getränk hieß „Russenmass“ oder kurz „Russ“.Eine Anregung von Wilhelm Hintermeier

Zwoa Moltern Brand

Nicht exakt definiert sind die Begriffe „Jenisch“ oder „Rotwelsch“, womit die Geheimsprache bezeichnet wird, deren sich fahrendes Volk bediente – Schausteller, Zirkusleute, Musikanten, Viehhändler. Spuren davon lassen sich im Regensburger Umland noch heute ausfindig machen, speziell in Regenstauf. Maria Wolf (verheiratete Ketterl) unternahm 2008 eine Umfrage zur Musikantensprache bei den „Blitzern“ – so heißen die Regenstaufer – und stellte fest, dass Reste von „Jenisch baidln“ (sprechen) immer noch bekannt sind: „dufter Binkl (hübscher Kerl), Dreegfotzade (Kartoffelsuppe), ’s Annamirl (Sonne), bleschn (rauchen), raib schiwass (hör auf), Bossert (Fleisch)“. Eine Liedstrophe über die Münchner Vorstadt-Hallodri lautet: „Und Dridling hamma feine, / wenn oana wos vasteht, / do rinnt da Dreeg om eine, / damit ma woacha geht.“ Unter „Dridling, Drieling“ (Trittling) versteht man: Schuh, Fuß.

Weitere Wortbildungen mit dem Suffix „-ling“ sind: „Griefling (Griffling = Finger), Raichaling (Räucherling = Zigarette), Schlangaling (Wurst), Schmierling (Fett), Räiling (Rötling = Blut), Säissling (Süßling = Zucker), Scheibling (Brotschnitte, Teller, Hut), Grealing, Gräiling (Grünling = Förster, Jäger), Laifling (Läufling = Hase). In „Hirtling“ (Messer) steckt die bairische Lautung „hirt“ für das Adjektiv „hart“. Die Hanfstaude lieferte das Rohmaterial für den Stoff, aus dem Hemden genäht wurden, und daher wird das Hemd als „Hamfstauan“ bezeichnet. Nach wie vor heißt die Stadt Regensburg „‘s Stoahaiffl“ (Steinhäufl).

Von älteren Regenstaufern kann man heute noch hören: „Mia foan ins Stoahaiffl.“ Mit dem Satz „Der hierass gummige Binkl hot bloß zwoa Moltern Brand zeint“ ist gemeint: Dieser schlechte Kerl da hat nur zwei Mass Bier bezahlt. Die Wörter „Koberer, Koberin, Brandmoasn, Leberl, Dumfach, schinarln“ stehen für: Wirt, Wirtin, Bedienung, Pfarrer, Lehrer, arbeiten. Originelle Bezeichnungen sind „Hölzlklauber, Klinger(er), Klinglbing, Kripperlklinger, Gruftklang“ für: Klavierspieler, Musikant, Theatermusiker, Beerdigungsmusik.Aus Sammlungen von Erich Moser und Maria Ketterl

A rechter Schmoudlkoderer is’s

Statt „Schmusekatze, -kater“ sagt man in der südlichen Oberpfalz „Schmoudlkoderer“ zu einem anschmiegsamen Menschen, der gern gestreichelt werden will. Dass die männliche Katze „Kodl“ oder „Koderer, Koder“ heißt, ist allgemein verbreitet. Nur so ergibt sich der Reim „Entweder oder – Katz oder Koder,“ womit man Entscheidungsfragen oft abschließt.

Schwieriger ist die Lautung des Bestimmungsworts. In Schmellers Bayerischem Wörterbuch findet man die Verben „schmudeln, schmueln, schmaueln“, für die als Bedeutung angegeben ist: verliebt tändeln, liebkosen, schmeicheln wie die Katze (Band II, Spalte 541, 545, 549). Die „Schmudel“ wird erklärt als „allzu verliebte Weibsperson“. Normalerweise spricht man den Vokal „u“ nicht diphthongisch aus. „Schmoudl“ verweist auf eine anzunehmende Nebenform, die Schmeller nicht erwähnt, nämlich altes „smuodelen“ oder „smôdelen“, was zum Zwielaut „ou“ in „Schmoudlkoderer“ geführt hat.Eine Frage von Max Heigl

Er kauft gern Schornbladl

Der Einsender schreibt, beim Bäcker „in der Lam“ (im Markt Lam im Bayerischen Wald) habe es „Schornbladl“ zu kaufen gegeben, ebenso in Moosbach im Altlandkreis Viechtach. Dort sei es üblich gewesen, dass man „Schornbladl“ in eine große Schüssel warmer Milch einbrockte und alle daraus löffelten. Es selbst kaufe sich, sooft er nach Brennberg kommt, beim dortigen Bäcker ein Zehnerpack Schornbladl, die er abends dann zum Wein knabbert.

Er meint, nur für die Fremden werde gelegentlich die Bezeichnung „Scharrenblätter“ angeschrieben. Dabei ist dies wirklich eine mögliche schriftdeutsche Entsprechung. Das entstehende Wörterbuch der Bayerischen Akademie der Wissenschaften enthält den Eintrag „Scharren-, Schab(en)-, Schwabenblatt“ (Band II, Spalte 1094 f.); die Definition lautet: „dünnes fladenartiges Gebäck, vor allem aus Brotteig.“

Fürs 19. Jahrhundert liefert Schmeller unter dem Stichwort „Schaben“ folgende Beschreibung: „Kuchen von Brodtaig, der, mit Topfen, zerbröckelten Kartoffeln und drgl. bestreut, auf dem Lande mit dem Brode im Backofen … gebacken wird.“ Bei „Schaitenblättlein“ findet man die Lautung „Schoanblà’l“ (also „Schornblàdl“), was beschrieben wird als „Blatt ungesäuerten Taiges, nach dem Abbacken des Brodes gebacken, um, zerdrückt, in der Suppe gegessen zu werden“ (Band II, Spalte 352 und 483 f.).Eine Frage von Gottfried Büttner

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