Kultur
Im Regensburger Audimax: Ergreifender Protest gegen das Böse

09.01.2023 | Stand 15.09.2023, 2:10 Uhr
Claudia Böckel
Das Bayerische Landesjugendorchester gastierte im Audimax Regensburg. Die jugendlichen Musiker lieferten eine großartige Leistung ab, −Foto: altrofoto.de

Frisch, kraftvoll, virtuos: Das Bayerische Landesjugendorchester packt Dmitri Schostakowitschs „Epos der Qual“ entschlossen an und überzeugt mit seinem Konzert auf ganzer Linie.

Mit einer der drei „Kriegssinfonien“ von Dmitry Schostakowitsch beginnt das Konzertjahr 2023 im Audimax Regensburg. Die Bühne ist voll besetzt mit einem riesigen Aufgebot junger Leute. Nach der weihnachtlichen Arbeitsphase des Bayerischen Landesjugend Orchesters folgen sieben Konzerte in verschiedenen Städten mit den Orchesterliedern von Richard Strauss und eben der achten Sinfonie c-Moll op. 65 von Schostakowitsch.

Als ein Epos der Qual wurde die Sinfonie bezeichnet, die in den Wochen nach der Schlacht von Stalingrad 1943 entstand. Dem Dirigenten Karl Sanderling gegenüber berichtete Schostakowitsch, er wolle „den Schrecken des Lebens eines Intellektuellen in der damaligen Zeit“ vertonen. Es ist auch der Schrecken unserer Zeit. Die riesenhafte Sinfonie, deren Aufführung 65 Minuten dauert, ist ein einziger Protest gegen das Böse und gegen die Gewalt. Der erste Satz ist ein groß angelegtes Adagio, in dem Klangflächen gegen einander gesetzt werden, in dem pulsierende Rhythmen immer präsent sind, über denen große Kantilenen liegen.

Das Zuhören ist eine Freude

Das jugendliche Orchester – die Musiker sind 13 bis 20 Jahre alt – packt das so schwierige Werk mit so viel Frische, Entschlossenheit und Kraft an, dass es eine große Freude ist, zuzuhören. Die Bläsermaschinerie läuft gut, die sechs Schlagzeuger steigern die Lautstärke des enormen Streicherapparates mit allein neun Kontrabässen, 14 ersten und zweiten Geigen noch einmal bis in gigantische Fortissimo-Regionen. Zur Reprise überleitend erklingt ein langes, rezitativisches Solo des Englischhorns, zum Niederknien ergreifend gespielt.

Joseph Bastian am Pult lässt der Solistin hier alle Freiheiten. Der französisch-schweizerische Dirigent, der als eines der spannendsten Talente der jüngeren Generation gilt, führt die Musiker ruhig und präzise durch alle Klippen der ausladenden Partitur. Klares Taktschlagen kann so viel Ruhe reinbringen in die aufwühlende Musik. Bastian wird ab nächster Saison die Münchner Symphoniker und das Orchester Dijon Bourgogne leiten und hat selbst eine Karriere als Posaunist vom Jugendorchester bis zu den Berliner Philharmonikern hinter sich.

Innige Klanggespinste

Den zweiten Satz nimmt der Dirigent geradezu beschwingt, als Marsch mit Elementen eines Scherzos. Satte Klangfülle steht hier neben Schrillem, mit hoher Präzision projiziert man die Bilder des Bösen auf grotesken Hintergrund. Mit beeindruckenden Violen-Vierteln startet der toccatenhafte dritte Satz, Schläge der Streicher und Schreie der hohen Bläser strukturieren ihn, automatenhafte Rhythmen laufen durch. Der vierte Satz beruhigt mit dem zwölf Mal erscheinenden Passacaglia-Thema im Bass, kommt ohne große Steigerungen aus. Groß angelegt in lichtem C-Dur schließt die Sinfonie mit vielen Solopassagen und Erinnerungen an das Thema des ersten Satzes mit seinen charakteristischen Sekundschritten. Die jungen Musiker und ihr umsichtiger Dirigent haben hier eine großartige Leistung abgeliefert.

Komplettiert wurde das Programm durch die sechs Orchesterlieder von Strauss. Innig ruhige Klanggespinste liegen hier unter der zauberhaften Singstimme von Lydia Teuscher. Sie bringt in feinsten Abschattierungen die Straussschen Kantilenen zum Klingen.