Ausstellungseröffnung
Art Affair Regensburg: Die Feier des immerwährenden Augenblicks

20.11.2022 | Stand 15.09.2023, 2:50 Uhr
Peter Geiger
Karl-Friedrich Krause (links) freut sich, gemeinsam mit seinem Sohn Christopher Seidl das farbgewaltige Oeuvre von Willi Siber in der gemeinsamen Galerie Art Affair präsentieren zu dürfen. −Foto: Fotos: Geiger

Willi Siber steht im Ruf, ein „Spieler“ und ein „Materialforscher“ zu sein. Blättert man sich durch die zahlreichen Kataloge, die hier am Samstagabend bei der Ausstellungseröffnung in der Galerie Art Affair in Regensburg aufliegen, so stößt man immer wieder auf diese Zuschreibung.

Aber: Bewegt man sich offenen Auges durch die rund 50 Arbeiten umfassende Ausstellung, so drängt sich immer mehr der Eindruck auf, dass wir es in dem 1949 unweit von Biberach als Sohn eines Schreiners geborenen Objektkünstlers mit einem Zauberer zu tun haben.

Plakative Farben

Sein Trick ist so einfach wie genial: Mit plakativen Farben verhüllt er die Materialität seiner Arbeiten. Egal, ob es sich um Holz, um Faserplatte oder um Stahl handelt – seine kräftigen, intensiven Farben, sie lassen das verschwinden, was sie trägt. So spiegelt sich im Glanz konkaver oder konvexer Oberflächen nicht nur die Welt in ihrem gesamten Spektrum.

Es passiert noch Entscheidenderes: Er beraubt sie so der Last ihrer Genesis. Verrückt sie in die Zone reiner Gegenwart. Und lässt so etwas entstehen, was als nicht verwelkende Schönheit bezeichnet werden muss. So gelingt ihm die Feier des puren, in alle Ewigkeit fortwirkenden Augenblicks. Ein faustischer Pakt, eingegangen mit dem Wunderwerk von Autolacken und Chromfarbe.

Eigentlich hatte Galerist Karl-Friedrich Krause gehofft, Willi Siber zur Ausstellungseröffnung erneut persönlich begrüßen zu dürfen. Aber, letzte Woche bei ihrem Treffen auf der Art Cologne, da hatte es sich schon abgezeichnet: Der Künstler musste seinen Besuch in Regensburg krankheitsbedingt absagen. Der Termin fürs Gespräch mit seinem Publikum hier in der Oberpfalz muss verschoben werden, auf Donnerstag, den 15. Dezember. Die Reaktion, die seine Arbeiten auslösen, sind freilich ähnliche wie in Köln („Schon am Vorabend der Eröffnung“, berichtet Krause, „war fast alles weg!“) oder in San Francisco. Dort war es kein Geringerer als Al Gore, der vor 22 Jahren bei der US-Präsidentschaftswahl denkbar knapp unterlegene Klimaschützer von den Demokraten, der sich die Magie der Siber’schen Arbeiten sicherte – und die Caldwell Snyder Gallery leerkaufte.

Entscheidende Impulse für jene Werkgruppe, bei der Willi Siber Nägel mit Epoxidharz überzieht, bezog er übrigens von seinem eine Generation älteren Kollegen, dem 1930 geborenen Günther Uecker. Nur, dass es bei ihm nicht darum geht, Ornamente oder Muster entstehen zu lassen. Sondern: Die Anordnung ist bewusst wahllos und chaotisch gestaltet. Aber auch hier gilt: Das, was entsteht, ist von kräftigem Blau oder strahlendem Weiß verhüllt. Und somit jeder Gefahr der Alterung durch Korrosion entzogen.

Gesetze der Physik

Nur eines erweist sich als Feind des Oberflächenglanzes: Es ist der Staub. Weshalb Christopher Seidl, Krauses Sohn und Juniorchef der Galerie, nach einem absolvierten Studium der Betriebswirtschaft gerade ein Online-Seminar in Sachen Kunsthandel bei Christie’s Auctions & Private Sales in London belegt, mit einem Wedel unterwegs ist. Und puschelt und puschelt und puschelt. Denn den Gesetzen der Physik und der Elektrostatik vermag auch der Zauber der Kunst nicht zu trotzen.