MZ-Serie
Weichser Radi und a lullads Broud

Der Dialekt-Forscher antwortet wieder: Diesmal geht es um Spezialitäten aus der Region – und die Eigenheiten von frischem Brot.

26.02.2015 | Stand 26.02.2015, 12:52 Uhr
Der Weichser Radi aus dem früheren Dorf Weichs gehört fest zu Regensburg. Seine beste Zeit hat er in der Biergarten-Saison. −Foto: Archiv

Nach der Leich zur Gremess beim Wirt

Das gemeinsame Mahl der Trauergäste nach der Beerdigung in einem Wirtshaus wird als „Leichenschmaus“ oder „Leichtrunk“ bezeichnet. Im Bairischen kennt man dafür die Mundartwörter „Gremess“ und „Grollas, Gralles“. Der Ausdruck „Gremess“ ist (oder war) prinzipiell in ganz Altbayern verbreitet. Das Wort ist zu erklären als die mundartliche Aussprache von „Begräbnis“, das nach Wegfall des unbetonten „e“ über „Bgräbnis“ zu „Gräbnis“ wird. Ferner resultiert nach den üblichen Assimilationsregeln „m“ aus der Konsonantenfolge „bn“ (wie bei „lem, sterm, speim“ für „leben, sterben, spei(b)en“). Und schon sind wir bei „Grämis“. Die Angleichung der zweiten Silbe an „Messe“ erfolgte sekundär, weil man das Wort in Zusammenhang brachte mit der Totenmesse, die auch das weibliche grammatische Geschlecht liefert.

In der Oberpfalz und im Bayerischen Wald kennt man den Ausdruck „Grollas, Gralles“. Zur Bedeutung findet man in Schmellers „Bayerischem Wörterbuch“ (Bd. I, Spalte 994) Folgendes: (a) in der Oberpfalz „Kindstauf- oder Kirchgang-Schmaus“, (b) in Franken „jährlicher Besuch des Pfarrgeistlichen in jedem Haus seiner Gemeinde“. Zur Herkunft des Wortes schreibt Schmeller: „Weil bey diesen Schmausereyen und Visiten oft alte Feindschaften beygelegt werden, erklären praktische Etymologen das Wort als eine Zusammenziehung von: der Groll ist aus.“ Schmeller selbst distanziert sich von dieser Deutung und erwägt andere Herkunftsmöglichkeiten, ohne zu einem überzeugenden Ergebnis zu kommen.

Die Frage kam von Ernst Wild aus Furth im Wald.

Am Grias gibt’s Griasnockerl

In Regensburg trägt die Landspitze an der Einmündung des Regens in die Donau den Namen „Am Gries“. In Nabburg gab es im Mittelalter ein „Gries-Tor“. Auch die Ortsnamen Bad Griesbach im Rottal, Lenggries, Griesstätt und Grieskirchen enthalten das fragliche Wort. Worin besteht der Zusammenhang mit dem uns geläufigen Begriff „Grieß“ für grobkörnig gemahlene Getreidekörner, mit „grießeln“ (körnig werden) und „Grieseln“ (gefrierender Regen, Niederschlag in Form von kleinen Eiskörnern)? Althochdeutsch „(der/daz) grioz“ hatte die Bedeutung: Sand, Kies, sand- oder kiesbedeckter Platz. Bei den genannten Ortsbezeichnungen verweist es auf die Nähe zu einem Gewässer, wo es Kies- oder Sandbänke gab; es bedeutet also: an einem flachen, sandigen Ufer gelegen. Das mittelalterliche „grioz“ weist Diphthong auf; daher muss in Nabburg die nordbairische Aussprache [gräis] gewesen sein, während [grias] für die Ortsnamen in Niederbayern, Oberbayern und Oberösterreich gilt. Spätmittelhochdeutsch „griëzmel“ (grob gemahlenes Mehl) wurde gekürzt zu neuhochdeutsch „Grieß“ in der heutigen Bedeutung, was ja mundartlich [grias] beziehungsweise nordbairisch [gräis] lautet: „Griasmuas, -kooch (Grießbrei), Griasnockerl“ oder auch „Gräismous, -kooch, -nockerl“.

Diese Frage stellte Josef Eimer aus Wernberg-Köblitz.

Weichser Radi und Schwabelweis

Die Weichser Radi galten als besonders schmackhafte Spezialität aus dem früheren Dorf Weichs (ehedem im Landkreis Stadtamhof), das 1924 als Regensburger Stadtteil eingemeindet wurde. Dort befindet sich das Donau-Einkaufzentrum, dessen Adresse Weichser Weg 5 ist. Zum Hotel geworden ist das Schloss Weichs. Ebenfalls Weichs heißt eine Gemeinde im Landkreis Dachau. Ein anderer Regensburger Stadtteil ist Schwabelweis. Weitere Orte mit einem Namen auf „-weis“ liegen in Niederbayern, so etwa Galgweis und das als Dackeldorf bekannt gewordene Gergweis sowie Tettenweis im unteren Rottal, Geburtsort des zum Münchner Malerfürsten avancierten Franz von Stuck (1863 bis 1928). Was bedeuten „Weichs“ und „-weis“? Die mittelalterliche Namensform aller genannten Orte war „Wîhs“ beziehungsweise „-wîhs“ – was „Dorf“ bedeutet hat wie das lateinische Wort „vicus“, mit dem es verwandt ist. Lautgesetzlich entwickelte sich das alte lange „î“ zum Zwielaut „ei“. In den einsilbigen Namen blieb die Lautfolge „(c)hs“ erhalten, als Zweitglied jedoch tritt sie vereinfacht als „s“ auf. So erklärt sich das Nebeneinander von „Weichs“ und „-weis“.

Um diese Auskunft ersuchte Verena Baumeister.

Jetz werd’s hint höher wia vorn

Wenn eine unerwartete, überraschende Wendung eintritt, mit der nicht zu rechnen war, vor allem, wenn es sich um eine unangenehme Entwicklung handelt, hört man als Ausruf der Verblüffung: „Jetz wird’s hint höher wia vorn!“ Der Ausdruck ist allgemein verbreitet, doch niemand weiß zu erklären, wie er entstanden ist. Meine Vermutung führt zur Dezimal-Brückenwaage, auch als Zehntwaage bezeichnet oder – nach einem sehr häufigen Verwendungszweck – als Kartoffelwaage. Bei einer solchen Wägevorrichtung ist der Arm des Waagbalkens mit dem Teller, auf den man die eisernen Gewichte stellt, zehnmal so lang wie derjenige der Plattform (Brücke), auf die das Wägegut kommt. In Wirklichkeit ist die Technik etwas komplizierter. Nach dem Hebelgesetz wirken die relativ leichten Gewichte verblüffend auf die schwere Last auf der anderen Seite – und umgekehrt. Steht der Mensch, der die Wägung vornimmt, hinten bei den Gewichten, und auf der anderen Seite, vorne, wird auf die Brücke eine überraschend schwere Last gestellt, so reißt es den Gewichte-Teller in die Höhe: Hinten wird es plötzlich höher als vorne. Und der überraschte Mann hinten ruft aus: „Jetz werd’s hint höher wia vorn!“

Um eine Klärung ersuchte Thomas Fleck aus Mausheim.

’s Broud is recht lullad

Der Einsender schreibt: „Neulich brachte uns ein Kollege aus dem Bayerischen Wald eine Brotzeit mit: Geräuchertes und Bauernbrot. Als der Spender das frischgebackene Brot anschneiden wollte, hatte er Schwierigkeiten und stellte fest, dass es recht ‚lullad‘ war. Könnte es sein, dass das Eigenschaftswort ‚lullad‘ von ‚Lull‘ kommt, wie die Nudeln im Bayerischen Wald heißen?“ Das dürfte wohl richtig sein. Der frische Brotlaib war weich und nachgiebig, hatte also eine Konsistenz von „Ludl, Lull“ und war deshalb nur schwer anzuschneiden.

Wenig Verbreitung zu haben scheint die mundartliche Bezeichnung „Häisdal“ für ein ungeschicktes Mannsbild mit seltsamem Benehmen. Anzusetzen ist das Wort wohl als „Helsterl“ oder „Helserl“. Aus dem bayerischen Oberland gibt es Belege für „umananderhelsen“– sich merkwürdig benehmen –, und „mit einer Helsen daherkommen“, also eingebildet sein. Ob es zusammenhängt mit „Helse(n)“, das für Pferdehals, -kopf steht?

Eingesandt von Rainer Stelzle aus Landau an der Isar

Noch mehr Bayerisch mit dem Dialektpapst Prof. Dr. Ludwig Zehetner gibt esin unserem Podcast „Basst scho!“.