Musik
Markante Stimme: Klaus Meine wird 70

Scorpions-Frontmann Klaus Meine wurde zum Vorbild für eine ganze Armada von Heavyrock-Shoutern. Am 25. Mai wird er 70.

17.05.2018 | Stand 16.09.2023, 6:13 Uhr
Olaf Neumann

Der Sänger der Rockband Scorpions, Klaus Meine Foto: Stig/Lehtikuva/dpa

Hausbesuch bei Klaus Meine? Der ist doch sowieso nie da. Stimmt. Am besten trifft man sich mit dem Sänger am Flughafen in Hannover-Langenhagen oder in Mousse Ts Peppermind Park Studio auf dem Expogelände. Da sitzt er schon – pünktlich wie die Maurer. Auf dem Kopf sein Markenzeichen, das schwarze Käppi, verkehrt herum. Er hat die Rockerkluft angelegt mit Jeans, T-Shirt, Halstuch und schwarzer Lederjacke. Klaus Meine ist 1,68 groß und sieht für seine 70 Lenze erstaunlich frisch aus.

Der gelernte Dekorateur hat alles erreicht, wovon Musiker nur träumen können. Die Scorpions spielten als erste und einzige deutsche Band dreimal nacheinander im ausverkauften Madison Square Garden in New York, 2017 waren sie wieder in der legendären Rockarena. Sie waren mit drei Alben gleichzeitig in den US-Charts vertreten. Sie hatten mit dem Mauerfall-Song „Wind Of Change“ einen echten Welthit und verkauften bis heute 100 Millionen Tonträger.

Klaus Meine könnte sich also auf seinen Lorbeeren ausruhen. Doch er will einfach keine Ruhe geben und spreizt trotz bereits erfolgter Rücktrittserklärung weiter seine Finger in die Kamera. Dabei wirkt er zuweilen wie gefangen in seiner eigenen Kunstfigur, denn er und seine Kollegen Rudolf Schenker (69) und Mathias Jabs (62) sind dazu verdammt, wie in einer Endlosschleife immer wieder dieselben Posen abzuspulen. Statt ihre Fans wie in den späten 1990ern mit Kuschelrock einzulullen, hauen die Senioren ihnen heute wenigstens wieder harte, rhythmusbetonte Songs mit authentischem Rock’n’Roll-Feeling und prägnanten Melodien um die Ohren.

Der Duft von Leder und Schweiß

Sprechende Titel wie „Going Out With A Bang“ und „Eye Of The Storm“ verströmen den Duft von Leder, Schweiß und Benzin – inklusive der wilden Riffs von Schenker, der virtuosen Gitarrenkunst von Jabs und der metallisch hohen Stimme des Sängers Meine, die einem die Nackenhaare aufstellt. 1981 hätte er sie beinahe verloren, aber nach einer Operation klang sie sogar noch markanter. Manche behaupten allerdings, sein Englisch klinge nicht besonders überzeugend.

Laut einem amerikanischen Metal-Magazin hat Klaus Meine die bei Weitem beste und markanteste Stimme von allen Hard-Rock-Bands der 80er Jahre. Meine freut sich über das Lob und erzählt aus dem Nähkästchen: „Letztes Jahr spielten wir in Las Vegas unser erstes Residency im Hardrock Hotel mit fünf Shows. Bei der Gelegenheit bekamen wir von einem großen Musikmagazin einen Preis überreicht in Gegenwart vieler Musiker. Jeder, der an dem Abend einen Award erhielt, erwähnte die Scorpions und mich als Sänger als Inspiration. Es hat uns selbst überrascht, wie breit das gefächert war. Selbst die ganz harten Kerle nannten uns als Einfluss.“

Billy Corgan von den Smashing Pumpkins preist Klaus Meine sogar als einen der besten Rock-Sänger überhaupt, und Kirk Hammett von Metallica ist seit seinem 15. Lebensjahr besessen von Scorpions-Songs wie „The Sails of Charon“. Als Metallica einmal in Hannover spielten, sind die Scorpions mit ihnen durch die Stadt gezogen und haben ihnen gezeigt, wo sie herkommen. Laut Rudolf Schenker bekam dessen jüngerer Bruder und zeitweiliger Scorpions-Leadgitarrist Michael 1973 das Angebot, bei den Rolling Stones einzusteigen. Auch Aersmith wollten das Supertalent haben. Aber Michael Schenker hielt lieber Abstand von diesen drogenverseuchten Megabands und stieg bei UFO ein.

Fasziniert von Kalifornien

Die Metropole Los Angeles ehrte am 6. Oktober 2017 den großen Einfluss der Niedersachsen auf die amerikanische Rockmusik mit der Ausrufung des Scorpions Days. „Es ist eine schöne Ehrung, die die Stadt Los Angeles uns hat zukommen lassen“, flötet Meine. „Sie zeigt unsere ganz besondere Verbundenheit mit Kalifornien. Als ich an dem Text für ‚Melrose Avenue‘ schrieb, musste ich nicht lange überlegen. Das ist ein Gute-Laune-California-Song, mit dem wir uns bei den Fans für viele tolle Konzerte bedanken wollen.“

„Melrose Avenue“ findet sich auf dem aktuellen Scorpions-Album „Born To Touch Your Feelings“ und ist eine Hommage an die berühmte Meile von Los Angeles. Der Sänger ist bis heute fasziniert vom kalifornischen Lebensgefühl und den USA als Touring-Land, „weil die Rockkultur dort so stark ausgeprägt ist. In den USA hatten wir von 1979 bis Ende der 1980er Jahre eine unserer stärksten und erfolgreichsten Phasen. Vom US-Rock’n’Roll-Business haben wir als Liveband viel gelernt. Wir standen jeden Abend in einer anderen 20 000er-Arena auf der Bühne. Und das in Konkurrenz mit Bands wie AC/DC, Aerosmith oder Van Halen. Es war faszinierend, als deutsche bzw. europäische Band in diese internationale Rockfamilie reinzuwachsen und mit unserer Musik so erfolgreich zu sein.“

Genauso wohl wie im Golden State fühlt Klaus Meine sich in der verregneten Niedersachsen-Metropole Hannover an der gemächlich dahinfließenden Leine. Wo sonst kann man mit Altkanzler Gerhard Schröder in Ruhe eine Partie Tennis spielen, ohne von der Weltpresse observiert zu werden? Er betont, dass die Scorpions nie irgendeinen Wahlkampf unterstützt hätten. Lieber setzten sie sich für soziale und karikative Projekte wie die Unicef und die Nordoff-Robbins-Musiktherapie ein, die Klaus Meine und Rudolf Schenker vor 25 Jahren gründeten.

2017 gastierten die Scorpions bei den Schlossfestspielen in Regensburg. Lesen Sie dazu:Erste Hardrockshow bei „Freundin Gloria“

Insider wissen: Die Freundschaft mit Schröder hat so lange gehalten, weil der Kanzler-Kumpel die Popularität der Scorpions nie für politische Zwecke ausgenutzt hat. Obwohl sich das bei einem Slogan wie ‚Wind Of Change‘ sicher angeboten hätte. Dann schon lieber für das unterbewertete Hannover die Werbetrommel rühren, wo Klaus Meine vor 41 Jahren Gabi Lambertz ehelichte und Sohn Christian auf die Welt kam. Keine zweite deutsche Band hetzt so atemlos über den Globus, um niedersächsisches Flair unter den Menschen aller Hautfarben zu verbreiten, wie die Scorpions. 2018 stehen unter anderem Mexiko City, Paris, London, Barcelona, Athen, Tel Aviv und Verona auf dem Tourplan. In Deutschland hingegen treten die Rockopas in Provinzstädten wie Ludwigsburg und Bad Kissingen auf. Der Prophet gilt nichts im eigenen Land.

Klaus Meine ist so beschäftigt, dass er keine Zeit hat, darüber nachzudenken, wie man im Rock’n’Roll in Würde altert. „So lange ich auf Tour bin, ist das Alter für mich überhaupt kein Thema“, gibt er mit leuchtenden Augen zu Protokoll. „Wir spielen mittlerweile für drei Generationen“, sagt Klaus Meine. „In Amerika ist der Altersdurchschnitt etwas höher, das liegt an den Fans aus den 80er Jahren, die mit uns zusammen älter werden. Im Rest der Welt ist ein unglaublich junges Publikum dazugekommen. Das hält uns jung. Wir werden natürlich älter und spüren das hin und wieder auch. Ich glaube, junge Menschen finden es attraktiv, eine Band zu sehen, die sowohl bretthart rockt als auch Songs spielt, bei denen es um Emotionen geht. Wir treffen mitten ins Herz. Das ist der Spirit, der uns am Laufen hält.“

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