Regensburg
Ambitionierte Konzerte fanden zu wenig Zuhörer

26.09.2022 | Stand 15.09.2023, 3:34 Uhr
Juan Martin Koch
Das Oslo Fat String Quartet, von links: Danijel Petrovic, Albert Noven, Henrik Bondevik, Patrick Wilde) im Jazzclub Leerer Beutel, mit Lorenz Kellhuber am Piano −Foto: Juan Martin Koch

Trotz eines mitreißenden Programms blieben beim Kammermusikfestival 2022 viele Stühle leer. Die Veranstalter planen bereits die nächste Auflage.

Ganz schön fett so ein Kontrabassquartett! Pardon, der Klang natürlich, nicht die vier Mitglieder des Oslo Fat String Quartet. Danijel Petrovic, Albert Noven, Patrick Wilder und Henrik Bondevik bewiesen bei ihrem Auftritt im Rahmen des Kammermusikfestivals aber, dass aus dem Zusammenspiel der Tieftöner nicht nur Wuchtiges, sondern auch erstaunlich Filigranes entstehen kann.

Selbst wenn nicht jede Melodie in höchster Lage hundertprozentig sauber gelang, so ist das technische Niveau des Quartetts doch höchst bemerkenswert, wie vor allem das zarte „Now is found the fairest of roses“ bewies. Die dänische Weise verkaufte Henrik Bodevik dem Publikum im voll besetzten Jazzclub kurzerhand als deutsche Volksmusik, wie überhaupt seine launigen Ansagen nicht immer für voll zu nehmen waren.

Schade, dass der erste Programmteil neben netten Pop-Medleys allzusehr auf Bewährtes (Bachs „Air“, Brahms’ 5. Ungarischer Tanz) und Fragwürdiges setzte, darunter ein mäßig gelungener Mix aus Beethoven und Michael Jackson. Aber da kam ja noch das schon für den ersten Festivaljahrgang 2020 in Auftrag gegebene „Twilight to go“ des aus Regensburg stammenden Komponisten Stefan Johannes Hanke. Pandemiebedingt konnte der kurzweilige 20-Minüter für Kontrabassquartett und Jazzklavier erst jetzt aus der Taufe gehoben werden. Hanke versucht in dem für Lorenz Kellhuber geschriebenen Klavierpart, Auskomponiertes und Improvisiertes unmerklich ineinander übergehen zu lassen. Das gelingt in einer Mischung aus freitonalen Passagen und leicht angejazzten Harmonien durchaus, zu kurz kommt aber eine echte Interaktion zwischen Piano und Basskollektiv. Dieses ist zunächst eher rhythmisch-perkussiv, später aber auch flächig-atmosphärisch gefordert.

Bevor das Festival am Sonntag mit einem Konzert des Armida Quartetts zu Ende ging, bildete die Matinee im Leeren Beutel den Abschluss eines über die klassische Kammermusik hinausblickenden Programmblocks. Der hätte mehr Zuschauer verdient, als sie sich vor allem zu den Auftritten des Saxophonisten Philipp Gerschlauer versammelten.

Während Gerschlauer im Heart Club in Quartettbesetzung passend zum Festivalmotto „Zwischentöne“ anspruchsvollen, stellenweise durchaus mitreißenden Viertelton-Jazz präsentierte, bestritt er ein Nachtkonzert in der Bruderhauskirche komplett solo. Dabei überzeugte seine dreiviertelstündige „Celestial Church Music“ vor allem dort, wo er tatsächlich nur mit seinem Saxophon die Raumakustik zum Mitgestalter machte, während sein Spiel zu selbst erzeugten Orgelpunkten und Akkordbrechungen auf den beiden Instrumenten der Kirche zunehmend eindimensionaler wurde.

Vor allem auf den illustren Namen Jocelyn B. Smith hatten die Veranstalter wohl mehr Resonanz erwartet. Die Wahlberlinerin ließ aber ihr Charisma so mühelos spielen, dass ihr der nur halbwegs ordentlich gefüllte Lokschuppen der Music Academy innerhalb kürzester Zeit zu Füßen lag. Gesanglich war das zwischen Jazzrock, R&B und leicht anstrengenden Weltumarmungsballaden angesiedelte Programm überragend, und auch die Band um Volker Holly Schlott kam zwischenzeitlich gehörig in Fahrt.

Benedikt Wiedmann von der Festivalleitung räumte ein, dass hier die gezielte Ansprache eines über das Kerngeschäft Kammermusik hinaus interessierten Publikums nicht wie gewünscht funktioniert habe. Insgesamt zog er im Gespräch mit der MZ aber eine positive Bilanz. Man habe aufs Ganze betrachtet nach schleppendem Vorverkauf die bisher höchste Zuschauerzahl erzielt und durch Schulbesuche auch viele junge Menschen erreicht.

Für den vierten Durchgang des Festivals, von 16. bis 24. September 2023, will man in Anlehnung ans kulturelle Jahresthema der Stadt („Höhenflug“) die Themen Wunderkind und Virtuosität in den Blick nehmen. „Es soll aber auch in Grenzbereiche gehen, in absturzgefährdende Regionen sozusagen“, kündigte Wiedmann an. Ab 28. April 2023 wissen wir mehr.