Leben
Eine Schlossmagd mit Visionen

Sonia Chaves hat auf Schloss Traidendorf ein Tagungshaus etabliert. Ihr ehrgeiziger Plan: Das Schloss soll zu einem Mehrgenerationenhaus werden.

21.09.2010 | Stand 16.09.2023, 21:07 Uhr

Traidendorf.Als Schlossherrin hat sich Sonia Chaves noch nie gefühlt. Dabei hat sie beinahe ihr gesamtes Erwachsenenleben auf Schlössern verbracht; die vergangenen 22 Jahre auf Schloss Traidendorf bei Kallmünz. „Ich sehe mich eher als Schlossmagd“, sagt die jung gebliebene gelernte Fremdsprachenkorrespondentin. „Privat wohne ich zwar hier, aber vielleicht ab Mitternacht bis zum Morgen“, sagt sie, der die Arbeit mit Tagungsgästen, Seminarteilnehmern, Feiernden und Restaurantbesuchern in ihrem 1500 Quadratmeter großen Besitz nie ausgeht.

Besitz – auch so ein Wort, das Sonia Chaves eigentlich von ihrer Einstellung her widerstrebt. In den 70er Jahren gründete sie gemeinsam mit weiteren Mitstreitern im mittelfränkischen Zenntal ein Wohn- und Arbeitsprojekt auf Schloss Trautskirchen – damals als Pächterin. Doch als das Projekt Ende der 80er Jahre auslief, hatte sie die historischen Gemäuer so ins Herz geschlossen, dass sie sich erneut nach einem Schloss umschaute.

Erst Brasilien, dann die Oberpfalz

Schloss Traidendorf im Vilstal stand damals per Zeitungsannonce zum Verkauf. „Es war gerade noch erschwinglich“, sagt Sonia Chaves. Also griff sie zu. Die kommenden 13 Jahre renovierte sie das heruntergekommene Schloss von Grund auf. Ihr Leben, das sich einst zwischen Sao Paulo und Rio de Janeiro abspielte, hatte jetzt seinen Mittelpunkt in einem oberpfälzischen 200-Seelen-Dorf. Daran musste sich die gebürtige Hamburgerin gewöhnen – und die Einwohner von Traidendorf auch. „Vor ungefähr 20 Jahen hatten wir mal ein Seminar mit einer ‚Urschrei-Gruppe‘“, erinnert sich Sonia Chaves. „Und da ist ein Bauer mit seinem Traktor vorbeigefahren, hat die Schreie gehört und ist ganz alarmiert angerannt gekommen und hat gerufen: ‚Kann ich helfen?‘“

Traidendorf.Die Urschrei-Zeiten auf Schloss Traidendorf sind heute längst vorbei. Mittlerweile werden die Tagungsräume von den unterschiedlichsten Gruppen und Firmen genutzt, auch Chöre sind manchmal hier. Bis zu 45 Gäste kann Sonia Chaves beherbergen, bei großen Festen wie Hochzeiten oder Geburtstagen bekocht sie schon mal 120 Personen. „Es ist ein Fulltime-Job“, sagt Sonia Chaves – einen, den sie gerne macht, weil sie sich hier wohl fühlt.

Wellness im alten Gemäuer

In den Gewölbekellern, wo einst Richter über Schuld und Unschuld befanden, hat sie eine Saunalandschaft eingerichtet, die sie selbst mit Vergnügen nutzt. Eine Justitia ohne Augenbinde und etwas frivol gerafftem Umhang schmückt den Raum mit dem hell erleuchteten Tauchbecken in der Mitte. Auch in ihren Privaträumen hat sich Sonia Chaves behaglich und multikulturell eingerichtet: An den Wänden Abbildungen von Ganesha, dem Elefantengott der Hindus, ein marokkanisches, mit der Elle ausgemessenes Bett zum Hochklappen in ihrem persönlichen „Prunkraum“. „Ich dachte, wenn ich schon in einem Schloss wohne, brauche ich auch für mich und meine privaten Gäste einen schlösslichen Raum“, sagt sie. Einen Raum, der mit seiner Stuckdecke an den direkt darüber befindlichen großen Saal erinnert, der mit einer Barockstuckdecke das Glanzstück des Hauses darstellt.

Sonntags geht es auf Schloss Traidendorf immer besonders hoch her. Dann bietet Sonia Chaves ihren Schlemmer-Brunch an. „Was ich hier mache, ist halt mal ein anderes Essen. Ich mache viel vegetarisch und anspruchsvolle Sachen“, sagt sie. Zu ihren Aufgaben als Leiterin eines Tagungshauses gehört eben auch das In-der-Küche-Stehen. Und das Rasenmähen auf einem ein Hektar großen Grund, das Herrichten der Pensionszimmer, das Gewinnen von neuen Kunden. Unterstützung hat sie dabei von drei Mitarbeiterinnen. Dennoch: Jetzt, wo sie allmählich daran denkt, etwas kürzerzutreten, rückt ihre Vision für Schloss Traidendorf wieder mehr in den Vordergrund. „Von Anfang an wollte ich hier ein generationenübergreifendes Mix-Wohnprojekt machen“, sagt Sonia Chaves. Deshalb hat sie die Räumlichkeiten bei der Renovierung so gestaltet, dass sie problemlos in separate Wohneinheiten umstrukturiert werden können. „An die 15 Wohneinheiten könnte man hier realisieren“, sagt Sonia Chaves. Um ihren Traum Wirklichkeit werden zu lassen, bräuchte sie allerdings noch mindestens einen engagierten Teilhaber, der sich auf ein solches Projekt einlässt. Bis es soweit ist, genießt die Schlossherrin weiter ihr Leben als Schlossmagd. „Die Arbeit hält mich jung“, sagt sie.