Autorin
Mach dich locker! Ein rotzfreches Buch lieben alle

Alexandra Reinwarth aus Regensburg trifft einen Nerv. Ihr Ratgeber „Am Arsch vorbei geht auch ein Weg“ steht in den Top Ten.

11.11.2016 | Stand 16.09.2023, 6:43 Uhr

Alexandra Reinwarth: „Am Arsch vorbei geht auch ein Weg“ ist die Lebensphilosophie der 43-Jährigen. Foto: Cathy Dupré

Regensburg. Schminken Sie sich noch, wenn Sie morgens zum Bäcker gehen? Treffen Sie noch alte Kumpels, die Ihnen längst auf den Senkel gehen? Und: Machen Sie sich einen Kopf, wenn Ihr Partner sich anders benimmt, als Sie es erwarten? Alexandra Reinwarth kann helfen. Die Autorin, die aus Regensburg stammt und in Spanien lebt, hat in ihrem neuen Ratgeber die Erfahrungen aus ihrem 43-jährigen Leben gefiltert. Die Summe ihrer Erkenntnisse: „Am Arsch vorbei geht auch ein Weg“.

Das Sachbuch verkauft sich glänzend (bisher: rund 70 000 Mal), steht seit Wochen in den Top Ten der Spiegel-online-Bestsellerliste, kletterte zeitweise sogar auf Platz 3 und schaffte es damit auf Augenhöhe etwa zu Krimi-Königin Donna Leon (in der Kategorie Belletristik). Keine schlechte Karriere für eine junge Frau, die die Killermann-Schule und das Goethe-Gymnasium besucht, nach dem Abi an der FOS in Kneipen jobbt und erst mal in München Sozialpädagogik studiert. Bei einer Spanien-Reise mit Freunden bleibt die Regensburgerin im Süden hängen. Heute lebt sie mit Mann und Kind in Barcelona – und schreibt seit rund zehn Jahren, Buch auf Buch, Erfolg auf Erfolg.

Experimente am eigenen Leib

„Sie ist ein Mensch, den wirfst du aus dem Hubschrauber über dem Urwald ab und er kommt durch. Um sie muss man sich nicht kümmern“, sagt Eva Meier über ihre Tochter, die es inzwischen in Talkshows, in Magazine wie „Cosmopolitan“ und ins Frühstücksfernsehen geschafft hat. „Früher stand in ihren Zeugnissen immer: Sie ist eine überaus selbstbewusste Schülerin.“ Die Mutter, die in Regensburg lebt, ist ohne Frage stolz auf ihre taffe Tochter, auch wenn sie mit ihr ab und an Kämpfe ausfechten muss. „Wenn ich mich nicht entscheiden kann zum Beispiel – damit komm’ ich bei Alexandra nicht durch. Da bleibt sie hartnäckig.“

Im Meer der Ratgeber behaupten sich die Bücher mit konkreten Tipps, formuliert ohne moralischen Appell. Reinwarth hat ein gutes Auge. Sie sieht, was wir nicht gern zeigen, und steuert ohne Umwege drauf los. Sie schreibt im Ton einer Freundin, sehr salopp, unverblümt und rotzfrech, und sie sammelt zuvor Erfahrungen am eigenen Leib. Für „Das Fitnessprojekt: Wie ich (fast) jeden Scheiß ausprobierte, um in Form zu kommen“ zum Beispiel, 2012 erschienen, schreckt sie auch vor Grenzerfahrungen wie Reizstrom nicht zurück, holt sich viele blaue Flecken und einige legendäre Muskelkater. Am Ende ist sie kaum fitter als zuvor.

Einen Anstoß für das jüngste Buch gibt eine nervige Freundin, die sich nur meldet, wenn die Katze versorgt werden muss oder ein Umzug ansteht. Alexandra Reinwarth schickt sie mit einem herzlichen „Fick dich“ zum Teufel – und fühlt sich befreit. „Das Leben war schöner ohne sie.“

Mehr Muße und mehr Schokolade

Bikinifigur? Am Arsch vorbei! Ein besserer Mensch werden? Am Arsch vorbei! Afterwork-Dates mit langweiligen Kollegen oder beknackte Whats-App-Gruppen, die einem nur Zeit stehlen? Am Arsch vorbei! Alexandra Reinwarth mistet gründlich aus. Das Leben kann schließlich ruhig mehr Freiheit, Muße, Eigenbestimmung und Schokolade vertragen.

Die Autorin probiert diverse Dinge und stößt auch an Grenzen, diese zum Beispiel: Das Kind ungeschminkt in die Kita zu bringen, ist okay. Sich im Schlabberlook an den Schreibtisch in der Werbeagentur zu setzen, nicht. Das beklemmt mehr als es befreit.

Auf dem Selbsterfahrungstrip warten Fallstricke und Fettnäpfchen. Reinwarth kommt in sehr komische Situationen und sie hat das Talent, sie auch sehr komisch zu erzählen. Schluss mit lustig ist vor allem bei Familie; die ist sozusagen die Kür in Sachen Arsch-vorbei. Je dicker die Bande, um so schneller auf der Palme. Sich abschütteln, wenn’s um die Liebsten geht, auch wenn sie unausstehlich sind, ist halt nicht so einfach.

Wer den exzessiven Gebrauch von „Arsch“ nicht mag, wird auch das Buch nicht mögen. Wer da schmerzfrei ist, wird die 183 Seiten in zwei Tagen durch haben und viel lachen. Allerdings: Wer nur tut, wonach ihm ist, kann ganz schön auf die Nase fallen. Und er wird nicht entdecken, was für tolle Möglichkeiten vielleicht schon hinter der nächsten Ecke warten. „Am Arsch vorbei geht auch ein Weg“ bietet eine breite Autobahn an, auf die Leser begeistert einbiegen. Allerdings: Manchmal gibt’s nur den steinigen Weg. Das weiß sicher auch Alexandra Reinwarth, die sich ja doch sehr fleißig an ihren PC setzt und schreibt. Das Buch wird gefeiert, nein: geliebt. Die Leser, größtenteils Frauen, fühlen sich geradezu erleuchtet, befreit vom Joch des Gefallen-Müssens, von Opfertum und Schuldfragen. Eine Youtube-Rezensentin spricht dem Ratgeber mit leuchtenden Augen lebensverändernde Kräfte zu. Dabei ist die Botschaft straight und simpel: Das Leben ist manchmal fies – akzeptiere es. Und: Du bist nicht der größte Wurf unter der Sonne – leb’ damit.