Kultur
Berührende Bittgesänge auf dem Adlersberg

20.09.2022 | Stand 15.09.2023, 3:36 Uhr
Michael Scheiner
Cantus München auf dem Adlersberg, von links: Gerhard Hölzle, Birgit Rolla, Gerlinde Sämann, Marcus Schmidl, Mirjam Striegel und Benedikt Heggemann −Foto: Michael Scheiner

Das Konzert von Cantus München in der Dominikanerinnenkirche auf dem Adlersberg katapultierte das Publikum in eine andere Sphäre, so formulierte es ein Zuhörer.

„Ein Stimmwerck für die Vokalpolyphonie der Renaissance“ nennt sich das sechsköpfige Ensemble – mit einem übergroßen Zeigefinger auf seine Abstammung. Es versteht sich als Nachfolger von Stimmwerck, dem regional verbundenen Vokalensemble, das die Stimmwerck-Tage auf dem Adlersberg ins Leben gerufen und sich 2019 aufgelöst hat.

Mit ihrem neu gegründeten Gesangsensemble sind die früheren Stimmwercker Marcus Schmidl, Bass, und Gerhard Hölzle, Tenor, an die einstige Wirkungsstätte zurückgekehrt. Cantus München knüpft aber nicht nur stilistisch und musikgeschichtlich an das Wirken der Vorläufer an, auch inhaltlich will es den Schwerpunkt weiterführen und besonders Augenmerk auf die Literatur im deutschsprachigen Raum richten. Leonhard Pamingers „Piae Preces“, fromme Bittgesänge, die das Ensemble mit großer Hingabe und mit stimmlich wundervoller Balance vorstellte, fügen sich nahtlos in diese Historie. Bereits 2009 reüssierten die Vorgänger mit einem Paminger-Programm, darunter langen Psalmvertonungen, aus dem sie auch die Aufnahmen für ein noch heute erhältliches Album destillierten. Hölzle und Schmidl planen, auch mit Cantus und dem neuen Programm Aufnahmen zu machen und im Frühjahr ein Album vorzustellen. Es wird vermutlich auch das „Precatio Pro Pace“ enthalten, Pamingers so sanftes, wie eindringliches „Gebet für den Frieden“.

Gesungen mit großer Innigkeit, eröffnete die Gruppe mit dem Werk ihr Konzert in der nur schwach besetzten Kirche. Die blinde Sopranistin Gerlinde Sämann zeigte sich nach dem Konzert beeindruckt von der Akustik des Gotteshauses, das sie zunächst „als sehr karg, fast abweisend, aber auch voller Erhabenheit“ empfunden hatte, wie sie später gestand.

Schmidls markanter und dabei geschmeidiger Bass korrespondierte in den Motetten höchst trefflich mit den Stimmen von Hölzle und Benedikt Heggemann, Tenor, von der Altistin Birgit Rolla, sowie von Sämann und Mirjam Striegel, beide Sopran. Die Ausgewogenheit des Gesamtklangs trug dazu bei, dass alle Stimmen von der Quartett- bis zur vollen Besetzung immer klar durchhörbar waren. Überraschend waren die Akkorde Pamingers, die den Singenden einiges ab verlangten. Auf das Album darf man gespannt sein, es verdient mehr Aufmerksamkeit als das Live-Erlebnis, das einen in eine andere Sphäre katapultieren konnte.