Kultur
Bayerischer Poetentaler geht an Harald Grill „Das Grenzüberschreitende ist mir wichtig“

08.09.2022 | Stand 15.09.2023, 3:44 Uhr
Harald Grill erhält von Jürgen Kirner (rechts) den Poetentaler 2022. −Foto: Johannes Häglsperger

Harald Grill könnte mit seinen Auszeichnungen locker eine Wohnzimmerregalwand bestücken, aber seine jüngste Ehrung, der Poetentaler, der passt zu seinem Werk so gut wie die Stiefel, in denen er sich Europa erwandert hat, an seine Füße.

Wie zart der Dialekt – an dem die Zuschreibung „derb“ bappt wie das Biernoagerl am Wirtshaustisch – wie zart der Dialekt also die Liebe zur Heimat ausdrücken kann, das weiß man durch Harald Grill. Und auch, dass Liebe nicht blind macht, sondern sehend.

Harald Grill schaut gut hin, blickt tief und bleibt ehrlich. Seine „ausgeprägte Sehnsucht nach der verloren gegangenen Einheit von Mensch und Schöpfung“ unterstreichen die Münchner Turmschreiber zur Verleihung des Poetentalers. Grill freut die Ehrung, was keine Selbstverständlichkeit ist. „Früher hab’ ich mit den Turmschreibern nicht viel am Hut gehabt, zu viele Mia-san-Mia“, sagt er am Tag nach dem Festakt. „Aber heute passt’s mir.“

Grill las vor 250 Gästen im Münchner Schlachthof Gedichte, die er aus dem Spanischen und dem Tschechischen übertragen hat. „Weil man das Bayerische pflegen kann, ohne das andere auszusperren“, sagt er. Sehr einig war es sich da mit Jaromir Konecny, der als einer der neuen Turmschreiber wild beklatscht wurde. Der Poetry-Slammer, der Schiffsmeister in Tschechien war, der über Bioinformatik promoviert hat und heute als Sprachkünstler Preise sammelt, hörte bei Grills Gedichten genau zu. „Das Grenzüberschreitende ist mir wichtig“, unterstreicht Grill. „Da waren wir dann beinander.“

Jürgen Kirner vom Präsidium der Turmschreiber spricht am Mittwoch von einer „rauschenden Poetenparty“. Vier Taler überreichte er: an Eisi Gulp, Luise Kinseher, Michaela Karl und Harald Grill. Alle Vier, hieß es, haben sich um Bayerns Kultur besonders verdient gemacht. Harald Grills Verdienst ist es, dass er, früher als andere, der Mundart als Literatur Anerkennung verschafft hat. Schnörkellos, schwafelfrei und spröde, dabei prägnant und präzise erforscht er Bayern in Erzählungen, Gedichten und Romanen, in Hörspielen und Theaterstücken.

Wenn er nicht schreibt, dann geht er. 2000/2001 durchwanderte er Europa. Die Eindrücke verarbeitete er in zwei Büchern, jedes 600 Seiten dick, die druckreif vorliegen, aber wegen Corona nicht auf den Markt kamen. Der Doppelroman, sagt Grill am Mittwoch, erscheint „erst, wenn’s geht“.