Leben
500 Zimmer? Es könnten auch 900 sein

Das Thurn-und-Taxis-Schloss St. Emmeram ist das größte bewohnte Schloss Deutschlands – und für Hausherrin Gloria eine ständige Herausforderung.

16.11.2010 | Stand 16.09.2023, 21:09 Uhr
Thomas Dietz

Regensburg.Natürlich hat Fürstin Gloria von Thurn und Taxis einen Lieblingsplatz in ihrem riesigen, alten Garten: „Am Weiher ragt ein Baum über den Teich“, schwärmt sie, „da kann man so schön über dem Wasser sitzen. Das ist im Sommer ein herrliches Meditationsplätzchen.“

Das Fürstlich Thurn und Taxissche Schloss bildet den mit Abstand dicksten Brocken und mit der 20. Folge den krönenden Abschluss unserer SchlossSerie. Mindestens 500 Zimmer hat St. Emmeram – es ist das größte bewohnte Schloss Deutschlands. Seit 204 Jahren ist es Wohnsitz der Fürsten von Thurn und Taxis, die 1748 von Frankfurt nach Regensburg zogen – man stellte hier mit Fürst Alexander Ferdinand von Thurn und Taxis (1704-1773) den Prinzipalkommissar beim Immerwährenden Reichstag. Ursprünglich kommt man aus Cornello bei Bergamo, entstammt den Familien Tasso („Dachs“) und Torriani („die vom Turme“) und nannte sich Thurn und Taxis. Mit der Erfindung des modernen Postwesens wurde man ziemlich reich. Die Taxisschen Postreiter waren Tag und Nacht unterwegs: „Cito, cito“ – „schnell, schnell“ war ihr Motto.

Allein die Heizkosten!

Als Entschädigung für den Verlust des europäischen Postmonopols – das immerhin seit 1512 bestand! – erhielten die Fürsten 1812 u.a. die Klostergebäude des Reichsstiftes St. Emmeram. Sie wurden ab 1816 zur prachtvollen Residenz ausgebaut – zuletzt 1883 bis 1893 mit großzügigen Erweiterungen im Stil der Neo-Renaissance. Ablösesummen für das Postmonopol flossen noch bis 1867 und ermöglichten die Anschaffung beträchtlichen Grundbesitzes. Außer livrierten Dienern beschäftigte man noch in der Zeit des Fürsten Johannes (†1990) einen eigenen Fürstlichen Uhrenaufzieher.

Einen so großen Kasten zusammenzuhalten, ist kompliziert. Allein bei den Heizkosten dürften Normalsterbliche in Ohnmacht fallen. Fürstin Gloria drückt es diplomatisch aus: „St. Emmeram ist eine ewige Herausforderung. Man muss dieses Schloss lieben.“ Ohne ihren Schlossverwalter Wolfgang Brandl hätte sie sich schon ein paar Mal fast zwischen langen Gängen, Treppen, Gemächern und Kammern verlaufen. Natürlich nicht in den berühmten Räumen, im betörenden Kreuzgang mit seinem weltberühmten gotischen Benediktusportal. Oder im Marstall, in dem die größte Sammlung an Kutschen, Schlitten und Sänften Europas steht – eine Dynastie, die der Postkutsche Ruhm und Vermögen verdankt, pflegt dergleichen mit Liebe.

Die Fürstliche Notstandsküche

Oder im Nordflügel, heute Dependance des Bayerischen Nationalmuseums, wo Glanzstücke der Fürstlichen Schatzkammer, Porzellan, Mobiliar, Juwelen und Waffen zu sehen sind. Zu den kostbarsten Stücken gehört übrigens ein vollständig (!) erhaltenes Service von Claudius Innocentius du Paquier (1679-1751), gefertigt von seiner Wiener Manufaktur, die nur 25 Jahre lang produziert hat.

Prunkräume, Thronzimmer, die üppigen Salons, Hofbibliothek und Hofkapelle (die die Fürstin regelmäßig nutzt) sind allesamt wunderschön, die Schlossführungen spannend, anekdotenreich und faszinierend – reicht doch die lange Vergangenheit immer noch in die moderne Gegenwart: „Neben der ehemaligen Kegelbahn“, verriet die Fürstin, „da, behaupte ich, spukt’s!“ In vier Räumen dort habe sie Übernatürliches gefühlt. Drum ist sie froh, „dass es in unserem Teil keine Gespenster gibt und dass ich gleich neben meinem Schlafzimmer eine kleine Kapelle habe.“ Sie befindet sich im ehemaligen Schlafzimmer von Sisis Schwester Fürstin Helene.

Es gibt Schlossfestspiele, Weihnachtsmarkt und festliche Events. Aber es gibt seit dem Ersten Weltkrieg auch die Fürstliche Notstandsküche. Sie serviert bis heute täglich 300 Bedürftigen kostenlos ein warmes Essen.