Regensburg
Krimi-Lesung in der Goldenen Bar: Tiefe Einblicke aus einem Auge

26.09.2022 | Stand 15.09.2023, 3:34 Uhr
Peter Geiger
Friedrich Ani in der Goldenen Bar des Münchner Hof: Der Autor, hier beim Signieren, las aus seinem Roman „Bullauge“. −Foto: Peter Geiger

Friedrich Ani ist der Literat unter den deutschsprachigen Krimi-Autoren. In der Goldenen Bar in Regensburg und auf Einladung des „Bücherwurm“ stellte er jetzt seinen neuen Roman „Bullauge“ vor.

Kay Oleander heißt der Ich-Erzähler in Friedrich Anis neuem Roman „Bullauge“. Den Polizisten traf bei einer Querdenker-Demo eine Flasche – wer sie geworfen hat, bleibt über fast 260 hochspannende Seiten unklar – so unglücklich, dass er ein Auge verlor. Seither ist für ihn gar nichts mehr okay, auch wenn er versucht, den Verlust mit Humor zu verarbeiten. Die Augenklappe, die er jetzt tragen muss, erinnert ihn „an alte Zeiten auf hoher See im Kinderzimmer“. Er tröstet sich: „Mit einem Auge weniger halbiert sich nicht gleich die ganze Welt!“

Friedrich Ani lässt den vom Dienst freigestellten Polizisten die Flaute der Rekonvaleszenz erleben. Als Kay Oleander Silvia Glaser kennenlernt, eine Frau, die populistischer Verführung schon erlegen war, nach einem Unfall aber zur Besinnung gelangte, blickt der Einäugige immer tiefer hinein in die Szene der von Empörungskultur empor getragenen, selbsternannten Verteidiger von Freiheit.

Bei der Lesung des „Bücherwurm“ in der Goldenen Bar im Münchner Hof verrät Friedrich Ani natürlich nichts, was zur Klärung des Verbrechens beiträgt. Aber: Er sorgt dafür, dass dem Lesepublikum die Zähne lang werden. Um die Falle der Aktualität zu meiden, ergänzt er seinen Plot um personelle Verwicklungen, die auf das Oktoberfest-Attentat und somit auf das Jahr 1980 verweisen und sorgt für historische Tiefendimension. Wenn Friedrich Ani im zweiten Teil der Lesung Kay Oleander zum Rendevouz mit dem namenlosen Bösen schickt, gipfelt das in der Erkenntnis des Ich-Erzählers: Seine Neugier war „ein schrecklicher Fehler“.

Der Autor, der mittlerweile bei Suhrkamp unter Vertrag steht, gilt nicht nur als „der Literat“ unter den deutschsprachigen Krimi-Autoren gilt, sondern auch als Meister im Spezialfach „noir“. Das hat auch deutliche Spuren auf Kino-Leinwand und TV-Bildschirm hinterlassen hat: Dominik Graf, der wohl bedeutendste Krimi-Regisseur hierzulande, hat mit Friedrich Ani kooperiert, auch die Macher von „Tatort“ oder von „München Mord“.

Weil der Autor zugleich ein sehr geduldiger und netter Mensch ist, beantwortet er die Fragen aus dem Publikum in der Goldenen Bar mit Präzision und erkennbarem Willen zur Wahrheit. Als eine Leserin wissen möchte, wie er seine Plots entwickelt, holt er aus. Er spricht von vier- bis fünfseitigen Exposés, die er dem Verlag vorgelegt. Beißt der an, entwickelt er über mehrere Wochen „wie manisch, wie ein Depp“ einen ersten Entwurf. Oft aber sei er „entsetzt“, welchen „Quatsch, sprachlich, aber auch inhaltlich“ er da abgeliefert hätte. Es bedürfe einer zweiten, dritten und oft vierten Fassung, bis er schließlich zufrieden sei. – Wie sehr er das auch die Leser sein können, das beweist Friedrich Ani mit diesem tief blickenden „Bullauge“.