Kabarett
Keine Spur von Schmierlappigkeit

„Humordauerdienst oder: Weg ist das Ziel“: Das dreiköpfige Regensburger Statt-Theater-Ensemble präsentiert sein 39. Programm.

18.04.2018 | Stand 16.09.2023, 6:08 Uhr
Peter Geiger

Die drei vom „Humordauerdienst“ im Statt-Theater (von links): Tobias Ostermeier, Inge Faes und Matthias Leitner Foto: Geiger

Regensburg. Ein gelungener Kabarettabend hat im besten Fall immer etwas von einem Bombenrausch: Am Tag darauf ist man ahnungslos, was konkrete Einzelheiten betrifft. Was bleibt, ist nur so eine Ahnung, ein inneres Raunen. Ein emotional abrufbares Empfinden, dem Vergessensnebel entrissene Bilder und Fragmente, die einen daran gemahnen, dass das Gestrige was ganz Dynamisches, Besonderes und auch Buntes gewesen sein muss! Was zum Lachen, aber auch zum Nachdenken! Etwas, das man jederzeit und besten Gewissens weiter empfehlen kann. Aber – wie gesagt – konkrete Einzelheiten?

Ja, genau so ergeht es dem Besucher des neuen, mittlerweile 39. Programms des Statt-Theater-Ensembles: Denn von Anfang wird er von den drei Akteuren, der nicht nur mimisch höchst agilen Inge Faes sowie von ihren beiden männlichen Begleitern, dem auch jenseits des Klaviers brillierenden Matthias Leitner und seinem grandios aufspielenden Kollegen Tobias Ostermeier, unter humoristisches Dauerfeuer genommen; und tief eingetaucht in jene komplexen Kuriositätenketten, die der schnelllebige Alltag unserer Gegenwart zu bieten hat.

Wobei, ein Begriff – besser: eine Buchstabenkette – dürfte bei jedem Gast so tief in die Hirnrinde eingeritzt worden sein, dass ihn auch die größte Humor-Rauschkugel tags darauf noch lallen kann: SPD! Ja genau, jene Partei, die acht Monate vor der Bundestagswahl auf den Schulzzug aufgesprungen war, zuerst in einen Hype und dann in Verwirrung geriet und sich am Ende in einer Achterbahn wiederfand, in der Geister saßen, die auch noch Haare im Gesicht hatten. Diese alte Tante, sie bekommt von den Dreien nicht nur ihr Fett weg, sie muss den Kakao, durch den sie gezogen wird, am Ende auch noch auszuzeln, mit dem Stimmungshöhepunkt: „Ach wärst Du doch in Brüsseldorf geblieben!“.

Streiterprobte Urgesteine

Bertl und Kurtl, die streiterprobten bayerischen sozialdemokratischen Urgesteine, dagegen sind sich einig: „Erholung in der Opposition? Kennt die Bayern-SPD doch seit Jahrzehnten!“ Und was hat sie programmatisch gebracht, die Auszeit? Richtig: Der Rest ist Aiwanger. Wenn aber Ortsvereinsgitarre und Piano Seit’ an Seit’ die alten Lieder anstimmen, dann wird aus dem Traditionsbestand der Arbeiterbewegung ein Reggae. Und die Utopie nimmt die Gestalt der Malediven an.

Trotz alledem: Thematisch kriegt das Ensemble dann doch immer wieder die Kurve, raus aus der Scheibenwischer-Theatralik – rein etwa ins Smarthome. Ostermeier erklärt zunächst, wie seine Beziehung (Dreiklang der Krisenabfolge: „Emotion, Organisation, Resignation“) zu scheitern drohte. Doch in Gestalt der digitalen Trinität von Apples „Siri“, Amazons „Alexa“ und Googles „Home“ hat er schließlich Seelen- und Eherettung erfahren.

Leitner dagegen führt wort- und schmerzensreich eine Blasenspiegelung durch – will sagen: Er untersucht, wie jene durch Algorithmen ausgelösten gruppendynamischen Prozesse in sozialen Netzwerken unser Denken beeinflussen. Und Inge Faes? Bekennt sich offen dazu, dass ihr in all den Jahren, die sie dem Statt-Theater die Treue hielt, kein Hashtag „metoo“ untergekommen sei. Zwar habe Peter Nikisch sie begutachtet, für jene Tourneen, die das Ensemble einst (höhö!) von Windischeschenbach nach Alteglofsheim führten, auf der von ihr extra für solche Zwecke bei einem schwedischen Möbelhaus angeschafften Besetzungscouch „Klippan“. Aber der Prinzipal des Hauses (der noch immer Texte liefert und zur Zugabe singend auf der Bühne erschien), er habe sich in all den Jahren partout keine Spur von Schmierlappigkeit zugestanden!

Absolut auf der Höhe der Zeit

Und so bricht Inge Faes nicht nur das Schweigen, sondern auch eine Lanze für jene große Mehrheit anständiger Männer, die ihr ein Berufsleben lang dies- und jenseits der Bühne begegneten. Und ruft auf zur Abrüstung im Geschlechterkampf.

Das ist nicht nur klug, differenziert und absolut auf der Höhe unserer Zeit. Das ist auch grandios und glaubwürdig gespielt. Wie hat sich’s das Statt-Theater-Ensemble selbst aufs Panier geschrieben? Man sei witzig, spritzig, am Puls der Zeit und kräftig gegen den Strich gebürstet. Ja, kann man so sagen! Weshalb sich das Publikum in den nächsten Monaten getrost dem Rausch dieses zweistündigen „Humordauerdienstes“ aussetzen kann!

Nächste Vorstellungen: Freitag, 20., und Samstag, 21. April; dann wieder ab 8. bis 12. Mai, von 15. bis 19. Mai sowie zwischen 6. und 30. Juni.